Stiftung SOS-Kinderdorf Schweiz
Erste globale Studie: Millionen Kinder weltweit könnten elterliche Fürsorge behalten, wenn Familien besser unterstützt würden
Weltweit wachsen geschätzt 220 Millionen Kinder ohne elterliche Fürsorge auf oder sind gefährdet, sie zu verlieren. Im Auftrag von SOS-Kinderdorf hat die erste globale Studie die Ursachen untersucht. Das wichtigste Ergebnis: Zahlreiche Trennungen könnten vermieden werden, wenn Familien systematisch unterstützt würden. Eine weitere grosse Erkenntnis: Es sind weltweit die gleichen Faktoren, die zum Verlust der elterlichen Fürsorge führen, unabhängig vom Wohlstand oder der Sozialstruktur eines Landes.
Die Studie wird heute, am «Internationalen Tag der Betreuung und Unterstützung», am Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York offiziell vorgestellt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler international anerkannter akademischer Institutionen1) hatten dafür Kinder und Jugendliche in acht Ländern – Dänemark, Elfenbeinküste, El Salvador, Indonesien, Kenia, Kirgisistan, Libanon und Uruguay – befragt, zudem sprachen sie mit Eltern und Fachkräften und führten Online-Befragungen mit Kinderschutzexpertinnen und -experten durch. Insgesamt wurden 1‘100 Personen2) befragt.
Struktureller Zusammenhang zwischen Armut und häuslicher Gewalt
Die Ursachen für Familientrennungen lassen sich in drei Kategorien unterteilen:
- Gesellschaftliche Faktoren wie unzureichende soziale Absicherung, Gewalt in der Gemeinschaft und die Klimakrise.
- Familiäre Faktoren wie Tod, Behinderung, Scheidung und Drogenmissbrauch.
- Systemische Faktoren in den Kinderschutzsystemen, die zu Fehlentscheidungen führen.
Dr. Chrissie Gale, Studienleiterin und Direktorin von Child Consulting Ltd. sowie ehrenamtliche Forschungsstipendiatin, Universität Strathclyde, sagt: «Die Ergebnisse zeigen, dass durch eine Kombination von Faktoren viele Kinder unnötig in alternative Betreuung gegeben werden. Ursachen sind unter anderem gesellschaftliche Einflüsse wie Armut und intergenerationelle Gewalt, denen Familien ausgesetzt sind, ausserdem die begrenzten Fähigkeiten einiger Eltern, sich angemessen um ihre Kinder zu kümmern und die Mängel in den nationalen Kinderschutzsystemen.»
Auch häusliche Gewalt sowie gesellschaftlich verankerte Gewaltstrukturen seien gravierende Faktoren. Von den 228 Fachleuten, die an der Online-Umfrage teilnahmen, waren mehr als 40 Prozent der Meinung, dass Kinder häufig aufgrund von häuslicher Gewalt aus ihren Familien genommen würden. Zahlreiche Befragte sahen die häusliche Gewalt ausserdem in einem direkten Zusammenhang mit Armut. Diese führe zu verstärktem Stress und dem Zusammenbruch von Beziehungen. In einigen Ländern, wie Kirgisistan und Indonesien, sei Armut der Grund dafür, dass Eltern in entfernten Regionen Arbeit suchen und ihre Kinder zurücklassen.
Weltweit kämen Sozialsysteme ihrem Auftrag nicht nach, dem gegenzusteuern und Familien systematisch zu unterstützen. Chrissie Gale sagt: «Es gibt internationale Richtlinien, nach denen Staaten und Organisationen verpflichtet sind, die Ursachen für Familientrennungen zu bekämpfen. Unsere Forschung zeigt, dass diese nicht vollständig eingehalten werden.»
Forderung nach Investitionen in Kinderschutzsysteme
SOS-Kinderdorf empfiehlt einen Drei-Säulen-Ansatz zur Bekämpfung der Ursachen von Trennungen und fordert Regierungen sowie globale Gremien auf, Familien, Gesellschaften und Schutzkonzepte zu stärken. «Unzureichende Betreuung hat langanhaltende, sogar generationsübergreifende Auswirkungen», so Dereje Wordofa, Präsident von SOS-Kinderdorf International. Er betont, einen Mangel an institutioneller Unterstützung, führe dazu, dass Kinder durch die Maschen fallen.
SOS-Kinderdorf fordert die Regierungen auf, verstärkt in präventive Kinderschutzsysteme, Anti-Gewalt-Programme und Sozialschutzsysteme zu investieren. «Die langfristigen Folgen unzureichender Betreuung sind tiefgreifend und betreffen nicht nur die aktuelle Generation, sondern auch kommende. Daher ist es entscheidend, präventive Kinderschutzsysteme zu stärken, um Familientrennungen vorzubeugen und Kindern eine sichere Zukunft zu ermöglichen», betont Alex de Geus, Geschäftsführer SOS-Kinderdorf Schweiz.
1) USA: Brown University, www.brown.edu; Dänemark: Københavns Professionshøjskole (University College Copenhagen), www.kp.dk: Elfenbeinküste: International University of Grand Bassam, www.ugb.edu.ci; El Salvador: Universidad Tecnológica de El Salvador, www.utec.edu.sv; Indonesien: Universitas Islam Bandung (UNISBA), www.unisba.ac.id; Kenia: Daystar University, www.daystar.ac.ke; Kirgisistan: American University of Central Asia (AUCA), www.auca.kg; Libanon: Université Saint-Joseph de Beyrouth (USJ), www.usj.edu.lb; Uruguay: Universidad Católica del Uruguay, www.ucu.edu.uy
2) Die Studie wurde zwischen September 2022 und September 2024 durchgeführt. Insgesamt wurden 1'100 Personen befragt, die Teil von SOS-Kinderdorf-Programmen, Partnerorganisationen oder örtlichen Schulen sind oder in benachteiligten Stadtvierteln leben. Die Befragten repräsentieren eine breite gesellschaftliche Vielfalt in Bezug auf Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion und Fähigkeiten.
Medienkontakt: Cornelia Krämer, Leiterin Kommunikation
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SOS-Kinderdorf SOS-Kinderdorf gibt in über 135 Ländern Kindern in Not ein liebevolles Zuhause und schützt gefährdete Kinder vor dem Verlust ihrer Familie. Die Stiftung SOS-Kinderdorf Schweiz ist ein privates, politisch und konfessionell ungebundenes Kinderhilfswerk und finanziert SOS-Programme in Entwicklungsländern. Weitere Informationen unter: www.sos-kinderdorf.ch