Monitor "Datengesellschaft und Solidarität" 2020: Mehr Lebensvermessung trotz Sorge um Solidarität
Zürich (ots)
Einloggen, surfen, Datenspuren generieren: Das ist die Realität der e-Gesellschaft - erst recht im Kontext der Corona-Pandemie. Wie sehen die Menschen die Chancen und Risiken der Datengesellschaft? Was ist ihre Haltung zur stetig zunehmenden Lebensvermessung? Der Monitor "Datengesellschaft und Solidarität" 2020 bringt zutage: Die Bevölkerung verinnerlicht die digitale Logik immer stärker und bleibt dennoch ambivalent. Sie nutzt digitale Angebote fleissig, fürchtet sich aber vor Datenweitergabe. Sie ruft vermehrt nach verhaltensabhängigen Versicherungsprämien und möchte dennoch die gesellschaftliche Solidarität hochhalten.
Das Leben in der e-Gesellschaft macht die Bevölkerung granularer, transparenter und die/der Einzelne wird hyperindividualisiert durch stetig mehr Lebensvermessung. Die Menschen bauen in Krisenzeiten auf Solidarität und Eigenverantwortung, das hat auch der landesweite Lockdown gezeigt. Aber welchen Einfluss hat die neue Datengesellschaft auf die Grundhaltung zu gesellschaftlicher Solidarität im digitalen Zeitalter? Und was bedeutet das für das Gesundheitswesen und im Versicherungsbereich? Diesen Fragen ist die Stiftung Sanitas Krankenversicherung anfangs Jahr zum dritten Mal nachgegangen mit der Bevölkerungsbefragung Monitor "Datengesellschaft und Solidarität" 2020, die von der Forschungsstelle sotomo durchgeführt wurde. Sie soll Beitrag leisten an die öffentliche Debatte in der Schweiz.
Digitale Transformation gewinnt an Akzeptanz
Noch 2018 war die Skepsis in der Bevölkerung gegenüber der Digitalisierung gross. Bedenken bezüglich Privatsphäre, Überwachung und Verdrängung von Jobs standen im Vordergrund. Das scheint sich laut Monitor 2020 zu ändern. Im Dreijahresvergleich wird die Datengesellschaft heute vermehrt auch mit positiven Merkmalen wie Effizienz, Möglichkeiten und Informiertheit verknüpft. Es sind Aspekte, die mit Selbstermächtigung und viel mit Selbstoptimierung zu tun haben. So sehen heute 44 Prozent der Befragten vor allem Fortschritt und neue Möglichkeiten durch den digitalen Wandel, was durch die Corona-Krise akzentuiert worden sein dürfte. Im Jahr 2018 sahen erst 35 Prozent der Befragten positives Potential. Nach wie vor zählen die Umfrageteilnehmenden vor allem agile Personengruppen wie Jüngere, Gebildete, Wohlhabende sowie Leistungsorientierte zu den Gewinnerinnen und Gewinnern der digitalen Transformation. Lebensqualität und vor allem Solidarität werden dagegen am wenigsten mit dem Wandel in Verbindung gebracht.
Mehr Junge als Alte verunsichert
Geht es um den Gegensatz von Älteren und Jüngeren, zeigt die Befragung eine vielschichtige Realität. Digitale Anwendungen fassen bei Jungen schneller und umfassender Fuss als bei den Älteren, aber die Jungen zeigen mehr Bedenken: Von den 18- bis 35-Jährigen sehen sich 38 Prozent durch die Entwicklung verunsichert. Bei den über 65-Jährigen sind es 28 Prozent. Zudem beurteilen gerade die Älteren die Digitalisierung vermehrt positiv. Jüngere Menschen scheinen durch die Herausforderungen der Digitalisierung aufgrund der langen Lebensperspektive stärker geprägt, ähnlich wie beim Klimawandel. Sie sind es, die mit den grossen KI-getriebenen Umbrüchen in Gesellschaft und Wirtschaft werden zurechtkommen müssen.
Trend zur Lebensvermessung hält an
Das eigene Aufzeichnen von Daten über Aktivitäten und den Körper nimmt zu und scheint von der Spielerei zu einem persönlichen Mehrwert avanciert. 2020 geht bereits mehr als ein Fünftel der Bevölkerung aufgrund des Schrittezählens häufiger oder länger zu Fuss, besonders die Frauen. Bemerkenswert auch, dass bereits 58 Prozent der 15- bis 35-jährigen Frauen ihren Zyklus digital aufzeichnen. Weniger rasch verbreiten sich Messungen, die nicht einfach nebenbei über das Smartphone laufen. Dennoch hat sich der Anteil von Personen, die ihren Puls beziehungsweise die Herzfrequenz mit Fitness Tracker oder Smartwatch aufzeichnen, innerhalb von zwei Jahren annähernd verdoppelt von 10 auf 19 Prozent. Neue, noch benutzerfreundlichere Messmethoden und Geräte werden dieser Entwicklung weiteren Vorschub leisten.
