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SNF: Bild des Monats Januar 2006: Neue Mechanismen der Sauerstoffaufnahme entdeckt

SNF: Bild des Monats Januar 2006:  Neue Mechanismen der Sauerstoffaufnahme entdeckt
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Bern (ots)

Lawinen von sauerstoffreichem Wasserbelüften den
Genfersee
Die Wasserqualität des Genfersees bereitet seinen Anwohnern 
immer wieder Sorge. Damit er gesund bleibt, muss er bis in die tiefsten 
Schichten Sauerstoff aufnehmen können. Normalerweise geschieht dies 
im Winter. Mit der Klimaerwärmung könnte dieser natürliche Vorgang 
jedoch abnehmen, wie Forschende der ETH Lausanne mit Unterstützung 
des Schweizerischen Nationalfonds festgestellt haben. Sie haben die 
Bewegungen der Wassermassen über mehrere Jahre beobachtet und 
festgestellt, dass für die Wasserzirkulation des Sees verschiedene 
Mechanismen verantwortlich sind.
Im Winter 2004-2005 konnte der Genfersee seine untersten 
Schichten in einer Tiefe von fast 300 Metern so stark mit 
Sauerstoff versorgen, wie es Professor Ulrich Lemmin und sein 
Forschungsteam vom Labor für Umwelthydraulik der ETH Lausanne seit 
Langem nicht mehr beobachtet hatten. Das ist eine gute Nachricht, 
denn die Sauerstoffzufuhr ist für den Erhalt einer guten 
Wasserqualität unerlässlich. Das erfreuliche Zwischenspiel kann 
jedoch einen beunruhigenden Trend nicht kaschieren: Die 
Klimaerwärmung hat wegen den erheblich höheren 
Durchschnittstemperaturen im Winter die Sauerstoffaufnahme des Sees 
in den letzten Jahren gebremst.
Mit technischen Hilfsmitteln konnten die Wissenschaftler die 
Wasserbewegungen im Genfersee verfolgen, die für diesen Vorgang 
verantwortlich sind. Sie verfügten über ein ganzes Arsenal von 
Sensoren, die verschiedene Messgrössen messen wie die Temperatur, 
die Wasserbewegungen usw.. Um den Transport der Wassermassen zu 
verfolgen, mussten sie die Messgeräte an mehrere Stellen in 
unterschiedlichen Tiefen platzieren.
Nachdem die gesammelten Daten vereint und im Computer 
ausgewertet waren, zeigten sich die Seebewegungen am Bildschirm in 
ihrer ganzen Komplexität. Um sie zu verstehen, mussten sämtliche 
Register der Hydrodynamik gezogen werden. Am deutlichsten war 
zweifellos eine Bewegung auszumachen, die «Konvektionsschleife» 
getauft wurde.
300 Meter dicke Cremeschnitte
Man kann sich den See als eine Art Cremeschnitte vorstellen, die 
aus Wasserschichten mit unterschiedlicher Temperatur und 
entsprechender Dichte besteht. An der Oberfläche sind die 
Temperaturschwankungen im Jahresverlauf am grössten: Die 
Temperaturen reichen von über 20°C im Sommer bis hin zum 
Gefrierpunkt in einem strengen Winter. Nun macht sich gerade im 
Winter die Konvektionsschleife bemerkbar, wenn nämlich die 
Temperatur des Oberflächenwassers unter den Temperaturwert der 
tiefen Wasserschichten sinkt, der immer um 5,5°C beträgt. «In der 
Physik der Flüssigkeiten ist eine tiefere Temperatur im Allgemeinen 
mit einer grösseren Dichte gleichzusetzen», erklärt Ulrich Lemmin. 
«Folglich tauchen die obersten Schichten in die Tiefe ab, sobald 
sie genügend kalt sind.» Der Sauerstoff, den diese Schichten 
reichlich enthalten, erweist sich nun als Segen für die 
Wasserqualität des Sees. Wenn nämlich totes pflanzliches und 
tierisches Material auf den Seegrund sinkt, werden für den Abbau 
dieses organischen Materials durch aerobe Bakterien erhebliche 
