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EMPA: 18. Wissenschaftsapéro der Empa-Akademie zum Thema "Nanotechnologie zwischen Chance und Risiko" -- Zwerge mit ungeklärten Risiken

Dübendorf (ots)

Materialien mit neuer Funktionalität,
massgeschneiderte Medikamente, noch schnellere Computer, dies alles 
und noch mehr soll die Nanotechnologie möglich machen. Die Empa 
stellte am 29. Juni die Plattform zur Dialogrunde "Nanotechnologie 
zwischen Chance und Risiko" zur Verfügung. Der Nutzen dieser neuen 
Technik blieb dabei unbestritten. Über die Risiken, die von den 
Nanopartikeln ausgehen können, weiss man jedoch wenig. Und so 
diskutierten eine Expertenrunde und die anwesenden Gäste über das 
Verhalten von Industrie und Wissenschaft in der Ungewissheit.
Es sei eine natürliche Entwicklung, die Dinge immer weiter zu 
verkleinern, sagte Empa-Direktor Professor Dr. Louis Schlapbach im 
Rahmen seiner Einführung zur Veranstaltung "Nanotechnologie zwischen 
Chance und Risiko". So werden Computer-Chips kontinuierlich kleiner, 
während ihre Leistungsfähigkeit gleichzeitig grösser wird. Die 
Miniaturisierung ändert aber nichts an der Grundfunktion der 
winzigen Datenspeicher.
Mit Betreten der Nanowelt wird all das anders: Verkleinert man ein 
Material in nanometergrosse Partikel (ein Nanometer ist ein 
Millionstel Millimeter), können sich seine Eigenschaften komplett 
verändern. Beispielsweise wird ein nicht löslicher Stoff auf einmal 
löslich, ein elektrisch isolierender Stoff plötzlich zum Leiter. 
Zudem eröffnet der Vorstoss in den Nanokosmos den Zugang zu den 
Bausteinen der Chemie und Biologie und damit zu den Bauplänen der 
Natur. Die NanotechnikerInnen können die Baupläne imitieren und so 
neuartige Werkstoffe erzeugen. Mit diesen Materialien ist der Weg 
frei für die Entwicklung von neuen Produkten und Anwendungen: Etwa 
kratzfeste Lacke, selbstreinigende Fensterscheiben und 
massgeschneiderte Medikamente. Einige Nano-Produkte sind bereits auf 
dem Markt.
Nanotechnologie betrifft alle
"Es wird langfristig keinen Wirtschaftszweig geben, der nicht mit 
der Nanotechnologie in Berührung kommt", prophezeit Dr. Annabelle 
Hett, die bei der Schweizerischen Rückversicherungs-Gesellschaft 
SwissRe ein Netzwerk zur Früherkennung von Risikofaktoren leitet. 
Die Chancen der neuen Technologie seien enorm. Aber: "Wir müssen den 
Nutzen wie die Risiken betrachten", betonte sie. Eine Aufgabe, die 
von Wissenschaft, Industrie, Staat und Gesellschaft erfüllt werden 
müsse.
Über den Nutzen der Nanotechnologie wurde nicht diskutiert, es 
herrschte zustimmende Einigkeit. Wie die potentiellen Risiken 
einzuschätzen sind und wie mit ihnen umgegangen werden soll, darüber 
gab es kontroverse Ansichten. Einig war sich die Expertenrunde, dass 
Horrorszenarien wie sie Michael Crichton in seinem Buch "Beute" 
zeichnet, in dem von Nanotechnologen erschaffene Mikroroboter Jagd 
auf Tiere und Menschen machen, utopisch sind. "Es gibt aber 
plausible Szenarien, dass gewisse Risiken zu erwarten sind", sagte 
der Philosoph und Ethiker Dr. Klaus Peter Rippe, der in seiner 
Funktion als Präsident der Eidgenössischen Ethikkommission für 
Biotechnologie häufig mit dieser Thematik konfrontiert wird.
