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Integrationsbuero: Mündliche Information: Bilaterale Verhandlungen II Schweiz-EU: Fünftes Koordinationstreffen in Bern

Bern (ots)

Die Delegationen der Europäischen Union (EU) und
der 
Schweiz haben sich heute in Bern getroffen, um gemeinsam eine 
Standortbestimmung vorzunehmen. Die Delegation der EU stand unter 
der Leitung von Percy Westerlund, Direktor in der Generaldirektion 
Aussenbeziehungen der EU-Kommission. Die Schweizer Delegation wurde 
von mir geleitet.
Dieses fünfte Koordinationstreffen hat in einem offenen, 
konstruktiven Gesprächsklima statt gefunden. Zunächst haben wir eine 
allgemeine Lagebeurteilung vorgenommen. Darauf haben wir in einem 
Tour d'horizon den Stand der einzelnen Dossiers besprochen. Und 
schliesslich gingen wir auf die nächsten Schritte der Verhandlungen 
ein.
Zu Beginn eine grundsätzliche Bemerkung: Die Druckversuche 
seitens 
der EU der letzten Wochen waren dem Gesprächsklima nicht förderlich. 
Diese sind wohl Ausdruck der grossen Bedeutung, welche unsere 
europäischen Partner bestimmten Dossiers beimessen. Die Schweiz 
strebt nach wie vor einen erfolgreichen Abschluss der Bilateralen II 
an und arbeitet mit zahlreichen substanziellen und konstruktiven 
Vorschlägen auf dieses Ziel hin. Dabei soll aber über die Schweizer 
Position keine Unklarheit entstehen: Unsere Priorität sind gute 
Ergebnisse und ein insgesamt ausgewogenes Gesamtresultat. Wenn ein 
ausgewogenes Resultat rasch erreicht werden kann, sind wir aber auch 
zu einem raschen Abschluss bereit.
Ich erinnere daran, dass die EU am 17. Juni ihre noch 
ausstehenden 
Mandate verabschiedet hat. Seither ist es in allen Dossiers zur 
Aufnahme der Verhandlungen gekommen. Das Tempo der Verhandlung ist 
hoch. In Hinsicht auf die Ausgewogenheit des Endresultats ist es für 
die Schweiz wichtig, dass wir in allen Bereichen in ähnlichem 
Rhythmus voranschreiten. Bundespräsident Villiger und der dänische 
EU-Ratsvorsitzende, Premierminister Rasmussen, sind Ende August 
überein gekommen, in allen Bereichen rasch voranzugehen. Die gleiche 
Absicht findet sich auch in der Schlussfolgerung des Allgemeinen 
Rats der EU vom 30. September.
Die heutige Situation fasse ich wie folgt zusammen: Sechs der 
zehn 
Dossiers dürften keine grösseren Probleme bieten. Es handelt sich um 
die Bereiche Verarbeitete Landwirtschaftsprodukte, Media, Statistik, 
Umwelt, Pensionen und die Programme Bildung/Berufsbildung/Jugend. 
Bei vier Bereichen gibt es Divergenzen, die allerdings inzwischen 
klar umrissen werden können.
Zinsbesteuerung: Zu den im Zusammenhang mit dem Zinssteuerdossier 
in 
den letzten Wochen zur Sprache gekommenen sogenannten 
Begleitmassnahmen - auch Sanktionen genannt - habe ich wie folgt 
Stellung genommen: Solche Massnahmen wären unfair, ungerechtfertigt 
und kontraproduktiv. - Unfair, weil die Schweiz in keiner Weise 
internationale Verpflichtungen verletzt hat. - Ungerechtfertigt, 
weil die Schweizer Offerte einer Zahlstellensteuer ein sehr 
substanzielles, dem von der EU geforderten Informationsaustausch 
gleichwertiges Angebot ist. Als nicht gleichwertig könnte man es 
höchstens aus dem Grund bezeichnen, weil es in der Tat effizienter 
ist als eine Meldepflicht. Mit unserem Angebot kann das Ziel, das 
