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Sucht Schweiz
CBD-Cannabis: offene Fragen, meistens geraucht und unterschiedliche Konsumentenprofile
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Lausanne (ots)
Das in Cannabis enthaltene CBD (Cannabidiol) drängte in den letzten Jahren das für die berauschende Wirkung verantwortliche THC (Tetrahydrocannabinol) etwas in den Hintergrund. Dies aus zwei Gründen: CBD ist aus gesundheitlicher Sicht von Interesse und die Gesetzgebung ermöglichte das Entstehen eines legalen Markts. Seit Sommer 2016 ist CBD-Cannabis in Fachgeschäften, im Supermarkt und im Kiosk erhältlich. Aber was genau ist über die Wirkung von CBD bekannt? Welche Produkte werden verkauft? Und was suchen die Konsumierenden? Zwei Jahre nach dem Hype des «legalen Cannabis» zieht Sucht Schweiz eine erste Bilanz.
Seit 2011 ist Cannabis mit weniger als 1% THC in der Schweiz nicht mehr illegal. Zur gleichen Zeit wurden in Nordamerika Cannabis-Sorten entwickelt, die äusserst wenig THC, aber viel CBD enthalten, eine Substanz, der unter anderem eine entspannende Wirkung zugeschrieben wird. Diese Sorten wurden von Schweizer Produzenten übernommen und als «Legaler Cannabis» vermarktet. Diesen findet man in Fachgeschäften, aber auch im Supermarkt, im Kiosk und im Internet.
Sucht Schweiz wurde vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) beauftragt, zum CBD-Cannabis in der Schweiz eine Standortbestimmung vorzunehmen. In einer dreiteiligen Studie hat die Stiftung den Kenntnisstand zur Wirkung von CBD, die Angebotspalette auf dem Markt sowie die Eigenschaften und Motive der Konsumierenden untersucht.
Wirkung von CBD: viel Hoffnung, aber erst wenig Forschungswissen
Dem Cannabidiol werden unterschiedliche Wirkungen in Bezug auf die Gesundheit und das Wohlbefinden zugeschrieben. Die wissenschaftliche Literatur zeigt indes, dass erst wenige Forschungsarbeiten vorliegen und diese oftmals noch methodische Probleme aufweisen.
Es ist davon auszugehen, dass CBD schmerzstillend und angstlösend wirken kann. Die grössten Fortschritte erzielt die medizinische Forschung gegenwärtig, dank laufender klinischer Studien und der Markteinführung von Medikamenten wie Sativex® (enthält auch THC) und Epidiolex®, bei der Behandlung von multipler Sklerose und verschiedener Epilepsieformen. Was die anderen, dem CBD zugeschriebenen Wirkungen angeht, befindet sich die Forschung meist noch in den Kinderschuhen; es ist bislang nicht möglich, sie und ihren Nutzen für die klinische Verwendung zu bestätigen. Gegenwärtig sind für die Verwendung von CBD, mit Ausnahme des Rauchens, keine wesentlichen Risiken bekannt. Interaktionen mit anderen Medikamenten sind aber möglich.
Angebot: viele Produkte, aber Marihuana bleibt am beliebtesten
Die Supermärkte und Kioske in der Schweiz verkaufen CBD-Cannabis in Form von Blüten (Marihuana), die grundsätzlich geraucht werden. In den Fachgeschäften sind aber auch andere Produkte erhältlich. Die Analyse von 90 Online-Shops, die CBD-Cannabis in der Schweiz anbieten, hat ergeben, dass grundsätzlich auch in diesen Fachgeschäften die Blüten die am häufigsten angebotenen Produkte sind. Einige Websites bieten weitere Raucherwaren an (Harz, gerollte Joints, CBD-Zigaretten, Shisha-Tabak) sowie Liquide für E-Zigaretten. Auch Öl, das nach den Blüten am häufigsten angeboten wird, und Tinkturen mit CBD belegen im Sortiment einen wichtigen Platz. Verkauft werden ebenfalls Lebensmittel und Kosmetika.
