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Stellungnahme von Patricia Riekel zu den Vorwürfen von Renate Künast (Kompletter Brief auch hier: http://www.burda-news.de )

München (ots)

Sehr geehrte Frau Künast,
Sie haben in den vergangenen Tagen einen Brief verbreitet, in dem 
Sie uns verallgemeinernde Vorhaltungen machen. Sie stützen sich dabei
auf eine höchst fragwürdige Veröffentlichung und verkennen zudem die 
Aufgabe der Presse. Zu unserer journalistischen Aufgabe gehört durch 
Berichte über Politiker zur Meinungsbildung beizutragen, dazu gehört 
auch die Aufdeckung von Diskrepanzen zwischen dem gewünschten Image 
eines Politikers und seinem tatsächlichen Verhalten. Das 
Sozialverhalten von Leitfiguren ist ein Thema für die Gesellschaft.
Ihnen als aufmerksamer Zeitgenossin ist sicher nicht entgangen, 
dass in der amerikanischen Demokratie die Wähler von den Medien 
sorgfältig und detailliert über das persönliche und private Verhalten
ihrer politischen Kandidaten informiert werden. Auch bei uns in 
Deutschland haben die Öffentlichkeit und insbesondere die 
potenziellen Wähler ein Anrecht auf gründliche Informationen über die
Politiker, die mit großem Aufwand an Selbstdarstellung um Vertrauen 
werben, weil sie die Gesetze und Regeln unseres Zusammenlebens 
bestimmen möchten. Sie gehören zu den Leitfiguren und Vorbildern 
unserer Gesellschaft. Zu den Aufgaben der Presse gehört es, zu 
überprüfen und auch zu recherchieren, ob sie das Vertrauen verdienen,
um das sie uns alle bitten. Eine große Zahl von Politikern erfüllt 
diesen Anspruch der Vorbildfunktion, weil ihre tatsächliche Haltung 
in der Öffentlichkeit mit ihrem Privatleben übereinstimmt.
Wenn uns aber Hinweise und Informationen erreichen, dass Politiker
die Öffentlichkeit und die Wähler in moralischer Hinsicht täuschen 
oder möglicherweise Beispiel gebend in Beziehung oder Privatleben 
Maßstäbe setzen, die zu gesellschaftlichen Diskussionen führen, 
werden wir dies recherchieren.
Wenn Spitzenpolitiker sich von ihrer 4. Frau scheiden lassen, wenn
Spitzenpolitiker eine 40 Jahre jüngere Frau heiraten, wenn 
Spitzenpolitiker Freundinnen in höhere Ämter befördern - auf 
Steuerkosten - wenn Spitzenpolitiker ein Alkoholproblem haben, wenn 
Spitzenpolitiker im Wahlkampf ihre angeblich intakte Familie 
vorweisen, während sie gleichzeitig in einer langjährigen 
Nebenbeziehung leben, dann liefern sie durch ihren Lebensstil 
gesellschaftlichen Diskussionsstoff. Es ist korrekter Journalismus, 
solchem und ähnlichem Verhalten von Politikern nachzugehen. Wenn sich
die Informationen nicht bestätigen oder sich nicht verifizieren 
lassen, berichtet BUNTE nicht.
Im Gegensatz zu Ihrer Entrüstung fühlen wir uns bei korrekter 
Recherche auch im Recht. Sie haben sich in Ihrem Schreiben auf den 
Kodex des deutschen Presserates berufen. Dabei haben Sie aber die 
rechtliche Situation nur oberflächlich wahrgenommen. Als Juristin 
sind Sie sicher daran interessiert, Ihre Erkenntnisse zu vertiefen. 
Das ist leicht möglich, da sich höchste Gerichte mit der Thematik 
beschäftigt haben.
Wer behauptet, die Medien dürften über das Privatleben von 
Politikern überhaupt nicht oder nur bei Auswirkungen auf die 
"Amtsführung" berichten, blendet sozialwissenschaftliche Erkenntnisse
aus und hat auch die Position des Bundesverfassungsgerichts nicht 
verstanden. Nach dessen Rechtsprechung darf generell - auch bei 
Nicht-Politikern - aus dem Privat- und Alltagsleben prominenter 
Personen berichtet werden, wenn dies der Meinungsbildung zu Fragen 
von allgemeinem Interesse dienen kann. Prominente Personen können 
auch Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen bieten sowie Leitbild- 
