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Unsoziale Zweiklassenmedizin durch Referenzpreise

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Zug (ots)

Das vom Bundesrat vorgelegte Paket 1 zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen schiesst am Ziel vorbei. Es wird stattdessen eine unsoziale Zweiklassenmedizin geschaffen. Die Wahlfreiheit bei Arzneimitteln für Patientinnen, Patienten und Leistungserbringer wird stark limitiert. Engpässe bei der Medikamentenversorgung nehmen zu.

Der Bundesrat hat Mitte September 2018 sein erstes Paket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen in die Vernehmlassung geschickt. Darin enthalten sind zwei Varianten eines Referenzpreissystems für Medikamente. Die erste Variante mit Preisabschlag wird von der vips vor allem deshalb abgelehnt, weil der Bundesrat den Preis in Eigenregie festlegen könnte. Hersteller und Verkäufer von Medikamenten hätten kaum mehr Sicherheit bei ihrer Produkteplanung. Der Rechtsweg zur Überprüfung dieser Preisbestimmung stünde zudem nicht mehr zur Verfügung. Die zweite Variante mit dem Meldesystem bringt den zusätzlichen Nachteil, dass die Krankenversicherer, die direkt von tiefen Leistungen profitieren, und nicht Ärzte und Leistungserbringer festlegen würden, welches Medikament zu verwenden ist. Ein rein kostenorientiertes Medikamentenversorgungssystem widerspricht den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten, den Wünschen der Schweizer Bevölkerung und auch der freien Wahlmöglichkeit der richtigen Therapie für Ärztinnen und Ärzte.

Die vips lehnt beide Varianten des Referenzpreissystems ab, weil sie für die Medikamentenversorgung der Bevölkerung in der Schweiz schädlich und wirtschaftsfeindlich sind. Patientinnen und Patienten, die ihre Arzneimittel weiter einnehmen wollen, müssten Zuzahlungen aus der eigenen Tasche im Umfang von mindestens CHF 41.7 Mio. pro Jahr in Kauf nehmen. Diese privaten Zusatzausgaben würden nicht einmal an die Franchise angerechnet und der Selbstbehalt bliebe wie bisher bestehen.

Bei den finanziell weniger Privilegierten handelt es sich oft um ältere und chronisch Kranke, die sich mit dem Referenzpreissystem Umstellungen in ihrer Medikation gefallen lassen müssten. Unbeabsichtigte und gesundheitsgefährdende Fehlmedikationen wären die Konsequenz verbunden mit hohen Folgekosten durch zusätzliche Arztbesuche und Hospitalisierungen.

Der Schweizer Medikamentenmarkt ist im Vergleich zur EU sehr klein. Die Schweiz hat mit der Swissmedic und dem BAG ein eigenes Zulassungs- und Vergütungssystem für Medikamente und sie ist dreisprachig, was einen hohen Zusatzaufwand für Pharmaunternehmen bedeutet, die ihre Produkte hier anbieten wollen. Wenn die Produkte nun als Konsequenz des Referenzpreissystems 20-60% unter den tiefsten Auslandspreis fallen würden, sind sie schlicht nicht mehr rentabel und müssen vom Markt genommen werden. Gerade sehr tiefpreisige Medikamente des täglichen Bedarfs (z.B. Antibiotika) und teurere Produkte (z.B. Onkologika) wären in der Schweiz nicht mehr marktfähig. Patientinnen, Patienten und Leistungserbringer müssten drastische Einschränkungen bei Versorgungssicherheit und -qualiät in Kauf nehmen.

Die Pharmaindustrie leistet seit Jahren einen massgeblichen Beitrag zur Senkung der Gesundheitskosten. Das System zur Senkung der Arzneimittelpreise wurde kürzlich verschärft und das zeigt Wirkung. Allein die Preissenkungen im Jahre 2017 haben Einsparungen von CHF 146.5 Mio.im patentabgelaufenen Bereich gebracht (Generika: CHF 60.1 Mio., Originale CHF 86.4 Mio.). Die gesamthaften Einsparungen in den Jahren 2017 und 2018 beliefen sich auf über CHF 325 Millionen (vgl. Medienmitteilung des Bundesamts für Gesundheit vom 2.11.2018). Das ursprüngliche Ziel von CHF 180 Mio. wurde schon im zweiten von drei Jahren praktisch verdoppelt. Das bestehende Preisüberprüfungssystem hat sich aus Sicht der Pharmaindustrie also durchaus schmerzhaft bewährt. Denn diese harten Eingriffe der Behörden muss die Industrie mit Einsparungen bei Arbeitsplätzen, Forschung und Entwicklung und Investitionen kompensieren.

Den Patientinnen und Patienten bringt das heutige System Fairness und den Gesundheitsdienstleistern Wahlfreiheit und therapeutische Varianten. Die Auswahl an Arzneimitteln mit Zusatznutzen durch eine spezielle Galenik, durch unterschiedliche Dosisstärken und Packungsgrössen, durch teilbare Tabletten etc. ist wichtig. Sie führt zu Therapietreue, erleichtert den Behandlungserfolg und gewährleistet wenigstens eine gewisse Sicherheit bei der Versorgung. Das aktuelle System mit Selbstbehalt und Franchise bringt der Bevölkerung aber auch eine sozialverträgliche finanzielle Belastung.

Mit den beiden vorgeschlagenen Referenzpreismodellen verschwinden diese Vorteile ganz. Das Referenzpreissystem zielt in Wahrheit auf patentabgelaufene Originale. Der kostensenkende Effekt auf die Generikapreise wird nur bedingt erfüllt. 5-20% der Originale würden vom Markt verschwinden.

Auch die bundesrätliche Strategie zur Förderung der Herstellung und des Verkaufs von Biosimilars - also generischen Biologika - wird mit dem Referenzpreissystem weitgehend verunmöglicht. Diese Produkte erfordern ein Vielfaches an Investitionen im Vergleich zu herkömmlichen Generika. Eine Gleichstellung wäre das Todesurteil für künftige Neueinführungen.

Einführung eines Experimentierartikels

Ein Experimentierartikel ist zu begrüssen. Zur Gewährleistung grösstmöglicher Denkfreiheit ist jedoch seine thematische Einschränkung nicht sinnvoll. Zudem muss er sich auf die Verhältnisse in der Schweiz beziehen und ohne internationale Vergleiche auskommen. Nur so können die spezifischen Elemente des Schweizerischen Gesundheitssystems gebührend abgebildet werden.

Kontakt:

Marcel Plattner, Präsident, Mobile 079 469 92 68
Ernst Niemack, Geschäftsführer, Mobile 078 646 80 30

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