Ist Integration messbar?
Luzern (ots)
Wir wissen es alle, Integration gibt vor allem im Zusammenhang mit Einbürgerungen immer wieder zu reden. Wer ist eigentlich wann integriert und warum? Ist Integration messbar und wenn ja, wie?
Die Kantonale Kommission für Ausländer- und Integrationspolitik unter der Leitung von Martina Caroni, Professorin an der Universität Luzern, führte zu dieser Frage eine Tagung durch. Auf Mittwoch, 4. Mai 2005, waren also alle interessierten Personen aus dem Kanton Luzern - und soweit es ihnen bekannt war, auch aus andern Kantonen in die Stadthalle Sursee zu einer Tagung eingeladen. Über 190 Personen meldeten sich an. Schon alleine diese grosse Teilnehmerzahl lässt erkennen, dass die Frage, ob Integration irgendwie messbar sei, viele Leute aus Gemeindebehören, Einwohnerräten, Einbürgerungskommissionen, Parteien, Kirchgemeinden, Schulen, von Beratungsstellen und interkulturellen Organisationen beschäftigt. Aber auch bereits eingebürgerte Personen oder ausländische Personen, die schon lange in der Schweiz leben, nahmen an der Tagung teil.
Durch den Tag führten Hansjörg Vogel, Integrationsbeauftragter des Kantons Luzern, Verena Wicki, Stellenleiterin der Fabia, Sibylle Stolz, Integrationsbeauftragte der Stadt Luzern und Martina Caroni. Das Grusswort von Regierungsrätin Yvonne Schärli an die vielen interessierten Gäste liess vermuten, dass am Schluss der Tagung kein Rezept vorliegen würde. Aber, so meinte sie, es besteht wenigstens die Hoffnung, dass der Ermessensspielraum in den Gemeinden ähnlicher gehandhabt wird.
Integration, was ist das? So betitelte Walter Schmid, Rektor der Hochschule für Sozialarbeit Luzern und Vizepräsident der Eidgenössischen Ausländerkommission, sein Einführungsreferat. Darüber, dass er die Frage nicht schlüssig beantworten konnte, tröstete er sich mit der Tatsache, dass selbst die Eidgenössische Ausländerkommission zur Integration expliziert ausführte, dass sich der Begriff nicht genau fassen lasse. "Wir können die Orte beobachten, wo Integration geschieht, wir können erkennen, wie Integration gewirkt oder versagt hat, wir können den Ton hören, in dem über Integration gesprochen wird, die Erwartungen sehen, die mit Integration verbunden werden, wir können die Messlatten beschreiben, die an die Integration gestellt werden, die Hoffnungen und Ängste wahrnehmen, die Menschen im Zusammenhang mit Integration bewegen und die Zeiträume ermessen, in denen Integration geschieht." Schmid erinnerte auch, dass man noch gar nicht so lange von Integration spricht. Früher konnte bleiben, wer "kei Lämpe" machte, sich sein Leben selbst verdiente und die Rechtsordnung beachtete. Aber damals gab es eben noch mehr Arbeitsplätze. In den Neunziger Jahren änderte sich das und seither spricht man auch von Integration. Und jeder, jede versteht darunter etwas anderes, denn die Frage der Integration geht eigentlich weit über die Ausländerfrage hinaus und betrifft auch die Einheimischen. So ist Integration eng mit dem sozialen Status verknüpft. Wer die Arbeit verliert, steht unabhängig von der Nationalität in Gefahr, an Boden zu verlieren. Die Schönen und Reichen der Welt brauchen dagegen Integration nicht unter Beweis zu stellen.
Integration braucht Auseinandersetzung, wer sich ihr stellt mit Empathie für den Andern, hat einen Schritt auf dem Weg der Integration gemacht, unabhängig davon, wie wir die Konzepte benennen und ob wir Integration abschliessend definieren können.
Wer Integration fordert, muss sie auch fördern! Pascal Steiner, Ethnologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Eidgenössischen Ausländerkommission, hat sich mit Einbürgerungspraxen in der Schweiz vertieft auseinandergesetzt, nachzulesen in "Paradoxien im Bürgerrecht". Sie wies in ihrem Referat auf die luzernischen Gepflogenheiten hin und verlangte, wer Integration fordert, muss sie auch fördern. Wenn alle gesetzlichen Bestimmungen erfüllt sind, gibt es noch viele Ermessensspielräume, welche interpretiert werden können. Ob eine Standardisierung der Sprachkenntnisse ein Weg dazu ist, sollten u.a. auch die anschliessend an die Referate stattfindenden Workshops sich zum Thema machen.
Szenische Auseinandersetzung Mit träfen, witzigen und nachdenklich stimmenden Kurzszenen verstanden es Studierende der höheren Fachschule für Sozialpädagogik unter der Regie von Maria Gallati, Integrationsprobleme, aber auch Probleme mit Heimatgefühlen oder Empfindungen von Gerechtigkeit und Willkür, die ganze Vielfalt des Stoffes, noch von einer andern Seiten zu zeigen. Am Nachmittag bildeten sich 16 Gruppen, die mit je einem Gast der Frage nachgingen: Woran erkennen wir, dass eine Ausländerin, ein Ausländer integriert ist? Die Erkenntnisse aber noch viel mehr Fragen, Fragmente von Aussagen und Statements wurden auf die Papiertischtücher notiert und anschliessend fotografisch festgehalten. Darunter Aussagen wie: Kommissionen sollen einbürgern; als Städterin hätte ich auf dem Land keine Chance eingebürgert zu werden; 70 Prozent ihrer Integration schaffen die Ausländer selbst, aber die 30 Prozent, welche die Schweizer helfen müssten, sind schwierig zu erhalten, Begegnungen müssten stattfinden.
Die Arbeitsgruppe wird versuchen, aufgrund der Referate, der Tischprotokolle, Highlights und Prozessbeobachtung, einen kantonalen Leitfaden für die Gemeinden zu erstellen. Der Entwurf wird mit Vertretungen aus verschiedenen Zielgruppen der Tagung besprochen werden. Eine ISO-Norm wird es für die Messbarkeit aber nicht geben.
Originaltext: Kanton Luzern Internet: www.presseportal.ch
Kontakt:
Hansjörg Vogel
Integrationsbeauftragter des Kantons Luzern
Tel. +41/79/467'80'21 (heute Freitag erreichbar)
Koordinationsstelle für Ausländerfragen und Integrationspolitik des
Kantons Luzern
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E-Mail: hansjoerg.vogel@lu.ch