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Aids-Hilfe Schweiz

Aids-Hilfe Schweiz zur Verfügbarkeit von HIV/Aids-Medikamenten in ressourcenschwachen Ländern

Zürich (ots)

Ab Mittwoch nach Ostern wird am obersten Gericht in
Südafrika der Prozess von 39 Firmen der pharmazeutischen Industrie
gegen die südafrikanische Regierung erneut aufgenommen. Es geht
dabei, unter anderem, um eine preisgünstige Abgabe von
HIV/Aids-Medikamenten. Die Aids-Hilfe Schweiz spricht sich aus für
die Einführung und Abgabe von HIV/Aids-Medikamenten in
ressourcenarmen Ländern zu realistischen Preisen. Zudem unterstützt
sie die Freigabe von Patenten und die Produktion von Generika in den
entsprechenden Ländern. Die AHS beruft sich dabei auf das von der WTO
formulierte Patentrecht, das eine Lockerung der Bestimmungen im Falle
eines -nationalen Notstandes" vorsieht. Sie wehrt sich aber auch
gegen eine Verzerrung der Gegebenheiten, wenn die Preise der
HIV/Aids-Medikamente als Hauptproblem dargestellt werden. Die AHS ist
dezidiert der Meinung, dass die Lösungen global und gemeinsam gesucht
werden müssen und zwar mit den Betroffenen, den Regierungen der
betroffenen Länder wie auch mit Hilfe der internationalen
Staatengemeinschaft. Die längerfristige Lösung des Problems sieht die
AHS in der HIV-Prävention.
Ausgangslage
Spätestens seit der Welt-Aids-Konferenz 2000 in Durban, Südafrika,
sind die Dimensionen, welche die Aids-Epidemie weltweit angenommen
hat, ins Bewusstsein der internationalen Staatengemeinschaft gerückt.
In der Folge haben in den letzten Monaten die WHO, die UNAIDS sowie
verschiedene Länder, Institutionen und Organisationen Anstrengungen
unternommen, breit auf die Probleme aufmerksam gemacht,
Lösungsansätze vorgelegt und konkret auch finanzielle Mittel
zugesichert. Unterstützt wurden sie durch internationale Hilfswerke
und in der Entwicklungszusammenarbeit tätige NGOs . In den letzten
Wochen hat sich die Diskussion jedoch reduziert auf die Frage des
Zugangs zu HIV-Medikamenten für HIV-positive und aidskranke Menschen
in ressourcenarmen Ländern. Die Preise der Aids-Medikamente als
Hauptproblem darzustellen, erachtet die Aids-Hilfe Schweiz als eine
Verzerrung der Gegebenheiten.
Zugang zu HIV/Aids-Medikamenten in ressourcenarmen Ländern
Die Aids-Hilfe Schweiz geht davon aus, dass die hohen Kosten für
die Forschung, Entwicklung und Produktion im Bereich HIV/Aids durch
die ebenfalls hohen Einnahmen beim Verkauf der Endprodukte in den
Industrieländern gedeckt werden können. Der Verkauf in
ressourcenarmen Ländern sollte auf einer andern Kostenrechnung
basieren und es sollte möglich gemacht werden, dort Aids-Medikamente
zu andern Konditionen zu verkaufen, resp. abzugeben. Dazu stehen im
wesentlichen zwei Wege offen:
  • Einführung der Medikamente und Abgabe zu Preisen, die für die Bevölkerung in den entsprechenden Ländern realistisch ist,
  • Freigabe der Patente und Produktion von Generika in den entsprechenden Ländern selbst .
Grundsätzlich zu bedenken ist, dass Kostendeckung, Rentabilität
und auch das Streben nach Gewinn Aspekte der westlichen
Marktwirtschaft sind (man kann dies gut oder weniger gut finden, es
ändert nichts an deren Vorhandensein). Diese Faktoren nun einseitig
der pharmazeutischen und speziell der am Thema HIV/Aids verdienenden
Firmen zum Vorwurf machen zu wollen, greift zu kurz.
Menschenrecht gegen Patentrecht
Die öffentliche Diskussion in den letzten Wochen und Monaten wurde
zugespitzt auf die ethische Frage -Patentrecht gegen Menschenrecht".
Die Menschenrechte sind in jedem Fall höher als Sachrechte zu
gewichten: Das von der WTO formulierte Patentrecht erlaubt
Lockerungen im Falle eines -nationalen Notstandes". Die AHS vertritt
die Meinung, dass zumindest in den Sub-Sahara-Ländern mit insgesamt
über 24 Millionen HIV-positiven Menschen dieser Notstand gegeben ist.
Dort sind unzählige Frauen, Männer und Kinder unmittelbar vom Tod
