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NFP 53: Muskuloskelettale Gesundheit - Chronische Schmerzen Chondroitin bei Arthrose zur Schmerzlinderung wahrscheinlich wirkungslos

Bern (ots)

Die häufig verwendeten Medikamente mit dem Wirkstoff
Chondroitin haben wahrscheinlich bei Arthrose keine 
schmerzlindernde Wirkung. Dies haben Forschende der Universität 
Bern im Nationalen Forschungsprogramm «Muskuloskelettale 
Gesundheit - Chronische Schmerzen» (NFP 53) herausgefunden. Sie 
haben alle klinischen Studien zu Chondroitin analysiert. Auffallend 
war, dass sorgfältig durchgeführte Studien, die keine methodischen 
Defizite aufwiesen, unter Chondroitin keine grössere 
Schmerzreduktion finden konnten als unter einem Scheinmedikament.
Medikamente mit dem Wirkstoff Chondroitin sind bei Arthrose zur 
Schmerzlinderung wahrscheinlich wirkungslos. Dies haben Forschende 
vom Institut für Sozial und Präventivmedizin der Universität Bern 
in einer umfassenden Überprüfung der vorhandenen klinischen Studien 
herausgefunden. Die Ergebnisse werden am 17. April in der 
medizinischen Fachzeitschrift «Annals of Internal Medicine»* 
veröffentlicht.
Arthrose ist eine der häufigsten Erkrankungen des 
Bewegungsapparates. In der Schweiz leiden nach Schätzungen rund 
900'000 Menschen an dieser schmerzhaften Abnutzung der 
Knorpelschicht in Knie- und Hüftgelenken. Frauen sind etwas 
häufiger betroffen als Männer. Häufig verwendet werden 
Schmerzmittel oder nicht-steroidale Entzündungshemmer, welche 
jedoch mit Nebenwirkungen behaftet sind. Auf dem Markt sind aber 
auch Präparate wie Chondroitin, das als Chondroitinsulfat 
üblicherweise täglich in Form von Kapseln eingenommen wird 
(Chondroitinsulfat ist ein Bestandteil des Knorpelgewebes). Die 
Therapiedauer beträgt meistens mehrere Monate. Der Jahresumsatz für 
Chondroitin in Nordamerika und Europa wird auf mehr als zwei 
Milliarden Franken geschätzt. Die in der Schweiz erhältlichen 
Chondroitin-Präparate figurieren auf der Liste der kassenzulässigen 
Medikamente.
Ein Team der Universität Bern um die klinischen Epidemiologen 
Stephan Reichenbach und Peter Jüni vom Institut für Sozial- und 
Präventivmedizin und den Kliniken für Allgemeine Innere Medizin und 
Rheumatologie hat im Nationalen 
Forschungsprogramm «Muskuloskelettale Gesundheit - Chronische 
Schmerzen» (NFP 53) alle weltweit vorhandenen Studien zu 
Chondroitin einer Meta-Analyse unterzogen. In einer solchen Meta-
Analyse werden Einzel-Studien zusammengefasst und auf ihre Qualität 
geprüft, um Einflüsse, welche die Resultate der Studien verzerren 
können, zu entlarven. «Die Qualität der einzelnen Chondroitin-
Studien war sehr unterschiedlich», sagt Forschungsleiter Peter 
Jüni. «Doch je sorgfältiger eine Studie durchgeführt worden war, 
desto weniger konnte eine positive Wirkung des Medikaments gefunden 
werden.»
Neue Studien grösser und besser
Nach einer ausgedehnten Literaturrecherche konnten 20 randomisierte 
klinische Studien mit insgesamt 3846 Patienten, in denen die 
Wirkung von Chondroitin im Vergleich zu einer Nichtbehandlung oder 
zu einem Scheinmedikament untersucht worden war, in die Meta-
Analyse eingeschlossen werden.
Bei diesen Studien verglichen die Forscher die Resultate bezüglich 
des schmerzlindernden Effekts sowie – falls vorhanden – bezüglich 
des radiologisch ausgemessenen Gelenkspalts vor und nach der 
Therapie. Vor allem kleinere Studien aus den frühen 1990er-Jahren 
zeigten eine mässige bis starke schmerzlindernde Wirkung von 
Chondroitin. In den 3 grössten Studien jedoch, in denen über 40 
Prozent aller in die Meta-Analyse einbezogenen Patienten untersucht 
wurden, konnte keine schmerzlindernde Wirkung von Chondroitin 
gefunden werden. «Diese Studien waren qualitativ eindeutig die 
