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Sucht Schweiz / Addiction Suisse / Dipendenze Svizzera

Drogentests an Schulen: Eine Stellungnahme von Fachleuten

Lausanne (ots)

Gemeinsame Mitteilung der folgenden
Institutionen: Groupement Romand d'Etudes des Addictions (GREA) / 
Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme 
(SFA) / Fachverband Sucht / Schweizerische Gesellschaft für 
Suchtmedizin (SSAM)
Erneut wird darüber diskutiert, mit Drogentests an Schulen den 
Substanzkonsum Jugendlicher in den Griff zu bekommen. Der Einsatz 
solcher Tests kann unter Umständen die Situation der Betroffenen 
verschlimmern. Auf den ersten Blick scheinen Drogentests ein probates
Mittel zu sein; sie können jedoch dem Drogenkonsum und den damit 
verbundenen Problemen von Schülerinnen und Schülern nicht wirksam 
begegnen. Gesundheitsexperten und -expertinnen, die sich mit 
Suchtproblemen beschäftigen, lehnen Drogentests an Schulen strikte ab
und weisen darauf hin, an Schulen heute nur unzureichend 
intervenieren zu können.
Die Hintergründe
Im letzten Jahrzehnt hatte der Cannabiskonsum von Jugendlichen stark 
zugenommen. Dies ist vor allem im schulischen Umfeld beunruhigend, wo
der Substanzgebrauch in Konflikt steht mit dem erzieherischen Auftrag
der Schule. Obwohl sich die Situation bis heute verbessert hat (so 
gaben im 2006 34 % der 15-jährigen Jungen an, mindestens einmal 
Cannabis konsumiert zu haben; im 2002 waren es 46 %), werden Urin- 
oder Speicheltests immer wieder öffentlich diskutiert. Suchtfachleute
sind besorgt; sie lehnen solche Tests ab, da sie kontraproduktiv 
seien. Sie ziehen andere Interventionsmassnahmen vor und betonen die 
Bedeutung der Früherkennung gefährdeter Jugendlicher. In der Schule 
müsse die Früherkennung über Anzeichen erfolgen wie verschlechterte 
Schulleistungen, häufige Absenzen oder Demotivation; nicht aber über 
körperliche Hinweise wie der Rückstand von Drogen im Urin. Indem 
Lehrerinnen und Lehrer im Gespräch ihre Vermutungen und ihre Sorgen 
ansprechen, vermeiden sie ein Klima, das aufgrund von Tests 
verletzend und von Verdächtigungen geprägt ist.
Auf den ersten Blick scheinen Urin- oder Speicheltests ein 
probates Mittel zu sein, um einen Drogenkonsum festzustellen. Doch 
die Nachteile überwiegen: Zum einen funktionieren nicht alle Tests 
zuverlässig. Zum anderen sagen solche Tests nichts aus über die 
Häufigkeit und Intensität des Konsums, den Grad der Abhängigkeit, die
psychische Verfassung oder die medizinische Betreuung und das soziale
Umfeld eines Jugendlichen. Da jede individuelle Situation komplex 
ist, erinnern Suchtfachleute die politischen Kreise sowie die 
sozialen Einrichtungen an grundlegende Aspekte der Prävention und 
Gesundheitsförderung im schulischen Umfeld.
Weshalb sind Drogentests kontraproduktiv?
1. Jugendliche mit einem risikoreichen Substanzkonsum, die auch im 
Schulalltag zu Drogen greifen, weisen eine grössere Vulnerabilität 
auf, die sich u.a. mit der individuellen Lebenssituation erklären 
lässt, wozu auch die Schule mit ihrem pädagogischen Auftrag zählt. 
Deren Kernaufgaben sind Bildung und Erziehung, nicht aber 
Vollzugsarbeiten, die bereits von anderen Kontrollbehörden ausgeführt
werden. Wenn die Schule von Jugendlichen mit Problemen primär als 
repressive Instanz wahrgenommen wird, kann sie nicht gleichzeitig 
ihren pädagogischen Auftrag erfüllen. Die beiden Rollen sind 
unvereinbar.
2. Drogentests rufen im Falle von positiven Resultaten nach 
Sanktionen. Diese fördern aber ein Klima der Angst, welches 
Jugendliche davon abhält, Unterstützung einzufordern. Die Angst vor 
Sanktionen kann die Situation der betroffenen Jugendlichen 
verschärfen. Angezeigt ist vielmehr ein konstruktives Gespräch 
zwischen Lehrkräften und Jugendlichen, zum Beispiel im Hinblick auf 
therapeutische Massnahmen.
3. Drogen wie Cannabis sind in der Schweiz nach wie vor verboten 
und der Konsum wird bestraft. 72 % aller Verzeigungen wegen Konsum 
von Betäubungsmitteln betrafen im Jahr 2006 Cannabis. Während den 
letzten zehn Jahren blieb die Zahl der Verzeigungen mit 30'000 in 
etwa gleich. Unter den gleichen gesetzlichen Voraussetzungen hatte 
der Konsum stark zugenommen, um dann in jüngster Zeit wieder 
abzunehmen. Dies verdeutlicht, dass das gesamte gesellschaftliche 
Umfeld den Konsum beeinflusst, nicht einzelne Verbote und deren 
Ahndung.
4. Drogentests werfen zahlreiche Fragen auf: Wer entscheidet auf 
welcher Grundlage, ob ein Test durchgeführt wird? Welches ist die 
rechtliche Basis (Verfassungsgrundlage und internationale 
ratifizierte Konventionen)? Welche Rekursinstanzen gibt es? Wer 
bezahlt die Tests? Und was geschieht mit den Resultaten bzw. den 
betroffenen Jugendlichen? Was passiert bei einem Rückfall? Der 
Ausschluss von der Schule würde beispielsweise die Situation der 
Betroffenen noch verschlimmern. Unbestritten ist, dass therapeutische
Programme vor allem dann greifen, wenn sie frühzeitig erfolgen.
Schlussfolgerung
In der Schule steht die Förderung der Jugendlichen im Zentrum. Ihr 
gleichzeitig den Vollzug repressiver Massnahmen aufzubürden, 
beeinträchtigt ihren pädagogischen Auftrag, vor allem in der 
Begleitung von Mädchen und Jungen in schwierigen Situationen.
Die unterzeichnenden Institutionen empfehlen, auf Drogentests (Urin- 
oder Speicheltests) an Schulen zu verzichten. Personen, die eine 
solche Massnahme implementieren sollen, raten sie, die oben genannten
Bedenken zu berücksichtigen. Gleichzeitig wollen sie Eltern 
sensibilisieren, die erwägen, kommerzielle, z.B. via Internet 
vertriebene Drogentests einzusetzen. Ist die schulische Leistung 
eines Jugendlichen beeinträchtigt, müssen die zuständigen 
Fachpersonen eingeschaltet werden (Ärzte, Suchtfachleute, 
Schulsozialarbeiter).

Kontakt:

Monique Helfer
Medienverantwortliche SFA
mhelfer@sfa-ispa.ch
Tel.: 021 321 29 74

Markus Theunert
Fachverband Sucht
Generalsekretär
Tel. : 044 266 60 60 oder 079 238 85 12

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