Nanopartikel sind winzig und höchst mobil. Sind die Partikel nicht 
im Belag von Teflonpfannen oder Lacken gebunden oder nicht in 
Computerbildschirmen eingeschlossen, könnten sie von Mensch und Tier 
eingeatmet werden und in die Blutbahn gelangen. Ob die Partikel auch 
über die Haut aufgenommen werden, wird derzeit untersucht. Was diese 
Teilchen womöglich in Gang setzen und ob sie der Gesundheit schaden, 
wisse man nicht, so Schlapbach. Zwar zeigt das Beispiel der Firma 
Degussa, bei denen seit rund 30 Jahren trockenes Nanopulver in 
grossen Mengen hergestellt wird, dass die Exposition den 
ArbeiterInnen anscheinend gesundheitlich nicht schadet. Allerdings 
ist eine vermeintliche Unbedenklichkeit nicht auf andere 
Nanopartikel übertragbar. Und so wird allein eine Vielzahl von 
tierexperimentellen Expositionsstudien, toxischen Studien und 
Langzeiterfahrung zukünftig Hinweise liefern können, ob die 
Nanotechnologie gefährlich ist. Das braucht Zeit und ein gewisses 
Restrisiko wird immer bleiben.
Risiken eliminieren
Wie soll man mit der jetzigen Ungewissheit umgehen? Für Ethiker 
Rippe gilt der Vorrang der schlechten Prognose und damit das Prinzip 
der Vorsorge. Das bedeutet: NanotechnikerInnen in Wissenschaft und 
Industrie sollen über mögliche Gefahren nachdenken und Massnahmen in 
die Wege leiten, mit denen die potentiellen Risiken zu eliminieren 
sind. Der Entwicklung der Nanotechnologie stehe dieses Prinzip nicht 
im Weg, so Rippe. Wie steht es derzeit um den Schutz von 
MitarbeiterInnen in Unternehmen, die Nanopartikel produzieren? "Wir 
richten uns nach den Vorschriften des Instituts für neue Materialien 
(INM) in Saarbrücken, die z.B. das Arbeiten in der flüssigen Phase 
vorsehen", sagte Hans Näf von der Firma Bühler AG. Das Unternehmen 
stellt seit kurzem kratzfeste Lacke her durch den Zusatz von 
Nanopartikeln. Die Frage Näfs, wo denn die Leute zu finden seien, 
die ihm bei der Risikominimierung behilflich sein können, blieb 
unbeantwortet.
Allerdings nannten Hett wie Schlapbach Beispiele für Bemühungen, die 
von der Nanotechnologie möglicherweise ausgehendenGefahren 
abzuklären. So hat laut Schlapbach das Bundesamt für Berufsbildung 
und Technologie die Empa um Mithilfe auf dem Gebiet der Biologie bei 
Risikoanalysen angefragt. Auch auf EU-Ebene seien einige Projekte 
gestartet worden. Ethiker Rippe warnte jedoch davor, auf die 
staatliche Gesetzgebung zu warten: "Bis das Gentechnikgesetz 
rechtsgültig war, sind zwölf Jahre vergangen." Er forderte 
stattdessen vernetzte Initiativen von Wissenschaft und Industrie - 
am besten auf internationaler Ebene. Nach Angaben von Hett haben 
sich solche Kooperationen bereits formiert: "Grosse Unternehmen 
bilden zur Zeit Konsortien, in denen sie versuchen, die Risiken für 
sich zu analysieren und Risikomanagementsysteme zu entwickeln, die 
anwendbar sind." Es sei einmalig in der Geschichte, dass bei einer 
neuen Technologie so frühzeitig interveniert werde.
Nach Ansicht des Publikums kam in der Dialogrunde die 
Auseinandersetzung mit Emotionen, wie sie in der Bevölkerung 
hinsichtlich Nanotechnologie verbreitet sind, zu kurz. Dabei sei es 
egal, ob diese Gefühle durch Medienberichte oder Science Fiction von 
Michael Crichton geschürt werden, sagte Rippe. Sie seien einfach da. 