oder Kontrastfunktionen erfüllen. Diese Erkenntnis hat das 
Bundesverfassungsgericht schon im Jahr 1999 in seiner ersten 
"Caroline"-Entscheidung formuliert (Beschluss vom 15.12.1999, 
abgedruckt in NJW 2000, 1921), und es hat sie im Jahr 2008 bekräftig 
(Beschluss vom 26.02.2008, abgedruckt in NJW 2008, 1793).
Selbstverständlich bleibt die Intimsphäre absolut geschützt. Die 
erfasst aber nur den innersten Bereich. Beziehungen, Partnerschaften,
Trennung und Scheidung mögen privat sein, aber zur Intimsphäre 
gehören sie nach der völlig einhelligen Auffassung der Juristen 
nicht. Wenn "nur" der Privatbereich betroffen ist, dann muss im 
Rahmen einer Abwägung das Informationsinteresse im Verhältnis zu 
kollidierenden Persönlichkeitsrechten gewichtet werden, denn die 
Privatsphäre genießt ihrerseits einen verfassungsrechtlich verbürgten
Schutz. Bei Politikern ist der aber nicht ausgeprägt. Selbst der 
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erkennt in dieser 
Konfliktsituation ein gesteigertes Informationsinteresse der 
Öffentlichkeit hinsichtlich politischer Akteure an, wobei nicht nur 
die Amtsführung, sondern auch Aspekte des Privatlebens betroffen sein
können. Das Bundesverfassungsgericht hat dies in seinem Beschluss vom
26.02.2008 (Randnummer 99) präzise dargestellt und bestätigt.
Es ist unverständlich, dass sich nun Journalisten und Politiker 
darin überbieten, diese Einsichten der Rechtsprechung und 
Rechtswissenschaft über Bord zu werfen. Vor allem die soziologischen 
Erkenntnisse des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage, über welche 
Themen öffentliche Meinungs- und Wertebildung funktioniert, sind 
unwiderlegt. Wer heute fordert, die Bevölkerung solle ihre 
Wahlentscheidung gefälligst anhand der Parteiprogramme treffen und 
sich für die Persönlichkeiten, die zur Wahl stehen, nicht 
interessieren, argumentiert an der vom Politikbetrieb selbst 
geschaffenen Realität vorbei. Von der CSU bis zu den Grünen, 
praktisch alle Spitzenpolitiker wollen "menschlich" wahrgenommen 
werden und präsentieren sich entsprechend, auch in BUNTE.
Auch der Bundesgerichtshof hat in zwei jüngeren Entscheidungen 
(Urteil vom 24.06.2008, abgedruckt in NJW 2008, 3134, sowie vom 
19.05.2009, abgedruckt in GRUR 2009, 1089) ausdrücklich 
ausgesprochen, dass sogar das Privatleben ehemaliger Spitzenpolitiker
(Heide Simonis, Joschka Fischer) zulässiger Gegenstand von 
Berichterstattung ist, obwohl hier Auswirkungen auf die Amtsführung 
gar nicht mehr eintreten konnten. Maßgeblich war die 
Leitbildfunktion, die mit dem Rückzug aus der aktiven Politik nicht 
entfiel. Deshalb durfte BUNTE ein Foto der Villa zeigen, die sich der
ehemalige Hausbesetzer Joschka Fischer als Alterssitz ausgesucht 
hatte. Auch hier ist die Rechtsprechung offenbar vielen voraus, die 
sich jetzt zu Wort melden: Sie hat verstanden, dass politische 
Meinungsbildung ein komplexer Prozess ist, in dem auch der Übergang 
verdienter Politiker in den Ruhestand Auswirkungen auf zukünftige 
Präferenzen haben kann.
Ein zusätzlicher Gesichtspunkt, der in der Abwägung für die 
Zulässigkeit von Berichten spricht, ist natürlich, wenn der 
betreffende Politiker sein Privatleben selbst geöffnet hat, etwa im 
Wahlkampf oder zur Imagepflege. Mit zunehmender Personalisierung von 
Politik bestimmen private Verhaltensweisen stets über Sympathie oder 
Antipathie und damit häufig über Wahlentscheidungen mit, so dass ein 
grundlegendes berechtigtes Informationsinteresse hieran besteht.
Seit Jahren arbeitet BUNTE, wie andere Verlage auch, mit freien 
Fotojournalisten zusammen, unter anderem mit der Berliner Foto- und 