sich die EU gesetzt hat und das wir teilen - nämlich die umfassende 
Besteuerung von Zinserträgen für alle EU-Bürger - vollumfänglich 
erreicht werden. - Kontraproduktiv, weil durch solche Druckversuche 
die Chancen für einen Abschluss schwinden.
Nach den bisherigen Gesprächen steht heute in den Verhandlungen 
der 
automatische Informationsaustausch nicht mehr zur Diskussion, 
sondern eine äquivalente Lösung auf der Basis einer 
Zahlstellensteuer.
Betrugsbekämpfung: Der im Frühjahr eingetretene Stillstand konnte 
überwunden werden. Im September hat eine weitere Verhandlungsrunde 
stattgefunden. In der Frage der Rechtshilfe ist die Schweiz zur 
Übernahme des für die Rechtshilfe relevanten Acquis unter 
Beibehaltung der doppelten Strafbarkeit, wie sie in der heutigen 
Rechtshilfepolitik praktiziert wird, bereit. Zudem ist sie bereit, 
bei den indirekten Steuern über den Abgabebetrug hinaus weitere 
qualifizierte Tatbestände (gewerbsmässiger Schmuggel) 
rechtshilfefähig zu machen.
Durch zusätzliche Massnahmen (Zwangsmassnahmen bereits bei 
Amtshilfe; nur noch ein Rekursmittel; Auslieferung; stellvertretende 
Strafverfolgung) ermöglicht die Schweizer Offerte eine substanzielle 
Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit, die ein 
zielgerichtetes, effizientes Vorgehen gegen alle bedeutenden Formen 
von Abgabedelikten erlaubt.
Schengen/Dublin: Grundlage für den Beitritt der Schweiz zu 
Schengen/Dublin bildet - als Modell - das Assoziationsabkommen 
zwischen der EU und Norwegen/Island. In den bisherigen Verhandlungen 
drehte sich die Diskussion um namentlich zwei Bereiche: - Im Bereich 
Rechtshilfe wird eine Lösung unter Beibehaltung des Rechtsprinzips 
der doppelten Strafbarkeit (wie bei der Betrugsbekämpfung) 
angestrebt. - In Bezug auf die Übernahme des zukünftigen Acquis will 
die Schweiz ein möglichst grosses Mitgestaltungsrecht bei der 
Weiterentwicklung des Schengener Acquis, wie das auch die beiden 
Nicht-EU-Schengenländer Norwegen und Island haben. Zudem sollen 
durch genügend lange Fristen bei der Übernahme neuer Regelungen die 
Schweizer Gesetzgebungsmechanismen (Vernehmlassung, parlamentarische 
Beratung, Referendum) gewahrt werden. Das Letztentscheidungsrecht 
muss beim Schweizer Souverän bleiben.
Dienstleistungen: Nach zwei Verhandlungsrunden kann ein 
weitgehender 
Grad an Übereinstimmung zwischen der europäischen und der 
schweizerischen Rechtsordnung des Dienstleistungsbereichs 
festgestellt werden. Substanzielle Unterschiede bestehen - bezüglich 
der Übernahme des Acquis beispielsweise bei der Liberalisierung der 
Postdienstleistungen oder bei der Definition der Geldwäscherei; - in 
horizontalen Bereichen wie dem Wettbewerbsrecht; - sowie bei der 
Übernahme des zukünftigen Acquis. Diese Punkte werden in den 
nächsten Verhandlungsrunden vertieft behandelt.
Zu den Schlussfolgerungen:
1. Wir sind mit der EU-Delegation überein gekommen, die 
Verhandlungen in allen Bereichen zügig voran zu treiben.
2. Die Arbeiten sollen in allen Dossiers auf der Basis konkreter 
Vertragsentwürfe geführt werden.
3. Ein nächstes horizontales Treffen soll noch vor Ende November 
in 
Brüssel stattfinden.
Bern, 11. Oktober 2002
Botschafter Michael Ambühl
Chef des Integrationsbüros EDA/EVD
www.europa.admin.ch

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