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RVK: Kommt die Volkspflege-Versicherung? - Kontroverse Diskussion über mögliche Wege zu einem Obligatorium

Zürich (ots)

Der Verband der kleinen und mittleren
Krankenversicherer in der Schweiz (RVK) plädiert für die Einführung
einer Volkspflege-Versicherung. Mit einer neuen Solidarität in der
Bevölkerung ab dem 50. Altersjahr soll die jüngere Generation in der
obligatorischen Krankenversicherung entlastet werden. Das kürzlich
den Medien vorgestellte Modell wurde in Zusammenarbeit mit Prof. Dr.
Bernd Schips, Leiter der Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF),
entwickelt. Am 7. Schweizerischen Forum der sozialen
Krankenversicherung, das heute in Zürich stattgefunden hat, wurde das
Modell der Fachwelt präsentiert und von führenden Exponenten aus
Politik und Gesundheitswesen beurteilt und kommentiert.
Mögliche Pflegeversicherung ab Alter 50
Grundidee des Modells ist, dass jeder Bewohner des Landes
unabhängig von seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen die
benötigten Pflegeleistungen erhalten soll. Zur Finanzierung dieser
Pflegeleistungen wird für die über 50-jährigen Versicherten eine
separate, obligatorische Pflegeversicherung eingeführt. Diese
bezahlen bei ihrer Krankenkasse eine einheitliche Zusatzprämie für
die Pflegeversicherung von Fr. 158.- pro Person/Monat und sind ab dem
181. Tag für Langzeitpflege und Betreuung in Heimen (ohne
Pensionskosten) sowie für Spitex-Dienste versichert. Aufgrund dieser
Pflegeversicherung lassen sich die Prämien für die obligatorische
Krankenpflegeversicherung (OKP) um rund 25 Franken pro Person/Monat
reduzieren, was vor allem jungen und einkommensschwächeren Familien
zugute kommt. Die Pflegeversicherung erzeugt demnach für die über
50-Jährigen Zusatzkosten von Fr. 133.- pro Person/Monat.
Demografische Entwicklung verlangt neue Ideen
Die Finanzierung der Pflege ab dem 50. Altersjahr, begründete
RVK-Präsident Charles Giroud die Lancierung des Modells, entwickle
sich mehr und mehr zum Grossrisiko für die Versicherten. Die ständig
steigende Lebenserwartung, die damit verbundene demographische
Entwicklung sowie die materielle Kluft zwischen den Generationen
verlange eine neue Solidarität zwischen jung und alt. So haben sich
die Pflegekosten pro Versicherte seit der Einführung des KVG im Jahre
1996 für die Krankenversicherer mehr als verdoppelt und bezifferten
sich 2003 auf insgesamt 1,8 Milliarden Franken. Das präsentierte
Modell entlaste die jungen Familien und fördere die häusliche Pflege
durch Familienangehörige und Aussenstehende, da die bisher
unentgeltlich erbrachten Leistungen belohnt werden sollen. Auch nimmt
nach Professor Schips die Wahrscheinlichkeit, hoch betagt und damit
pflegebedürftig zu werden, zu, und das Risiko,
(langzeit-)pflegebedürftig zu werden, steigt. Ein zum Pflegefall
gewordener Mensch kann in den meisten Fällen das Kostenrisiko nicht
mehr alleine tragen.
KVG und Kosten als mögliche Stolpersteine
Nach Dr. Hans Heinrich Brunner, Bundesamt für Gesundheit, bedeutet
der Ruf nach Prämienbefreiung von bestimmten Altersgruppen oder die
Schaffung neuer Zusatzversicherungen das Grab des KVG. Die
vorgeschlagene Pflegeversicherung ist für ihn "ein neuer Versuch zur
Prämienumverteilung", und sie bedeute eine weitere eigene
Organisation mit allen Kostenfolgen. Die Lösung könnte ebenso in
einem einfachen Prämienzuschlag in der bisherigen Grundversicherung
