Schweizerisches Rotes Kreuz / Croix-Rouge Suisse
SRK-Fachtagung zum Pflegenotstand: Mangel mit internationaler Rekrutierung beheben?
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In der Schweiz werden jährlich rund 5000 Pflegefachkräfte zu wenig ausgebildet. Das lasse sich nicht einfach mit internationaler Rekrutierung beheben, so der Tenor an der heutigen SRK-Fachtagung "Vielfalt des Pflegepersonals als Chance?" in Bern. Die Schweiz müsse als reiches Land mehr Verantwortung übernehmen.
Die heute in Bern abgehaltene 9. Nationale Fachtagung des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) griff die aktuelle Diskussion über den prognostizierten Pflegenotstand und die Migration von Gesundheitspersonal auf. Gegen 100 Teilnehmende diskutierten anhand verschiedener Fachreferate, ob die Vielfalt des Pflegepersonals angesichts der erschreckenden Prognosen auch als Chance begriffen werden könnte.
Christine Kopp, Leiterin Departement Gesundheit und Integration SRK, hielt in ihrem Eingangsreferat fest, dass in der Schweiz "heute jährlich rund 5000 Pflegefachkräfte zu wenig ausgebildet" würden. Dies sei dramatisch. Kopp: "Es wirft Fragen zur Gesundheitsversorgung in der Schweiz auf, die sich für einmal nicht primär um die Kosten, sondern um die Qualität der Versorgung drehen." Den Mangel einfach mit internationaler Rekrutierung zu beheben, sei allzu einfach. Die Schweiz als reiches Land müsse ihre Verantwortung wahrnehmen und die teure Ausbildung an Fachpersonal selber übernehmen. Kopp: "Dies ist eine bildungs- und finanzpolitische Aufgabe, zu der sich die Schweiz auch mit der Unterzeichnung des WHO-Verhaltenskodex für die internationale Rekrutierung von Gesundheitsfachkräften bekannt hat."
Mit positiven Massnahmen verbinden Die internationale Rekrutierung war bisher eine zentrale Massnahme zur Behebung des Pflegenotstands: Heute haben mehr als ein Drittel des gesamten Gesundheitspersonals eine ausländische Staatsangehörigkeit. WHO-Vertreter Jean-Marc Braichet fand, der Kodex könne durchaus die Migration von Gesundheitspersonal mit ethischen Verhaltensweisen und positiven Massnahmen verbinden. Braichet: "In den bilateralen Abkommen, die mit einigen Ländern abgeschlossen werden, können Massnahmen vorgesehen werden, die sich für beide Länder positiv auswirken. Dies gilt insbesondere für Länder, die in bestimmten Kategorien mehr Gesundheitspersonal ausbilden als sie benötigen - wie die Philippinen, Ägypten oder Indien." In diesen Abkommen könne vorgesehen werden, Studierende in der Schweiz auszubilden, insbesondere im Bereich der paramedizinischen Berufe oder der Pflegehelferinnen.
Haushaltshilfen aus dem Osten Sarah Schilliger, Politologin und Soziologin an der Universität Basel, legte ihren Fokus auf die sogenannten "live-ins" in Haushalten von Schweizer Pflegebedürftigen. Die kürzlich in einer Fernsehsendung herumgereichte Zahl von 30'000 hauptsächlich schwarzarbeitenden Osteuropäerinnen in Schweizer Haushalten sei zu hoch gegriffen. Aber von einer starken Zunahme könne gesprochen werden. Die Frauen, so Schilliger, "arbeiten mit Firmen in Osteuropa zusammen, die ihr Personal seit dem 1. Mai 2011 ohne Bewilligung für 90 Tage in die Schweiz entsenden können. Die Sozial- und Rentenversicherungsbeiträge werden im Herkunftsland entrichtet. Die Grenzen zwischen regulären und irregulären Praktiken der Agenturen sind fliessend." Doch trotz Tieflohns würden die Frauen oft ein Mehrfaches dessen verdienen, was sie in ihrem Herkunftsland erwirtschaften. "Die Pendelmigration ermöglicht es ihnen, das Leben im eigenen Land fortzuführen, auch wenn sie dort nur schwer ein Auskommen finden. So wird also nicht migriert, um das Land zu verlassen, sondern viel eher, um bleiben zu können", sagte Schilliger.
Christine Kopp vom SRK bilanzierte, dass Migration letztlich "eine legitime individuelle Strategie, auch für das Gesundheitspersonal", sei. Ausländische Fachkräfte würden auch langfristig unser Gesundheitswesen mittragen und dürften im Gegenzug faire Anerkennung und Entlöhnung ihrer Kompetenzen erwarten. Einen wichtigen Beitrag dazu leiste das SRK mit der Anerkennung ausländischer Ausbildungsabschlüsse. Diese Dienstleistung werde jährlich von rund 2000 ausländischen Fachkräften, die in der Schweiz arbeiten wollen, beansprucht. Sie gewährleiste, so Kopp, dass die ausländischen Fachleute ihren Ausbildungen entsprechend angestellt und entlöhnt werden können.
Einen wichtigen Beitrag im Bereich Ausbildung leisten die SRK-Kantonalverbände. Regina Sutter, Leiterin Bildung Rotes Kreuz Baselland, hielt fest, dass das erfolgreiche, niederschwellige Angebot des Lehrgangs "Pflegehelfer/in SRK" die Möglichkeit biete, in ein Berufsfeld einzusteigen und dieses als Sprungbrett für eine weiterführende Ausbildung zu nutzen. Der Lehrgang biete überdies Gelegenheit zum Kontakt mit einheimischen Personen und zur praktischen Anwendung der deutschen Sprache.
Die Tagung im Web: http://www.redcross.ch/vielfalt
Kontakt:
Für Rückfragen: Hildegard Hungerbühler, Leiterin Grundlagen und
Entwicklung SRK, Tel. 079/ 546 18 30