Ambivalente Haltung bezüglich Solidarität
Im Prinzip geniesst der Grundwert Solidarität eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz. Am wichtigsten sind der Bevölkerung der Transfer von Leistungsfähigeren zu Schutzbedürftigen; von Reich zu Arm, Gesund zu Krank und Jung zu Alt. Der Rückhalt für Solidarität im Gesundheitsbereich hat seit 2019 sogar von 56 auf 63 Prozent signifikant zugenommen. Die Menschen verbinden mit dem Begriff Solidarität insbesondere folgende Prinzipien: sich persönlich für Mitmenschen einsetzen (49%), Zusammenhalt in Familie und Nachbarschaft (45%), sozialstaatlicher Ausgleich inklusive Krankenversicherung (33%), im Notfall von andern Hilfe bekommen (21%) und anderen nicht zur Last fallen (13%) - je nach politischer Haltung etwas unterschiedlich gewichtet. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass gleichzeitig die Idee von verhaltensabhängigen Prämien an Akzeptanz gewinnt: 2020 spricht sich mit 51 Prozent der Befragten erstmals eine Mehrheit dafür aus, dass weniger Krankenkassenprämie bezahlen soll, wer sich gesund ernährt und fit hält. Die Ablehnung der Idee sank dagegen von 56 auf 44 Prozent. Dieser Einstellungswandel steht für die transformative Kraft der Digitalisierung: Trotz gefühltem Stress durch Gesundheitstracking und grossen Vorbehalten bezüglich der Datenweitergabe setzt sich die digitale Leistungs- und Vermessungslogik leise durch und macht den Ruf nach individuellen Vorteilen lauter - eine neue Lebensrealität. 2020 sind zudem mehr Menschen der Ansicht, dass laufendes Aufzeichnen von Gesundheitsdaten zu besserer medizinischer Versorgung beiträgt.
Politik rennt der Basis davon
Ein Spezialthema des Monitors "Datengesellschaft und Solidarität" 2020 bildet der Vergleich der Einstellung zum digitalen Wandel von Bevölkerung und National- beziehungsweise Ständeratskandidierenden 2019 (Digitalisierungsmonitor 2019, SWICO, Berner Fachhochschule BFH). Trotz verbesserter Grundstimmung der Bevölkerung treten klare Divergenzen zutage: Mehr Politiker (92%) sehen die Auswirkungen der Digitalisierung insgesamt positiv im Vergleich zur Basis (70%). Und zwei Drittel der Bevölkerung, aber nur 29 Prozent der Politiker sind der Ansicht, die Digitalisierung führe zu mehr Ungleichheit im Arbeits- und Wirtschaftsleben. Das wirft die Frage auf, ob die Politik den Sorgen der Bevölkerung genügend Rechnung trägt. Zumal die Politikvertreter die digitale Entwicklung des Staats in vielen Bereichen mit deutlich mehr Tempo vorantreiben möchten als ihre Basis.
Zur Studie
Die Forschungsstelle sotomo hat im Januar 2020 insgesamt 2297 Personen online zu ihrem Verhalten und der Einstellung zur Solidarität im Kontext der Digitalisierung befragt. Die gezielte Personenauswahl und Gewichtung sichert eine repräsentative Stichprobe, die nahe an der Zusammensetzung der Bevölkerung in der Schweiz ab 18 Jahren liegt. Die Umfrage erfolgt im Jahr 2020 zum dritten Mal im Auftrag der Stiftung Sanitas Krankenversicherung.
Download der Studie
Der vollständige Bericht zum Monitor "Datengesellschaft und Solidarität" 2020 steht hier zur Verfügung: www.sanitas.com/stiftung-umfrage
Pressekontakt:
Für Informationen zum gesellschaftlichen Engagement und zur Umfrage:
Stiftung Sanitas Krankenversicherung, Dr. Isabelle Vautravers,
Geschäftsführerin, Telefon 044 298 62 61, Mobile 079 641 25 78,
isabelle.vautravers@sanitas.com
Für Informationen zum Unternehmen:
Sanitas Krankenversicherung,
Christian Kuhn, Mediensprecher, Telefon 044 298 62 78,
Mobile 076 381 27 87, medien@sanitas.com