Mengen von Sauerstoff benötigt. Wenn nicht genügend Sauerstoff zur 
Verfügung steht, können die Bakterien ihren Reinigungsdienst nicht 
mehr versehen. Dann sammeln sich organische Stoffe und auch 
Schadstoffe wie Phosphor in den Sedimenten an, was den See aus dem 
Gleichgewicht bringen kann.
Die saisonalen Umwälzungen im Genfersee sind also für eine gute 
Wasserqualität unerlässlich, umso mehr, als die menschlichen 
Aktivitäten den See zunehmend belasten. Deshalb machen sich die 
Experten Sorgen über die Folgen einer allfälligen dauerhaften 
Klimaerwärmung. Bereits eine geringe Erhöhung der 
Durchschnittstemperaturen im Winter kann die Umwälzung so stark 
reduzieren, dass sie für die Regeneration des Wassers nicht mehr 
ausreicht.
Bedeutung seichter Uferzonen 
Um den Prozess der Sauerstoffaufnahme ganz zu verstehen, müssen 
aber noch weitere Mechanismen in Betracht gezogen werden. Sind die 
Konvektionsschleifen vielleicht nicht allein für die Durchmischung 
der Schichten verantwortlich? Und falls weitere Mechanismen 
beteiligt sind: Reagieren diese ebenfalls sensibel auf 
Temperaturschwankungen der Atmosphäre?
Ulrich Lemmin und sein Team liessen sich von Beobachtungen im 
Labor inspirieren und stellten weitere Nachforschungen an. Dabei 
entdeckten sie tatsächlich weitere Prozesse, die eine Durchmischung 
des Sees bewirken. Sie interessierten sich insbesondere für die 
Uferzonen des Genfersees, wo die Tiefe über einen mehrere Dutzend 
Meter breiten Gürtel kaum mehr als fünf Meter erreicht. Diese Zone 
ist zum Beispiel stark ausgeprägt zwischen Genf und Lausanne, auch 
«Kleiner See» genannt. Aufgrund der geringen Tiefe kühlt das Wasser 
dort schnell ab, erhält dadurch eine grössere Dichte, strömt 
seewärts und stürzt wie eine Lawine über die Abhänge des Seegrunds 
und sammelt sich in der Tiefe des Kleinen Sees.
Schliesslich konnten die Forschenden erst kürzlich konnte einen 
weiteren Mechanismus nachweisen, der zur Sauerstoffversorgung der 
tieferen Seeschichten beiträgt. «Bestimmte Messungen machten uns 
hellhörig. Die Daten reichten aber noch nicht aus. Durch Versuche 
im Labor konnten wir den Vorgang aber rechnerisch modellieren. Wir 
sind inzwischen überzeugt, dass ein dritter Mechanismus zur 
Durchmischung des Sees beiträgt, der eng mit dem zweiten 
zusammenhängt, mit jener Kaskade also, die den Untiefen der 
Uferzone entspringt.»
Tatsächlich haben die ursprünglich aus der Uferzone stammenden 
kalten Wassermassen erst einen Teil ihrer Reise hinter sich, wenn 
sie im Winter am Grund des Kleinen Sees angelangt sind. Ihr Ziel 
ist ein noch tieferer Punkt, weiter im Osten des Sees: ein Becken, 
das bis zu 300 Meter tief ist. Die sauerstoffreichen Wassermassen 
verlassen den Kleinen See langsam und gleiten noch tiefer in den 
Abgrund.
Damit ist nun bekannt, dass der Genfersee auf verschiedene Arten 
«atmet». Diese Entdeckung hilft nicht nur, den grössten See der 
Schweiz und Westeuropas besser zu schützen, sondern auch andere 
Süsswasserflächen, die durch menschliche Aktivitäten und die 
Klimaerwärmung hart auf die Probe gestellt werden.
Weitere Informationen:
Prof. Ulrich Lemmin
Laboratoire d’hydraulique environnementale
ETHL
CH-1015 Lausanne
Tel.: +41 (0)21 693 23 79
E-Mail:  ulrich.lemmin@epfl.ch
Text und Bild dieser Medieninformation können auf der Nationalfonds-
Homepage abgerufen werden http://www.snf.ch/medienmitteilung

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