bestehen.
Aus Sicht des Schweizerischen Seniorenrates (SSR) sowie der Spitex
spricht gegen das lancierte Modell, dass 1994 die volle Kostendeckung
der Pflegekosten im KVG verankert wurde. Von diesem Grundsatz könne
man nicht ohne gleichwertige Lösung abweichen, stellte Gerhard
Messerli (Seniorenrat) fest, man wolle keine Pflegeversicherung,
deren Finanzierung vorwiegend oder fast ausschliesslich durch die
ältere Generation zu erfolgen habe.
Aus Sicht der Spitex ist nach Dr. Stéphanie Mörikofer-Zwez,
abgesehen von den zusätzlichen Administrativkosten einer neuen
Sozialversicherung, u. a. die Finanzierung der Langzeitpflege und die
Kostenproblematik bei Heimaufenthalt nicht ausreichend geregelt. Eine
faire Lösung muss ihrer Meinung nach die Pflegefinanzierung im Rahmen
der bestehenden Sozialversicherungen integral regeln, die tragbare
Belastbarkeit der Kostenträger berücksichtigen, die
Generationen-Solidarität gegenüber der aktiven Generation und
gegenüber den Betagten beachten, alle Pflegebedürftigen unabhängig
von Alter und Pflegeort gleich behandeln und bei Beiträgen der
öffentlichen Hand klar definieren wer was zahlt.
Für Generationen-Gerechtigkeit und Status quo
SP-Nationalrätin Evi Allemann wiederum hält die Pflegeversicherung
grundsätzlich für begrüssenswert. Doch sind ihrer Meinung nach
gesellschaftliche Abmachungen zu treffen wie die finanziellen Mittel
fliessen, wofür welche Generation aufzukommen hat und ob die Lasten
ungefähr gleichmässig auf die Generationen verteilt sind. In diesem
Sinn sei das öffentliche Bewusstsein für eine umfassende
Generationen-Gerechtigkeit zu wecken.
Wie die RVK ortet Regierungsrat Dr. Carlo Conti (BS) bei der
Alterspflege nicht ein Qualitäts-, sondern ein Finanzierungsproblem.
Trotz starker Zunahme der über 80-Jährigen funktioniere die
baselstädtische Pflege-Lösung, die u. a. auf einer gut arbeitenden
Spitex und Beiträgen an die Pflege zu Hause basiere, gut und soll
weiterhin durch die Krankenversicherung mitgetragen werden.  Eine
obligatorische Pflegeversicherung käme für Conti lediglich zur
Risikodeckung einer Höchstpflegebedürftigkeit in Frage, um die
obligatorische Krankenpflegeversicherung zu entlasten.
Forderungen der RVK an die nationale Politik
Die demographische Entwicklung verlange eine Überprüfung der
sozialen Systeme, forderte RVK-Präsident Giroud zum Schluss der
Tagung, die nationale Politik müsse sich zwingend mit diesen
Grundsatzfragen auseinander setzen, bevor sie kleine Anpassungen
beschliesse. Alle Betroffenen müssten ihre Aktivitäten in Richtung
einer obligatorischen Volkspflege-Versicherung bündeln, die RVK
stelle zur Koordination ihre guten Dienste zur Verfügung.
Die RVK ist der Verband der kleinen und mittleren
Krankenversicherer und als Branchenorganisation die Nummer 3 im
schweizerischen Gesundheitsmarkt. Sie repräsentiert 49
Krankenversicherer und vertritt aktuell 60 % aller Anbieter von
Krankenversicherungen mit über 800'000 Versicherten. Nähere Angaben
über www.rvk.ch.
Voranzeige: Das 8. Schweizerische Forum der sozialen
Krankenversicherung findet statt am Donnerstag, 11. Mai 2006,
Kongresshaus Zürich
Die Medientexte können auch abgerufen werden unter www.rvk.ch
"Forum".

Kontakt:

Marcel Graber
Direktor RVK
Tel.: +41/41/417'01'11
Fax: +41/41/410'69'65

Während der Tagung am Donnerstag, 12. Mai 2005:
Tel.: +41/79/215'14'81 oder +41/79/404'75'52

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