IEA LOBT SCHWEIZER ENERGIEPOLITIK UND EMPFIEHLT VERSTÄRKTE MASSNAHMEN ZUR ENERGIE-EFFIZIENZ
Bern (ots)
"Die umfassende Schweizer Energiepolitik im Rahmen des Programms EnergieSchweiz verdient Anerkennung", erklärte William Ramsay, stellvertretender Direktor der Internationalen Energieagentur (IEA), anlässlich der Vorstellung des Berichts Energy Policies of IEA Countries Switzerland 2003 Review am Dienstag in Bern.
Weiter sagte er: "Die Ölvorräte der Schweiz übertreffen die von der IEA geforderte Reserve für 90 Tage und belegen das klare Bekenntnis des Landes zur Versorgungssicherheit. Auch die jüngste Volksabstimmung über die Kernenergie ist bemerkenswert, da sie dem Bundesrat eine Energiepolitik erlaubt, die sich an den '3E' Energy security, Environment und Economy (Versorgungssicherheit, Umwelt und Wirtschaft) orientiert."
Dennoch steht die Schweiz vor einer Reihe von Herausforderungen. Denn auch wenn die Grundsätze und Massnahmen des Programms EnergieSchweiz vollständig umgesetzt werden, dürften sie nicht ausreichen, um die ehrgeizigen Klimaschutzziele zu erreichen. Zudem kommt die Schweiz nicht darum herum, die Effizienz im Energiesektor zu erhöhen, wobei natürlich der Ausgang der Abstimmung über das Elektrizitätsmarktgesetz im September 2002 zu respektieren ist. Die Behörden sollten weiterhin fortfahren, die Bürgerinnen und Bürger über die Ziele der Energiepolitik und die Folgen der Abstimmungsentscheidung zu informieren.
Massnahmen gegen den Klimawandel
Unter den drei "E" der IEA räumt die schweizerische Energiepolitik der Umwelt die höchste Priorität ein. Die Schweiz will mit energiepolitischen Massnahmen ihr Kyoto-Ziel erreichen, bis in den Zeitraum 20082012 ihre Treibhausgas-Emissionen um 8 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Das Programm EnergieSchweiz sieht eine zehnprozentige Reduktion des Ausstosses von Kohlendioxid (CO2) im Vergleich zu 1990 vor; erreicht werden soll dies durch die Senkung des Brennstoffverbrauchs um 15 Prozent und des Treibstoffverbrauchs um 8 Prozent. Die vorgeschlagenen Massnahmen umfassen freiwillige Verpflichtungen und Zielvereinbarungen mit der Wirtschaft, Förder- und Informationsprogramme für Unternehmen sowie Vorschriften und Normen für Gebäude, Fahrzeuge und Elektrogeräte. Führen diese Massnahmen nicht zum Ziel, soll eine CO2-Abgabe eingeführt werden.
EnergieSchweiz führt regelmäßig Wirkungsanalysen durch (bezüglich Energieverbrauch, öffentliche Ausgaben, private Investitionen, Auswirkungen auf Beschäftigung, Kosten-Effizienz der Massnahmen). Trotzdem zeigen Statistiken, dass trotz erheblicher Anstrengungen die Aktivitäten und Massnahmen nicht ausreichen dürften, um beim CO2-Ausstoss das Kyoto-Ziel bzw. die strengeren nationalen Vorgaben zu erreichen. So stiegen in der Zeit zwischen 1990 und 2001 in der Schweiz die energiebedingten CO2-Emissionen um 5,6 Prozent. Diese Emissionen würden sinken, wenn und sobald die CO2-Abgabe eingeführt wird, aber Vorbereitungen hierzu müssten bald beginnen, wenn die Abgabe in der näher liegenden Zukunft eingeführt werden soll. Zudem empfiehlt der Bericht , den Handel mit Emissionsrechten und weiteren flexiblen Instrumenten auszubauen, auch wenn sie die inländischen Reduktionsmassnahmen nur ergänzen. Zu prüfen wäre auch, ob mit einem Teil der Erträge aus der CO2- Abgabe Treibhausgas-Emissionsrechte auf dem internationalen Markt gekauft werden könnten.
Kernenergie
Im vergangenen Mai haben die Stimmberechtigten die beiden Ausstiegsinitiativen "Strom ohne Atom" und "Moratorium Plus" abgelehnt. Als Folge davon dürfen die bestehenden Kernkraftwerke weiterbetrieben werden, solange sie die Sicherheitsauflagen erfüllen, während gegen den Bau neuer Kernkraftwerke das Referendum ergriffen werden kann. Diese Rechtslage stimmt mit den Empfehlungen der IEA überein, die Option Kernenergie offen zu halten. Der Entscheid vom Mai bringt wirtschaftliche Vorteile und hilft der Schweiz, ihre Klimaziele zu erreichen und eine zunehmende Abhängigkeit vom Import fossiler Brennstoffe zu vermeiden. Mit dem ZWILAG verfügt die Schweiz über ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle aus Kernkraftwerken, das genügend Kapazität für die voraussichtliche Lebensdauer der bestehenden Reaktoren aufweist. Die Frage der Endlagerung ist jedoch noch nicht beantwortet, und der Bundesrat muss weitere Lösungsvorschläge erarbeiten.