bedroht, wenn ihnen nicht rasch mit therapeutischen Mitteln geholfen
werden kann.
Aus dieser Notsituation darf jedoch kein Präzedenzfall gemacht und
beliebig auf andere Produkte ausgedehnt werden. Eine generelle
Infragestellung der WTO Bestimmungen kann daraus nicht abgeleitet
werden. Internationale Abmachungen und Verträge sind einzuhalten.
Rolle der Forschung und Entwicklung
Die Bereitschaft einiger Firmen der Pharmaindustire, auch in
Zukunft Teile ihres Gewinns für die Forschung und Entwicklung von
HIV/Aids-Medikamenten zu verwenden, erachtet die AHS als wichtig. Die
jetzigen und auch die zukünftigen Aids-Medikamente sind, das darf
nicht vergessen werden, ein Resultat dieser Arbeit. Nach wie vor
besteht im Bereich HIV/Aids ein grosser medizinischer
Forschungsbedarf - nicht nur in der Therapie, sondern auch in der
Prävention: Die Suche nach einer Impfung gegen HIV muss intensiv
weitergeführt werden und auch die Forschungen bei den Mikrobiziden
sind intensiv weiter voranzutreiben. Auch die durch die öffentliche
Hand angeregte und bezahlte Forschung im Bereich HIV/Aids hat einen
hohen Stellenwert und muss weiterhin möglich sein.
Ansprüche an die medizinische Grundversorgung
Das WHO-Programm -Gesundheit für alle im 21. Jahrhundert" schreibt
den Anspruch aller Menschen auf eine adäquate medizinische Versorgung
fest. Um diesem Anspruch nachkommen zu können, ist Aufbauarbeit in
einem riesigen Ausmass nötig. Die dazu bereitgestellten finanziellen
Mittel reichen in der Regel kaum für die Grundversorgung.
Um eine Krankheit mit epidemischen Ausmassen wie Aids eindämmen zu
können, müssen die Budgets für das Gesundheitswesen in den am meisten
betroffenen Ländern massiv erhöht werden, da die diagnostische,
therapeutische und betreuende Behandlung von HI-positiven oder
aidskranken Menschen ein adäquat ausgebautes Gesundheitssystem
voraussetzt. Dort, wo diese Infrastruktur nicht vorhanden ist, müssen
auch andere Wege gesucht werden, sei es mit Hilfe von NGOs, oder
durch Organisationen und Netzwerke von HIV-positiven Menschen (GNP+,
AIDSETI).
Die Rolle der Regierungen und der Meinungsführer Das Grundproblem
HIV/Aids ist nicht primär eine Frage des Zugangs zu Therapien und
Medikamenten. Dass sich das HI-Virus in den letzten Jahren
flächenbrandartig ausbreiten konnte, hat nicht nur mit dem Virus
allein, sondern ebenso sehr mit den Umständen zu tun, unter welchen
eine Infektion erfolgen kann. Armut, mangelnde Bildung, mangelnde
Menschenrechte, Sexismus sind hier Stichworte. Auf diesem Hintergrund
finden HIV-Infektionen statt.
Die Versäumnisse der letzten Jahre und die damit verknüpften
Verantwortlichkeiten gehen auf das Konto von Regierungen,
Religionsführern und anderer Meinungsbildenden (auch) aus den am
meisten betroffenen Ländern. Berechtigte Warnungen wurden in den Wind
geschlagen. Auch heute ist der politische Wille, ernsthaft an die
Lösung des Problems heranzugehen, oft nur solange vorhanden, als dies
kein wesentliches Hinterfragen von Traditionen bedeutet.
Die AHS betrachtet ein klares Commitment der Regierungen der
betroffenen Länder zur HIV-Prävention und Behandlung als zwingend
notwendige Voraussetzung für erfolgreiche Massnahmen zur Eindämmung
der Epidemie.
Globale Verantwortung
Die AHS ist dezidiert der Meinung, dass Lösungen gemeinsam gesucht
und umgesetzt werden müssen und zwar mit den Betroffenen selbst, mit
den Regierungen der betroffenen Ländern, mit Hilfe der
internationalen Staatengemeinschaft, mit NGOs, welche sich
humanitären Aufgaben verschrieben haben, sowie mit Vertretern der
Wirtschaft - und zwar nicht nur jene der pharmazeutischen Industrie.
Die AHS erwartet von der UN-Sondersession zum Thema HIV/Aids, welche
im Juni in New York stattfindet, eine aussagekräftige, von allen
Beteiligten getragene Deklaration, die wegweisend für die
HIV/Aids-Arbeit der nächsten Jahre sein wird.
Das langfristig wirksamste Aids-Medikament: Die HIV-Prävention