besten», sagt Peter Jüni. Sie waren sauber randomisiert, umfassten 
eine genügend hohe Anzahl Patienten und alle Patienten wurden am 
Schluss in die Analyse eingeschlossen. «Die guten und grossen 
Studien sind alle aus den Jahren 2005 und 2006», stellt Jüni 
fest. «Basierend auf unseren Kriterien sind die klinischen Studien 
zu Chondroitin mit der Zeit immer besser geworden. Je länger und je 
gründlicher man nach einer Wirkung von Chondroitin suchte, umso 
weniger fand man sie.» Auch die Auswertung der Gelenkspalt-
Messungen ergab keine eindeutigen Hinweise für einen klinisch 
relevanten Effekt von Chondroitin. «Die Gelenkspalt-Messungen waren 
allerdings nicht Hauptgegenstand unserer Untersuchung», sagt 
Jüni. «Für unsere Patientinnen und Patienten und uns steht die 
schmerzlindernde Wirkung eines Medikamentes im Vordergrund.»
Was wirkt bei leichter Arthrose?
Stephan Reichenbach fasst die Ergebnisse der Meta-Analyse wie folgt 
zusammen: «Bei fortgeschrittener Arthrose nützen Chondroitin-
Präparate wahrscheinlich nicht besser als ein Scheinmedikament.» Da 
in den neuesten Studien, in denen sich Chondroitin als nutzlos 
erwies, vermehrt Patienten mit fortgeschrittener Arthrose 
untersucht wurden, können die Forschenden nicht vollständig 
ausschliessen, dass Chondroitin bei leichter Arthrose eine gewisse 
Wirkung zeigt. «Bisher finden wir jedoch keine robuste Evidenz, 
welche eine schmerzlindernde Wirkung von Chondroitin bei 
leichtgradiger Arthrose belegen würde,» sagt Reichenbach. «Die 
positive Meldung ist aber, dass die Präparate wahrscheinlich sicher 
sind.» In den analysierten Studien hatten Medikament und 
Scheinmedikament ähnliche Nebenwirkungsraten.
Künftige Behandlungen mit Chondroitin sollten laut Jüni nur im 
Rahmen von randomisierten klinischen Studien bei leichtgradiger 
Arthrose verschrieben werden, damit möglichst bald möglichst 
verlässliche Daten vorliegen. «Zudem sind die Herstellerfirmen nun 
aufgefordert, unabhängigen Forschern Einsicht in die individuellen 
Patientendaten der bisherigen Studien zu gewähren», meint Jüni. Nur 
so könne man herausfinden, ob Chondroitin bei leichter Arthrose 
vielleicht doch wirke.
Bewegungsapparat besser erforschen
Die Untersuchung wurde im Rahmen einer Netzwerkanalyse im 
Modul «Therapien für chronische Schmerzen» des NFP 53 durchgeführt. 
Dabei überprüfen das Team um Peter Jüni und Stephan Reichenbach 
systematisch eine Grosszahl von Therapien bei Arthrose auf 
Wirksamkeit und Sicherheit. Mit dieser Publikation liegen nun 
weitere Resultate vor.
Das NFP 53 wurde im Jahr 2003 vom Bundesrat in Auftrag gegeben, 
weil Erkrankungen des Bewegungsapparats ein grosses Problem für das 
Gesundheitswesen und für die Volkswirtschaft darstellen. Rund 30 
Prozent aller Arztkonsultationen sind darauf zurück zu führen. Im 
NFP 53 versuchen Forschende aus der ganzen Schweiz, den Ursachen 
dieser Krankheiten auf die Spur zu kommen und praxisrelevante 
Resultate für die Behandlung und die Vorsorge zu liefern. Das 
Programm umfasst sechs Module mit zur Zeit 24 Projekten. Für die 
Durchführung stehen insgesamt 12 Millionen Franken für die Dauer 
von fünf Jahren (2004 bis 2009) zur Verfügung.
* Annals of Internal Medicine, Band 146, S. 580-590

Kontakt:

PD Dr. med. Peter Jüni
Universität Bern
Institut für Sozial- und Präventivmedizin
Abteilung für Klinische Epidemiologie und Biostatistik
Finkelhubelweg 11
CH-3012 Bern
Tel: +41 (0)31 631 33 78
E-Mail: juni@ispm.unibe.ch

Mehr Informationen zum NFP 53 unter: www.nfp53.ch

Der Text dieser Medienmitteilung steht in Deutsch, Französisch und
Englisch auf der Website des Schweizerischen Nationalfonds zur
Verfügung:
http://www.snf.ch > D > Medien > Medienmitteilungen

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