Energiepreise
Die Energiepreisgestaltung und die Energiebesteuerung sollten überdacht werden. Die schweizerischen Heizölpreise gehören zu den niedrigsten der OECD-Mitgliedländer. Dies liegt unter anderem am unüblich tiefen Steuersatz. Unter diesen Umständen fehlen Anreize zum Energiesparen und zum Einsatz CO2-ärmerer Alternativenergien. Auch die Benzinpreise sind in der Schweiz tiefer als in den Nachbarländern, was zu Benzintourismus führt.
Umgekehrt gehören die Schweizer Preise für Erdgas zu den höchsten unter den IEA-Mitgliedländern. Gründe dafür sind das ungünstige Gelände, die geringe Marktgrösse, die niedrige Anschlussdichte sowie der fragmentierte Markt. Diese Faktoren behindern die Verbreitung von Erdgas.
Auch die schweizerischen Strompreise liegen über dem europäischen Durchschnitt, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Dies kann teilweise mit den von den Kantonen und Gemeinden erhobenen Steuern und Abgaben erklärt werden. Bedenken äussert der Bericht zur Betriebseffizienz der zahlreichen kleinen Versorgungsunternehmen der öffentlichen Hand und zur beträchtlichen Gewinnabschöpfung bei diesen Werken. Die heutige Preisgestaltung ist zuwenig transparent und ermöglicht Quersubventionen von einer Konsumentengruppe zur anderen. In manchen Fällen erhalten Gemeindebehörden den Strom sogar kostenlos oder zu einem sehr niedrigen Tarif, was die Energieeffizienz gefährdet.
Reform der Energiemärkte
Im September 2002 lehnte das Stimmvolk das Elektrizitätsmarktgesetz (EMG) trotz breitem politischen Konsens ab. Der Bundesrat hat dieses Resultat zu respektieren, sollte aber weiterhin den Wettbewerb auf dem Strommarkt fördern, um zu mehr ökonomischer Effizienz zu gelangen und um zu verhindern, dass sich der Schweizer Markt von der Entwicklung in den Nachbarländern abkoppelt. Wettbewerb könnte beispielsweise auf dem Grosshandelsmarkt geschaffen werden, indem den Stromverteilern und den Grossverbrauchern erlaubt wird, ihre Lieferanten selbst zu wählen. Weiter sollten eine unabhängige Regulierungsinstanz und ein unabhängiger Netzbetreiber eingerichtet werden mit dem klar formulierten Auftrag, für mehr Wettbewerb zu sorgen, ohne dabei die Versorgungssicherheit zu gefährden. Ein solcher Netzbetreiber könnte die Verteilnetze rationeller betreiben und die Effizienz im grenzüberschreitenden Handel und Stromtransit verbessern. Schliesslich ist eine wirksame Entbündelung nötig, um Dritten einen transparenten und diskriminierungsfreien Netzzugang zu gewährleisten.
Die Erdgasindustrie will den Zugang zu ihren Netzen erlauben im Rahmen des geltenden Rechts, das Dritten auf dem Verhandlungsweg den Zugang zu Hochdrucknetzen ermöglicht. Diese Bemühungen sind zu begrüssen, jedoch sollte der Bundesrat den Markt stärker im Auge behalten und wirksame Mechanismen zur Streitschlichtung sowie Rekursverfahren einführen, die sicherstellen, dass neben den bisherigen auch die neuen Marktteilnehmer einen transparenten, fairen und raschen Netzzugang erhalten. Die entsprechenden Entscheide sollten unverzüglich in Kraft treten, um zu verhindern, dass die etablierten Unternehmen den Netzzugang Dritter verzögern, indem sie beispielsweise langwierige Gerichtsverfahren anstrengen.
Bern, 9. September 2003
Internationale Energieagentur (IEA)
Medienschaffende können den Bericht Energy Policies of IEA Countries Switzerland, 2003 Review beim IEA Public Information Office in Paris anfordern. MEDIENKONTAKTE: Pierre Lefèvre (+33 1) 40.57.65.54; E-Mail: pierre.lefevre@iea.org Fiona Davies (+33.1) 40.57.65.50; E-Mail: fiona.davies@iea.org
Der Bericht Energy Policies of IEA Countries Switzerland, 2003 Review kann bestellt werden bei: IEA Books, International Energy Agency, 9, rue de la Fédération, 75739 Paris Cedex 15 Fax: (+ 33.1) 40.57.65.59 E-Mail: books@iea.org, www.iea.org/books.
Energy Policies of IEA Countries Switzerland, 2003 Review 144 Seiten; (61 2003 12 1 P1) 92-64-01478-0; 75