Es ist eine Verzerrung der Gegebenheiten, die Preise der
Aids-Medikamente als Hauptproblem darzustellen. Die rasche Abgabe von
Medikamenten an Menschen mit HIV und Aids ist eine notwendige, aber
kurzfristige Strategie, und es besteht die Gefahr, dass der Fokus zu
einseitig auf kurz- und mittelfristig mögliche theraupeutische
Ansätze im Umgang mit HIV und Aids gelegt wird. Mindestens ebenso
wichtig ist es, der Epidemie auch mit Massnahmen der Prävention
Einhalt zu bieten.
Die Kenntnisse, welche Präventionsmassnahmen wirksam sind, sind
seit Jahren greifbar - auch in den ressourcenarmen Ländern. Die
Welt-Aids-Konferenzen von Vancouver, Genf und Durban berichteten über
entsprechende Forschungen, über Präventionsprogramme, über Erfolge
und Misserfolge . Es gibt weltweit unzählige gute Präventionsansätze
und Programme. Deren Wirksamkeit ist bewiesen, und zwar nicht nur in
den Ländern des Nordens, sondern ebensosehr in einigen Ländern des
Südens (Uganda, Thailand, Brasilien). Neben Verhaltensänderungen auf
der individuellen Ebene gilt es auch, Settings (u.a. auch Haltungen,
Meinungen, Traditionen) so zu verändern, dass ein präventives
Verhalten überhaupt erst möglich wird.
Prävention ist eine langfristige Strategie. Erfolge sind nicht
sofort sichtbar, sondern erst Monate und Jahre später. Umso wichtiger
ist es, sich jetzt - neben den kurzfristig notwendigen Massnahmen -
auch für die Prävention zu entscheiden und dafür finanzielle Mittel
freizumachen. Auch dies bedingt eine Zusammenarbeit über Grenzen und
Kontinente hinweg. Letztendlich ist die Prävention, neben dem Leid
und der Tragik, die sie vermeiden hilft, um vieles kostengünstiger
als jede Therapie.
Prävention im Aids-Bereich bedingt Offenheit in Fragen der
Sexualität
Eine HIV/Aids-Prävention, die im wesentlichen auf der Safer
Sex-Botschaft des Präservativgebrauchs beruht (neben andern
Botschaften wie Treue und Enthaltsamkeit), berührt zwangsläufig
Fragen der Sexualität. Und damit kommen oft auch Fragen der Selbst-
und Fremdbestimmung, der Abhängigkeiten und der Machtverhältnisse
zwischen den Geschlechtern zur Sprache. Hier Veränderungen nicht nur
im individuellen Verhalten, sondern ebenso sehr Veränderungen im
Umfeld derart zu bewerkstelligen, dass daraus eine Reduktion der
Neuinfektionen erfolgt, hat in Europa über ein Jahrzehnt gedauert. Zu
bedenken ist, dass den Menschen in vielen betroffenen Ländern keine
zehn Jahre mehr bleiben, um zu handeln.
Die Diskussion um HIV/Aids-Medikamente sollte nicht dazu benützt
werden, von denjenigen Punkten abzulenken, die beim Thema HIV/Aids
ebenfalls auf die Traktandenliste gehören: zum Beispiel Tabuthemen
wie Sexualität, Selbstbestimmung von Frauen und sexuelle Identität.
Andere Wege der Infektion
Dort, wo HIV/Aids pandemische Ausmasse angenommen hat, passieren
die meisten Neuinfektionen über Geschlechtsverkehr. Hier gilt die
Safer Sex Botschaft. Einen wesentlichen Anteil an den Neuinfektionen
haben jedoch auch die Infektionen von der Mutter zum Kind, diejenigen
über unkontrollierte Blutprodukte und diejenigen über unsauberes
Spritzenmaterial beim intravenösen Drogengebrauch. Um gegen diese
Infektionswege angehen zu können, sind sowohl präventive als auch
medizinische Anstrengungen nötig. Es muss alles daran gesetzt werden,
dass für Mütter und neugeborene Kinder adäquate Medikamente zur
Verfügung stehen nicht nur für die Phase der Geburt. Der Handel von  
 Blutprodukten ist besser zu kontrollieren und für intravenöse
Drogengebraucher muss sauberes Spritzenmaterial zur Verfügung stehen
(Safer Use).
Hinweis an die Redaktionen: Sie finden diese Mitteilung auch
im ELIAS-Infopool, Rubrik Gesundheit, Aids-Hilfe Schweiz,
Mediencommuniqués.

Kontakt:

Aids-Hilfe Schweiz
Postfach 1118
8031 Zürich

Ruth Rutman
Geschäftsleiterin
Tel. +41 1 447 11 11 oder
Mobile +41 79 225 24 51 (wenn möglich vor oder über Ostern)

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