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Discours Suisse - Das Auto als Spiegel der Schweizer Vielfalt - Mit dem Auto in die Sprachbarrieren

Bern (sda) -

Beim Urnengang zum Gurtenobligatorium ist die
Schweiz noch in die Sprachbarrieren geprallt. Eine, wie es schien,
sicherheitsbewusste Deutschschweiz überrollte die "compatriotes" in
den lateinischen Landesteilen. Doch Stereotypen wandeln sich.
Zur Erinnerung: Mit Ausnahme der Innerschweizer Kantone Uri,
Schwyz, Ob- und Nidwalden gaben am 30. November 1980 alle
Deutschschweizer Stände der Gurtentragpflicht in Autos und dem
Helmobligatorium für Motorradfahrer grünes Licht. Die Romandie und
der Kanton Tessin schalteten die Ampel auf Rot.
Heute, etwas mehr als 25 Jahre später, scheidet das Thema Auto
und Mobilität noch immer die Geister in den verschiedenen
Landesteilen. Laut der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu)
schnallen sich 88 Prozent der Deutschschweizer Lenker regelmässig
an, in der Westschweiz sind es 79 und im Tessin nur 75 Prozent.
Romandie - automobil und autophil
Zuweilen finden Klischees ihre Bestätigung im Leben. Der
33-jährige Freiburger Alexandre legt die knapp 100 Meter zu seinem
Büro oder den noch kürzeren Weg zur Post konsequent im Auto zurück.
"Man könnte mir vieles wegnehmen, aber wäre es das Auto, würde das
für mich einen riesigen Verlust an Freiheit bedeuten."
Natürlich lässt sich von Alexandres Einstellung nicht auf das
Verhalten eines ganzen Landesteiles schliessen. Doch liegen eine
Reihe von statistisch erhobenen Zahlen vor, die auf Unterschiede im
Mobilitätsverhalten hinweisen. Beispielsweise der Blick in die
Unfallstatistik verdeutlicht dies.
Zwischen 1995 und 2005 verringerte sich die Zahl der schwer
Verunfallten in der Deutschschweiz um 36 Prozent - in der Romandie
lediglich um 10 Prozent. Wie die bfu-Statistik ausweist, war ennet
der Saane für den Zeitraum von 1994 bis 2004 sogar eine Zunahme von
5 Prozent zu verzeichnen.
Die Liebe der Romands zu ihrem "voiture" entfaltet sich in den
Morgen- und Abendstunden eindrücklich. 62 Prozent rollen laut dem
grünen Waadtländer Staatsrat François Marthaler im Wagen zur
Arbeit. Zum Vergleich: In Zürich benutzen 43 Prozent der Pendler
das Auto; in Basel sind es nur 34 Prozent.
Dem stehen Aktionen zur vermehrten Benutzung des öffentlichen
Verkehrs und - recht erfolgreich - zum Umsteigen aufs Fahrrad
gegenüber. So versucht etwa Marthaler, die Automobilisten mit der
Operation "carte grise" zum Umsteigen auf den ÖV zu bewegen.
Deutschschweiz mit pragmatischer Einstellung
Die erwähnten Zahlen zeigen, dass die Umsteigekampagnen der
vergangenen Jahre in der Deutschschweiz erfolgreich waren. Trotz
einem Anstieg bei den Autoverkäufen und einer Tendenz hin zum Kauf
von Fahrzeugen mit Vierrad-Antrieb besitzen dort viele ein GA oder
Halbtax-Abo und wechseln regelmässig das Verkehrsmittel.
Die Beziehung zum Auto sei in der Deutschschweiz pragmatischer
als in den anderen Landesteilen, sagt Jacqueline Bächli-Biétry, die
der Vereinigung der Verkehrspsychologen vorsteht. Der PW sei vorab
ein Mittel, um von einem Ort zum anderen zu gelangen. Weniger
Unterschiede zeigen sich indes beim Auto als Statussymbol des
Mannes.
Junge Männer mit unsicheren beruflichen Aussichten etwa neigten
eher dazu, das Auto zu missbrauchen, weiss Bächli-Biétry. Sie
finden durch ihren fahrbaren Untersatz eine Identität. Anders als
früher hätten unerfahrene Autolenker einen einfacheren Zugang zu
schnellen, PS-starken Wagen - was zu schwereren Unfällen führt.
Trotzdem - die Verkehrsregeln haben es in der Deutschschweiz
leichter, akzeptiert zu werden. Kampagnen zur Verkehrssicherheit
werden dort zudem eher als Dienstleistung aufgenommen, wie Stefan
Siegrist, Leiter der bfu-Forschungsabteilung, sagt. Die Romands
empfinden sie hingegen als Eingriff in die Privatsphäre.
Siegrist, der den Unterschieden in einer Vertiefungsstudie
nachgehen will, hat eine Vermutung: "Dass die Gesetze in Bern
erlassen werden, kommt bei den Sprachminderheiten oft nicht gut an.
Das verstärkt den Wunsch nach Unabhängigkeit."
Langsamer Mentalitätswechsel im Tessin
Kulturelle Unterschiede im Fahrverhalten gebe es durchaus, sagt
Alvaro Franchini vom Tessiner Strassenverkehrsamt. Es hat seine
Gründe, dass ein Junglenker mit Sportwagen laut dem
Internetsvergleichsdienst Comparis die höchsten Prämien zahlt, wenn
er im Tessin wohnt.
Laut Statistik gibt es im Südkanton doppelt so viele Unfälle wie
in der Deutschschweiz. Die bfu forciert denn auch die Prävention.
"Für das Tragen der Sicherheitsgurte führen wir eine intensivere
Kampagne in den italienisch- und französischsprachigen Medien",
nennt Magali Dubois von der bfu ein Beispiel.
Für Franchini werden die Unterschiede jedoch geringer: "Dank der
Kampagnen zur Verkehrssicherheit geht die Entwicklung in die
gleiche Richtung wie in den anderen Landesteilen." Das sieht auch
der Tessiner FDP-Nationalrat Fabio Abate so - und nervt sich über
"die ewigen Klischees, die an den Tessinern kleben".
Notiz: Die vorliegende Meldung erscheint im Rahmen des Projektes
Discours Suisse. Hinter diesem Projekt, das zur Verständigung 
zwischen den Sprachregionen beitragen will, stehen das Forum 
Helveticum, das Netzwerk Müllerhaus und die SDA. Einzeltexte aus 
den Regionen sind im Internet unter www.discours-suisse.ch zu 
finden.

Kontakt:

Discours Suisse
c/o FORUM HELVETICUM
Postfach
5600 Lenzburg 1
Tel. +41/62/888'01'25
Fax +41/62/888'01'01
E-Mail: info@forum-helveticum.ch

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