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Online-Casinos und Lockdown: Noch mehr Werbung und Risiken

Online-Casinos und Lockdown: Noch mehr Werbung und Risiken
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Lausanne (ots)

Seit der Öffnung des Geldspielmarktes vor einem Jahr wurden die Werbeaktivitäten der Casinos für die neuen Online-Angebote intensiviert. Dies führt zu mehr Risiken, die nun durch die nötigen und zunehmenden Ausgangsbeschränkungen noch verstärkt werden. Präventionsfachleute erklären die Hintergründe.

Patrick T. (Name geändert), ein ehemaliger Online-Spielsüchtiger sagt: "Ursprünglich habe ich mit dem Online-Spiel angefangen, weil ich verlockende Werbung gesehen habe und es mich reizte, etwas Neues auszuprobieren. Es erstaunt mich, dass gerade diese Werbungen zurzeit überall präsent sind. Ich denke mir dann, dass ich anstatt die versprochenen Gewinne immer noch die Schulden am Abzahlen bin".

In der heutigen Situation, in der Bewegungsfreiheit und soziale Kontakte eingeschränkt sind, erhält die kürzlich erfolgte Marktöffnung für Online-Geldspiele eine neue Bedeutung. Suchtfachleute fürchten, dass noch mehr Menschen zum Online-Geldspiel verleitet werden. Das Anfang 2019 in Kraft getretene Geldspielgesetz erlaubt konzessionierten Schweizer Casinos Onlinespiele anzubieten. Alle ausländischen Online-Geldspiele werden hingegen mit einer Netzsperre belegt. Weiter können Lotterien heute auch "Live-Sportwetten" anbieten. Mittlerweile bieten fünf Casinos Online-Geldspiele an. Diese dürfen zudem beworben werden, was den bisherigen ausländischen Anbietern noch verboten war.

Die Politik hat es verpasst, die Rahmenbedingungen für Werbung im Sinne des Spielerschutzes enger zu fassen. "Das Lobbying der Anbieter war erfolgreich. Die Einschränkungen sind sehr moderat ausgefallen", bilanziert Christian Ingold vom Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte. Die Anbieter nutzen nun scheinbar alle Möglichkeiten: Die Angebote werden überall prominent beworben. An den Bahnhöfen, im Internet, im TV, und nun sogar in personalisierten Newslettern, die darauf hinweisen, dass in Zeiten der Casinoschliessungen, die Onlineangebote weiter zugänglich sind. Dabei propagiert die Werbung exakt jenes Spielverhalten, welches gemäss Forschung zu Kontrollverlust und Abhängigkeit führen kann. Spielende werden ermuntert, rasch, von überall und jederzeit den schnellen Gewinn zu suchen. "Gerade für gefährdete Personen ist die Omnipräsenz der neuen Angebote eine grosse Herausforderung. In der aktuellen Situation, wo Einsamkeit, Langeweile und unsichere Zukunftsperspektiven verbreitet sind, umso mehr ", sagt Livia Staub von SoS-Spielsucht.

Online-Spiele bieten neue Gefahren

Studien zeigen: Online-Casinospiele und Live-Sportwetten haben das höchste Gefährdungs- und Abhängigkeitspotential. Auch die heute zugelassenen Schweizer Online-Casinos und Sportwetten von Swisslos stellen für die Spielenden und die Prävention eine grosse Herausforderung dar. Online-Geldspiele sind jederzeit und überall verfügbar, die soziale Kontrolle und der Bezug zum realen Geld fehlen meist und die Risikobereitschaft im Internet ist höher. Patrick T. ergänzt aus eigener Erfahrung: "Online spielte ich anonym, niemand hat mich gesehen. Der Zugang war einfach. Wenn die Kreditkarte aufgebraucht war, konnte ich mit Paysafe-Karten weiterspielen. Bonus und Freispiele lockten zum stetigen Weiterspielen. "

Forschungsresultate aus dem Ausland zeigen, dass online deutlich mehr Geld und Zeit aufgewendet wird als bei terrestrischen Casinos. Die Eidgenössische Spielbankenkommission (das Aufsichtsorgan der Schweizer Casinos) weist in einer kürzlich erschienenen Studie darauf hin, dass bei Spielenden von Onlineanbietern der Anteil an risikoreich und pathologisch Spielenden besonders hoch ist.

Wer spielt, verliert immer

Unter dem Strich verlieren Spielende immer. Es ist bekannt, dass ein Grossteil des Umsatzes durch einige wenige generiert wird, die ein problematisches Spielverhalten zeigen oder gar abhängig sind. "Eine Geldspielsucht kann zu ernstzunehmenden psychischen, sozialen und körperlichen Folgebeschwerden, bis hin zu Suizid und grosser Verschuldung führen", so Livia Staub vom interkantonalen Projekt "Spielen ohne Sucht". In der Schweiz spielten gemäss aktuellster Studie im 2017 ca. drei Prozent der Bevölkerung risikoreich oder pathologisch. Dies entspricht 192'200 in der Schweiz lebenden Personen oder der Bevölkerung von Genf, der zweitgrössten Stadt der Schweiz.

Patrick T. schildert seine Erfahrungen: "Ich war so tief drin, dass ich mir überlegt habe mit einem Auto in einen Baum zu fahren. Ich war am Limit und sah keinen anderen Ausweg mehr. Dann habe ich mich überwunden, mit einer guten Freundin zu sprechen. Das hat mir geholfen und ich konnte im Anschluss in eine Beratung gehen. Diesen Schritt habe ich selbst gemacht und ich bin auch ein bisschen stolz darauf."

Wo finden Betroffene Hilfsangebote

Unter www.sos-spielsucht.ch/ finden Spielsuchtbetroffene und -Angehörige vielfältige Informationen und anonyme und kostenlose Hilfsangebote.

Unter 0800 040 080 erhalten Betroffene und Angehörige anonyme und kostenlose Telefonberatung.

Unter www.safergambling.ch finden Spielende weitere Informationen zum verantwortungsvollen Spiel. Zudem gibt es eine kostenlose App mit Spieltagebuch zum Download.

Unter www.winbackcontrol.ch steht eine 8-wöchige Online-Selbsthilfeintervention unentgeltlich zur Verfügung.

Kontakt:

Spielen ohne Sucht, Programmleitung Ostschweiz
Livia Staub, ml.staub@perspektive-tg.ch, 071 626 02 41
Auskunft zu den Themen: Spielsuchtprävention, Sozialschutz,
Suchtentwicklung

Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte, RADIX Zürich
mChristianIngold@radix.ch, 044 360 41 07
Auskunft zu Themen: Sozialschutz/Spielsperren, Netzsperre, Angehörige
von Spielenden, Betroffene, Beratung und Therapie.

Sucht Schweiz
Monique Portner-Helfer, mportner-helfer@suchtschweiz.ch,021 321 29 74
Auskunft zu Themen: Spielsuchtprävention, Problemlast

Fachverband Sucht
Jonas Wenger, mwenger@fachverbandsucht.ch, 044 266 60 69
Auskunft zu den Themen: Politische Belange
(Umsetzung Geldspielgesetz/ Geldspielverordnung)

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