Konsum: unterschiedliche Motive und oft neben illegalem Cannabis konsumiert
Via Facebook® und die IG Hanf® (Verein der CBD-Cannabis-Produzenten) wurden über 1500 Menschen in der Schweiz befragt, die bereits CBD-Cannabis konsumiert haben. Etwa zwei Drittel der Befragten sind aktuell Konsumierende (mind. 1 Mal in den letzten 30 Tagen), davon konsumiert etwa ein Drittel CBD täglich. Die meisten konsumieren auch Tabak,E-Zigaretten und illegales Cannabis, das sie bereits zuvor konsumierten. Etwa ein Drittel der Befragten leidet nach eigenen Angaben an einer ärztlich diagnostizierten Krankheit. Meist handelt es sich um Krankheiten wie Fibromyalgie, Arthritis, Rheuma, Muskel- und Gelenkbeschwerden aber auch um Depressionen.
Die Konsumierenden beurteilen die Wirkung von CBD, gerade auf Schlaf, Stress und allgemeines Wohlbefinden, als positiv. Ob es hingegen die Konzentrationsfähigkeit steigert und mehr Energie verleiht, ist umstritten. Die Wirkung bei Krankheiten - Schmerz- und Entzündungshemmung - sowie bei depressiven und phobischen Symptomen wird auch positiv beurteilt. Dies deckt sich mit den Resultaten einer amerikanischen Umfrage.
Die Wirkung des CBD-Konsums auf den Konsum von illegalem Cannabis, Tabak und E-Zigaretten wird ebenfalls positiv beurteilt: Eine Mehrheit der Befragten bestätigt einen starken oder mässigen Rückgang ihres diesbezüglichen Konsums.
Betrachtet man die Konsumierenden, so sind fünf unterschiedliche Profile auszumachen: 1. Tendenziell eher ältere Frauen, die CBD-Öl aus medizinischen Gründen oder fürs Wohlbefinden gebrauchen. 2. Kranke Menschen, die sowohl CBD als auch illegales Cannabis in Blütenform konsumieren; sie weisen den grössten Konsum aus und geben am meisten Geld dafür aus. 3. Jugendliche, die wegen Stress oder Schlafmangel neben illegalem Cannabis auch CBD konsumieren. 4. Eher junge Konsumierende von illegalem Cannabis, die mit CBD ihren Konsum reduzieren bzw. alternieren; hierbei handelt es sich um die bei weitem grösste Gruppe in der Umfrage. 5. Neugierige Cannabis-Konsumierende, die sich für die Wirkungen von CBD interessieren.
Markt: er schrumpft, aber er wird sich halten
Heute liegen mehrere Hinweise vor, dass der Schweizer CBD-Markt am Schrumpfen sein könnte. Demgegenüber zeigt die Studie von Sucht Schweiz, dass das Interesse an dieser Substanz in der klinischen Forschung und bei den Konsumierenden immer noch vorhanden ist. Dies bedeutet, dass der Markt, auch wenn er kleiner wird und sich wandelt, sehr wahrscheinlich nicht verschwinden wird.
Die Studie zeigt zudem, dass die Erwartungen an die Wirkung von CBD bisweilen gross sind, die Nachweise aber oft fehlen. Die gängigste Konsumform von CBD ist dazu immer noch das gesundheitlich schädliche Rauchen von Cannabis zusammen mit Tabak. Die CBD-Konsumierenden weisen unterschiedliche Profile auf: von Menschen auf der Suche nach pflanzlichen Arzneimitteln, die zuvor nie illegales Cannabis zu sich genommen haben, bis hin zu regelmässigen Konsumierenden von illegalem Cannabis, die gelegentlich CBD gebrauchen. Drei weitere Feststellungen ergeben sich aus den Antworten der Befragten: der grosse Anteil an kranken Personen; der grosse Anteil an Tabak/E-Zigaretten- und illegalen Cannabis-Rauchern; die positive Beurteilung der Wirkung von CBD, insbesondere auf den Schlaf, Stress und Schmerzen.
Sucht Schweiz ist ein nationales Kompetenzzentrum im Suchtbereich. Sie betreibt Forschung, konzipiert Präventionsprojekte und engagiert sich in der Gesundheitspolitik. Das Ziel unserer NGO ist, Probleme zu verhüten oder zu vermindern, die aus dem Konsum von Alkohol und anderen psychoaktiven Substanzen hervorgehen oder durch Glücksspiel und Internetnutzung entstehen.
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