Städteinitiative Sozialpolitik
Corona zeigt Lücken im Sozialsystem auf
Lausanne / Bern (ots)
Die Coronapandemie zeigt Lücken im Sozialsystem auf; besonders sichtbar wurden diese in den Städten. Dieses Fazit zog Nicolas Galladé, Präsident der Städteinitiative Sozialpolitik, an der heutigen Frühlingskonferenz in Lausanne.
Die Pandemie ist noch nicht bewältigt. Heute setzten sich rund 80 Städtevertreterinnen und -vertreter mit den sozialen Auswirkungen von Corona auseinander. Die Konferenz der Städteinitiative Sozialpolitik fand in Lausanne statt und wurde live übertragen.
Die Ärmsten leiden am stärksten
In Städten wie Zürich oder Genf standen Menschen Schlange für eine Mahlzeit. Die Ärmsten wurden von der Coronapandemie am härtesten getroffen. Monika Bütler, Ökonomin und Mitglied der National Covid-19 Science Task Force zeigte auf, dass das verfügbare Einkommen während der Coronakrise bei Geringverdienenden deutlich sank.
Wie Bütler wies auch Markus Kaufmann, Geschäftsführer der SKOS, auf die Risikogruppe der Selbständigen hin. Ihre finanzielle Absicherung ist für solche Krisenfälle ungenügend. Für Städte bedeutsam: Betroffen sind vor allem Niedriglohnbranchen, die in städtischen Gebieten stärker vertreten sind, wie zum Beispiel das Taxigewerbe, die Event- und Kulturbranche oder das Gastgewerbe. Judith Bovay, Leiterin der Sozialen Dienste Lausanne, belegte einen massiven Anstieg an Sozialhilfeanträgen von Selbständigen im April und Mai 2020.
Ausländergesetz verhindert Armutsbekämpfung
Raphael Golta, Sozialvorsteher von Zürich, thematisierte die problematische Situation von bedürftigen Ausländerinnen und Ausländern: Da sie bei Sozialhilfebezug ihr Aufenthalts- oder Niederlassungsrecht in der Schweiz verlieren können, verzichten sie häufiger auf Sozialhilfe. Golta hielt fest: "Das Bundesrecht verhindert Armutsbekämpfung in den Städten." Er forderte - im Einklang mit dem Vorstand der Städteinitiative Sozialpolitik -, dass Ausländerinnen und Ausländer nach einer angemessenen Aufenthaltsdauer Sozialhilfe ohne ausländerrechtliche Sanktionen beziehen können und dass für Sans-Papiers ein definierter Weg zur Regularisierung geschaffen wird. Beide Themen werden aktuell im Parlament diskutiert, so anhand der parlamentarischen Initiative "Armut ist kein Verbrechen" und des Postulats "Gesamthafte Prüfung der Problematik der Sans-Papiers". Zudem wurde vom EJPD bereits eine weitere Verschärfung des Ausländerrechts im Bereich der Sozialhilfe angekündigt, welche der Vorstand der Städteinitiative Sozialpolitik ablehnt.
Sozialsystem funktioniert, aber...
Das System der sozialen Sicherung funktioniert grundsätzlich auch in Pandemiezeiten. Trotzdem wurde in den Städten eine bisher nicht gekannte Armut sichtbar. Lücken bestehen unter anderem bei Ausländerinnen und Ausländern, bei Selbständigerwerbenden und bei prekär Beschäftigten im Niedriglohnbereich.
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Die Städteinitiative Sozialpolitik
Die Städteinitiative Sozialpolitik vertritt die sozialpolitischen Interessen von rund 60 Schweizer Städten aus allen Regionen. Sie setzt sich für ein kohärentes System der sozialen Sicherung und eine gute Zusammenarbeit von Städten, Bund und Kantonen ein. Die Städteinitiative Sozialpolitik ist eine Sektion des Schweizerischen Städteverbandes.
Pressekontakt:
Nicolas Galladé, Präsident Städteinitiative Sozialpolitik und Stadtrat von Winterthur,
Telefon 079 225 33 70, heute Freitag von 16 bis 17 Uhr