Auf Emotionen müsse man auf der Gefühlsebene reagieren, meinte ein 
Besucher. "Wenn Sie bei Angst und Furcht allein mit Technik 
argumentieren, sind Sie auf dem falschen Dampfer." Auch Annabelle 
Hett stimmte zu, dass es enorm wichtig sei, auf diese Emotionen 
einzugehen: "Wenn die Gesellschaft die Nanotechnologie wegen 
Befürchtungen nicht unterstützt, werden wir viele Chancen 
verlieren."
Autorin: Sabine Olff
Redaktion
Sabine Voser, Abt. Kommunikation/Marketing, Tel. + 41 44 823 45 99,  
sabine.voser@empa.ch
Die Expertenrunde auf dem Podium:
Dr. Annabelle Hett Risk Engineering Services, Swiss Reinsurance 
Company Annabelle Hett schloss ihr Studium in Veterinärmedizin mit 
einer Doktorarbeit inRadiologie und Nuklearmedizin ab. Sie ist seit 
2002 bei der SwissRe tätig und befasst sich im Rahmen von mehreren 
Projekten mit Fragen der Identifikation, Analyse und Kommunikation 
von Risiken.
Hans Näf Bühler AG Hans Näf schloss sein Studium als 
Maschineningenieur an der ETH Zürich ab. Er stieg als 
Entwicklungsingenieur bei der Firma Bühler AG ein und ist dort heute 
dafür verantwortlich, neue Produkte und Dienstleistungen mittels 
Nanotechnologie zu kreieren und bestehende zu verbessern.
Dr. Klaus Peter Rippe ethik im diskurs Klaus Peter Rippe ist 
Philosoph und Ethiker. Er ist Präsident der Eidgenössischen 
Ethikkommission für Biotechnologie im ausserhumanen Bereich und von 
daher mit Fragen zu Risikoethik, Vorsorge und Nanotechnologie 
konfrontiert.
Prof. Dr. Louis Schlapbach Empa Louis Schlapbach studierte Physik an 
der ETH Zürich und doktorierte dort. Er ist CEO der Empa und 
Professor für Experimentalphysik an der Universität Fribourg. 
Schwerpunkte seiner Forschung liegen u.a. auf dem Gebiet der 
Nanotechnologie.
Den Dialog moderierte:
Prof. Dr. Gerd Folkers Institut für Pharmazeutische Wissenschaften, 
ETH Zürich Gerd Folkers studierte Pharmazie an der Universität Bonn 
und doktorierte dort. Anschliessend wechselte er an die Universität 
Tübingen, wo er sich habilitierte. Er ist Professor für 
Pharmazeutische Wissenschaften an der ETH und designierter Leiter 
des Collegium Helveticum.
Was ist der Wissenschaftsapéro?
An den regelmässig stattfindenden Wissenschaftapéros greift die 
Empa- Akademie fachlich und gesellschaftlich relevante Themen auf. 
Jeweils drei bis vier ReferentInnen aus Forschung, Politik und 
Wirtschaft präsentieren in ihren Vorträgen Ergebnisse und Absichten 
zu dem behandelten Thema. Anschliessend stehen sie auch den nicht 
mit dem Fach vertrauten Gästen entweder in der Diskussionsrunde oder 
beim Apéro Rede und Antwort. Der nächste Wissenschaftsapéro findet 
statt am 23. August 2004 zum Thema «Wie sicher sind unsere 
Eisenbahnen». Ort: Empa, Dübendorf, Zeit: 16.30 Uhr. Es ist keine 
Anmeldung erforderlich.
Legenden zu den bei  remigius.nideroest@empa.ch elektronisch 
erhältlichen Bildern:
Die Expertenrunde auf dem Podium von links nach rechts: Dr. 
Annabelle Hett, Hans Näf (Bühler AG), Prof. Dr. Louis Schlapbach 
(Empa), Dr. Klaus Peter Rippe (ethik im diskurs).
Der Dialog um Chancen und Risiken der Nanotechnologie lockte ein 
zahlreiches Publikum an die Empa-Akademie.

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