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EMPA: Tagung «Technikbildung und Gesellschaft» -- Mit Sinnlichkeit gegen Technoskepsis

Dübendorf (ots)

Technik prägt unseren Alltag, trotzdem stehen wir
ihr skeptisch gegenüber. Technische Innovation ist der Motor unserer 
Wirtschaft und doch findet an Schweizer Volksschulen kaum technische 
Bildung statt. Dieser Zwiespalt stand im Zentrum einer Tagung, die 
kürzlich an der Empa in Dübendorf stattfand. ReferentInnen aus 
Wirtschaft, Politik und dem Bildungswesen zeigten aber auch auf, wie 
technische Allgemeinbildung vermittelt werden könnte.
Auf Initiative der Schweizerischen Akademie der Technischen 
Wissenschaften, SATW, und der IngCH – Ingenieure für die Schweiz von 
morgen, treffen sich seit zweieinhalb Jahren regelmässig 
VertreterInnen aus Politik, Wirtschaft und Bildung. Ziel dieser 
Veranstaltungen ist die Förderung des Technikverständnisses in der 
Allgemeinbildung. Zur vierten Tagung lud kürzlich die Empa-Akademie, 
das Zentrum für Wissenstransfer der Empa, Institution für 
Materialforschung und Technologie im ETH-Bereich. 
«Nachwuchsförderung in technischen Berufen ist uns ein zentrales 
Anliegen», betonte Prof. Louis Schlapbach, CEO der Empa, in seiner 
Begrüssungsansprache.
Frauen stark untervertreten
Treffsicher brachte Christine Beerli, Alt-Ständerätin und Direktorin 
der Berner Hochschule für Technik und Informatik, unser gespaltenes 
Verhältnis zur Technik auf den Punkt. «Wir ärgern uns über noch 
bestehende Natellöcher und können diesen Ärger doch sehr gut mit 
unserer Mitgliedschaft im Komitee gegen den Bau der lokalen 
Mobilfunkantenne vereinbaren.» Die Ursache für diesen Zwiespalt 
ortete Rudolf Künzli, Leiter der Pädagogischen Hochschule Aargau, 
jedoch nicht in Technophobie, sondern in Überforderung. Heutige 
technische Alltagsgegenstände seien undurchschaubar, wie eine 
Blackbox: «Dies provoziert eine systematische Entmutigung, so dass 
wir uns nicht mehr fragen, wie etwas funktioniert.» Im Vergleich mit 
anderen europäischen Ländern wird an Schweizer Volksschulen kaum 
technische Allgemeinbildung unterrichtet. Zudem stagnieren seit gut 
zwanzig Jahren die Zahlen der Uni-StudienanfängerInnen bei 
technischen Wissenschaften. Vom steigenden Anteil der Studentinnen 
an Schweizer Universitäten profitierten bislang vor allem die 
Sozialwissenschaften, zeigte Edo Poglia, Rektor der Universität der 
italienischsprachigen Schweiz. Ein Blick ins Ausland belegt, dass 
dies nicht biologisch bedingt sein kann: Im Iran beispielsweise 
studieren doppelt so viele Frauen wie Männer an 
naturwissenschaftlichen Fakultäten. Technikbildung müsse in der 
Schweiz geschlechtsspezifisch angegangen werden, wurde an der Tagung 
mehrmals betont. Moderatorin Marina de Senarclens verwies denn auch 
auf den Bericht der Schweizerischen Koordinationsstelle für 
Bildungsforschung. Dieser analysiert, warum Frauen in der Technik so 
stark untervertreten sind, liefert aber auch konkrete Vorschläge, 
wie dieser Situation zu begegnen ist.
Gesellschaft von Laien
Beim Rückblick auf die letzten 200 Jahre lässt sich unschwer 
erkennen, dass technische Basis-Innovationen – von der Dampfmaschine 
bis zur Computer-Technologie – gesellschaftlichen Wandel auslösten. 
So hat beispielsweise die Globalisierung ihre Wurzeln in der 
Informations- und Kommunikationstechnologie. Dass technische 
Innovation gleichzeitig der Motor der Wirtschaft ist, darin waren 
sich alle ReferentInnen einig. Die Forderung nach technischer 
Allgemeinbildung an Schweizer Volksschulen lasse sich aber nicht 
allein daraus ableiten. «Wir brauchen auch Konsumenten, die 
verantwortungsvolle Kaufentscheide fällen», betonte Willi Roos, 
Präsident der Schweizerischen Akademie der Technischen 
Wissenschaften, SATW. Auch Rudolf Künzli betonte die Bedeutung eines 
allgemeinen Technikverständnisses. Er verwies dabei auf den 28. 
November, den Termin der nächsten eidgenössischen Volksabstimmung. 
Der Entscheid für oder gegen das Stammzellenforschungsgesetz 
offenbare das Dilemma, in dem die Technik stecke: «Aufgrund von 
Spezialisierung und Differenzierung des verfügbaren Wissens sind 
fast alle Menschen in fast allen Gebieten Laien!»
Motivieren und mobilisieren
«Jugendliche finden die Technik zwar praktisch, aber kompliziert und 
langweilig.» In dieser Beurteilung ortete Didaktik-Professor André 
Giordan den Ansatzpunkt für Technikbildung an Volksschulen. Diese 
müsse einen Bezug schaffen zum Alltag der SchülerInnen und den 
gesamten Lebenszyklus eines Produkts ins Zentrum stellen. Im 
Mittelpunkt müssten einfache Fragen stehen: «Wie funktionierts? Wie 
lange hälts? Wem nützts?». SchülerInnen lassen sich mit 
fächerübergreifender Projektarbeit motivieren und mobilisieren. 
«Lernen und Nachdenken über Technik erfolgt über praktische 
Tätigkeit und sinnliches Erleben», betonte Giordan. Das Phänomen 
«Fliegen» könne beispielsweise anhand der Fledermaus aus den 
Perspektiven von Biologie und Physik betrachtet werden. Eine 
Annäherung sei aber auch möglich über die Geschichte des Flugzeugs 
und mit Konstruktionen im Werkunterricht. Dass dies bereits im 
Kindergarten machbar ist, beweist das Buch «Tüfteln, forschen, 
staunen» mit einfachen Experimenten für Kinder von vier bis sieben 
Jahren. «KIDSinfo», ein von der Schweizerischen Vereinigung der 
Ingenieurinnen lanciertes Projekt bietet zudem Präsentationen an 
Schulen an. Fachfrauen aus technischen Berufen sollen Mädchen und 
Jungen dafür sensibilisieren, dass die technischen Berufe beiden 
Geschlechtern offen stehen. Eine gute Einführung in technische 
Berufe bieten auch die von der IngCH organisierten 
Technologie-Wochen in Schweizer Gymnasien. Drei SchülerInnen des 
Kollegiums St. Fidelis in Stans bestätigten den 
Tagungsteilnehmenden, dass ihnen die Projektwoche geholfen habe, 
Ängste und Vorurteile gegenüber der Technik abzubauen. «Es hat mehr 
gebracht, wenn wir mit gleichaltrigen Lehrlingen gearbeitet haben, 
als wenn Experten über unsere Köpfe hinweg dozierten», fassten die 
angehenden MaturandInnen ihre Erfahrungen zusammen.
Autor
Matthias Kündig, Journalist BR
Ansprechperson für inhaltliche Auskünfte
Dr. Anne Satir, Leiterin der Empa-Akademie, Tel. 044 823 45 62, 
anne.satir@empa.ch

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