Presseagentur CMK. Bei der Auswahl dieser Agentur haben wir die 
angemessene journalistische Sorgfaltspflicht gewahrt. Die Agentur 
genoss in der Medienlandschaft einen anerkannten Ruf. Es gab 
keinerlei Hinweise auf unseriöse Methoden. Deswegen haben alle 
namhaften Verlage (u.a. Gruner+Jahr, Springer) mit ihr 
zusammengearbeitet. Sollte einer der erhobenen, aber bislang 
unerwiesenen, Vorwürfe jedoch zutreffen, würden wir uns von der 
Agentur distanzieren.
Zusammenfassend erkläre ich Ihnen hier noch einmal: Politiker 
werden durch die Medien kontrolliert. Das umfasst auch die 
Privatsphäre der Politiker, wie es vom Bundesverfassungsgericht klar 
definiert wird. So ist das in der Demokratie. Diese Kontrollfunktion 
der Presse lässt sich die BUNTE, aber auch die gesamte deutsche 
Presse, nicht von Ihnen nehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Patricia Riekel
cc: per E-Mail
Die Fraktionsvorsitzenden des Bundestags
Die Parteivorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien
Bundesjustizministerium
Die Ministerpräsidenten und regierenden Bürgermeister
OB-Büros von Stuttgart, FFM, München, Köln
Deutscher Presserat
IG Medien
DJV plus Landesverbände
VDZ plus Landesverbände
Medienausschuss im Bundestag
Medienressorts von TZs und Zeitschriften
Medienfachpresse
Politikressorts von TZs und Zeitschriften
Anhang:
Anhang 1: Titelgeschichte Stern 33/2007 "Ehefrau oder Geliebte. 
Der Fall Seehofer, Verheugen, Wulff, Schröder... Es ist nun einmal 
so, dass viele Männer neben ihrer Ehe auch noch ein Privatleben 
führen. Blöd nur, wenn´s auffliegt." (Anfragen hierzu richten Sie 
bitte an Hubert Burda Media direkt)
Anhang 2: BUNTE-Interview mit Prof. Ladeur.
Der Jura-Professor Karl-Heinz Ladeur, ein anerkannter Experte auf 
dem Gebiet des Persönlichkeitsrechts, erklärte BUNTE 2007 in einem 
Interview (Heft 37/2007, S. 104):
Frage: Das heißt also: Ein Politiker, der sich wählerwirksam mit 
seiner Ehefrau vor die Kamera stellt, muss es hinnehmen, dass 
berichtet wird, wenn diese Fassade Brüche bekommt?
Antwort: Genau. Man kann sogar noch weitergehen. Auch Politiker, 
die ihr Privatleben nicht in dieser Weise einsetzen, müssen 
hinnehmen, dass über ihre Privatsphäre berichtet wird. Denn das hat 
immer eine Bedeutung auch für die Öffentlichkeit. Also auch für das 
Ansehen des Politikers in Wahlen, selbst wenn er das nicht funktional
zur Politikwerbung einsetzt.
Frage: Ist es für die Demokratie wichtig, dass Privates über 
Politiker berichtet wird?
Antwort: Ich denke schon. Grundsätzlich ist das richtig, weil die 
Wähler natürlich auch immer davon ausgehen müssen, dass Politiker ein
bestimmtes Image von sich erzeugen. Dann ist es sinnvoll, dass 
darüber berichtet wird. Das Alltagsleben von Politikern ist schon für
sich genommen ein Gegenstand des öffentlichen Interesses. Es gilt der
Satz: "Das Private ist politisch." Die Öffentlichkeit verändert sich.
Es gibt einfach nicht mehr diese starre Trennung zwischen Privatem 
und Öffentlichem wie in der Vergangenheit.
Frage: Genießen Politiker einen besonderen Schutz der 
Privatsphäre?
Antwort: Nein. Gerade im Gegenteil. Der Schutz der Privatsphäre 
ist bei Politikern aufgehoben, außer z. B. in ihrer Wohnung oder 
sonst in einem abgetrennten Intimraum. Aber wenn sie sich privat in 
der Sozialsphäre bewegen, da genießen sie keinen besonderen Schutz.
Kompletter Bief auch hier: http://www.burda-news.de

Pressekontakt:

Nikolaus von der Decken

Konzernsprecher
Leiter Konzernkommunikation

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D-81925 München

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