Discours Suisse - Eidg. Abstimmung vom 16. Mai: Steuerpaket steht in der Südschweiz im Schatten der Spardebatte
Lugano (sda/ots) -
Querverweis auf Karikaturen: www.newsaktuell.ch/d/story.htx?nr=100474218
Von Omar Gisler, sda
Im Tessin steht am 16. Mai die Finanzpolitik der letzten 10 Jahre auf dem Prüfstand. Abgestimmt wird nicht nur über das Steuerpaket des Bundes, sondern auch über die Sparmassnahmen des Kantons. Im Brennpunkt steht Finanzdirektorin Marina Masoni.
Unter der Ägide der freisinnigen Finanzdirektorin wurden im Tessin seit 1995 die Steuern kontinuierlich gesenkt. Durch vier Steuerpakete und eine Initiative der Lega, die das Volk im Februar 2000 annahm, wurden dem Fiskus bisher über 220 Mio. Franken entzogen.
SP und Gewerkschaften werfen Masoni deshalb vor, die Kassen des Staates geleert zu haben und nun den Service Public abbauen zu wollen. Denn im Tessin ist Sparen angesagt, seit der Finanzhaushalt nach einigen positiven Jahren in Schieflage geraten ist.
Im Jahr 2002 betrug das Defizit 42,2 Mio. Franken, im Jahr darauf waren es bereits 235 Mio. Franken. Das Budget 2004 rechnet gar mit einem Minus von 288 Mio. Franken - trotz der von Regierung und Parlament eingeleiteten Sparmassnahmen. Die durch das Steuerpaket des Bundes verursachten Einnahmenausfälle würden das Tessin also empfindlich treffen.
Masoni für das Steuerpaket
Trotzdem hat sich Masoni für das Steuerpaket ausgesprochen. Im Staatsrat bildete sie aber mit ihrer Meinung zusammen mit Marco Borradori (Lega) eine Minderheit. Deshalb darf sie nicht für das Steuerpaket werben. Ihr Ärger darüber hält sich aber in Grenzen.
Denn Masoni ist anderweitig genug beschäftigt: Sie muss das Volk von der Notwendigkeit des Entlastungsprogramms respektive von der Richtigkeit ihrer eigenen Finanzpolitik überzeugen.
Unermüdlich konfrontiert Masoni ihre Kritiker mit Zahlen aus den Staatsrechnungen: Die Einnahmen des Kantons steigen seit Jahren kontinuierlich an, halten aber nicht Schritt mit den Ausgaben, die zuletzt um weit über 100 Mio. Franken pro Jahr zugenommen haben.
Radikales Umdenken gefordert
Masoni fordert angesichts dieser Kostenexplosion ein Umdenken. Die FDP - im Tessin nach wie vor die stärkste Partei - will die Pflichten des Staates neu definieren. Am weitesten aus dem Fenster gelehnt hat sich Mauro Dell'Ambrogio, der FDP-Fraktionschef im Grossen Rat.
Dell'Ambrogio schockte neulich mit einem Arbeitspapier, das durch Indiskretionen publik geworden war. Darin fordert er beispielsweise einen Personalabbau um 20 bis 30 Prozent in der kantonalen Verwaltung. Dazu soll den Beamten der 13. Monatslohn nur noch dann ausbezahlt werden, wenn die Staatsrechnung mit einem Gewinn abschliesst.
Der Applaus für diese Vorschläge hielt sich aber selbst in den eigenen Reihen in Grenzen. Die bürgerlichen Parteien wollen erst einmal den Abstimmungssonntag vom 16. Mai wunschgemäss über die Bühne bringen und Polemiken vermeiden.
Vergiftetes Klima
Denn das politische Klima ist bereits stark vergiftet. Die Linke hat gegen vier Sparmassnahmen im Schul- und Sozialbereich innert Kürze insgesamt rekordverdächtige 62'123 Unterschriften gesammelt. Über diese Vorlagen, die Einsparungen in der Höhe von rund 30 Mio. Franken nach sich ziehen würden, wird nun am 16. Mai abgestimmt.
Für den Fall, dass das Tessiner Stimmvolk alle Sparvorschläge ablehnt, zeichnet FDP-Präsident Giovanni Merlini ein düsteres Bild: "Der Staatsrat und der Grosse Rat wären dann total gelähmt. Um die steigenden Ausgaben des Kantons zu decken, müssten die Steuern um 10 Prozent im Jahr erhöht werden."
Von den Rauchpetarden zum Dynamit
Um die Stimmbürger von der Tragweite des 16. Mai zu überzeugen, haben FDP, CVP, SVP und Lega ein Anti-Referendumskomitee gegründet. Die bürgerlichen Parteien unterstützen die Regierung auch in ihrem Bestreben, die Ausgaben des Staatshaushaltes künftig in den Griff zu bekommen.
Im Budget für das Jahr 2005 will der Staatsrat weitere 151 Mio. Franken sparen. Wo er dies zu tun gedenkt, will er erst nach dem 16. Mai bekannt geben. Die Tageszeitung "LaRegioneTicino" bezeichnete deshalb die aktuellen Diskussionen als "Rauchpetarden". Was nach dem 16. Mai folge, sei dann "echtes Dynamit".
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