Discours Suisse - Wohnen im Alter: Spitex und Alters-WG: Senioren bevorzugen die Selbständigkeit
Bern (sda/ots) -
Immer älter und länger gesund - dieser Trend in der Bevölkerung wirkt sich auf die Wohnformen fürs Alter aus. In der Deutschschweiz feiern Alters-Wohngemeinschaften Urständ. Die Romands bleiben so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden.
Die Westschweizerinnen und Westschweizer sind älter als die Deutschschweizer, wenn sie in ein Altersheim ziehen. Dies erzählen die Statistiken, dies berichten die Pflegepraktiker. Die Spitex in Genf pflegte im vergangenen Jahr rund 16'000 Personen in deren Wohnung, wie Séverine Pinaud, Sprecherin der Organisation, sagt.
Romandie: Hohes Durschschnittalter in Pflegeheimen
Das Durchschnittsalter der von der Spitex betreuten Personen betrug 74 Jahre, jenes in den Pflegeheimen lag bei 86 Jahren. In einem so genannten Etablissement medico-social (EMS) dauert der Aufenthalt laut Pinaud durchschnittlich drei Jahre und vier Monate. Rund 3400 Pensionäre leben derzeit in einem der Genfer EMS.
Der Kanton Genf habe seine Belegungssituation im Griff, sagt Gesundheitsdirektor Pierre-François Unger. Zurzeit warten gut 300 Personen in Spitälern und zu Hause auf einen EMS-Platz. Im Frühling werden drei neue EMS mit zusammen 190 Betten eröffnet. Bis 2010 würden in drei zusätzlichen Heimen 1150 neue Betten geschaffen.
Im ländlichen Kanton Jura liegt der Anteil an Wohneigentum mit 40 Prozent um über 10 Prozent höher als im Schweizer Durchschnitt, wie Gabriel Nussbaumer, Dienstchef im Gesundheitsdepartement des Kantons, ausführt. Dies ist ein Indiz dafür, dass auch dort die meisten alten Menschen in den eigenen vier Wänden wohnen.
Für jene, die ihre betagten Eltern selber pflegten, brauche es zur Entlastung unbedingt Tagesstätten, sagt Nussbaumer. Zwei dieser Foyer de Jour werden im Kanton Neuenburg betrieben. Dieses Angebot nutzten Betagte auch, um etwa der Einsamkeit zu entgehen, sagt Jean-Maurice Guinand von der Gesundheitsdirektion.
Deutschschweiz: Trend zu Alters-WG
In der Deutschschweiz finden sich neben Spitex, Tagesstätten oder Heimen immer häufiger auch alternative Wohnformen für ältere Menschen. Die 80-jährige Züsi Keller beispielsweise gründete 1998 eine "Alters-WG" - in einer Acht-Zimmer-Villa auf dem Zürichberg. "Alles funktioniert bestens", resümiert sie.
Sechs der acht Zimmer sind vermietet; die zwei übrigen Räume dienen als Gemeinschaftsräume. Die jüngste Mieterin ist 50 Jahre alt, die älteste ist die WG-Gründerin. Die Mieten liegen zwischen 1450 und 1700 Franken im Monat.
Auf die Wohnbedürfnisse von Menschen in der zweiten Lebenshälfte hat sich auch die Genossenschaft "Zukunftswohnen" in Wallisellen ZH spezialisiert. Rund ein Duzend Objekte mit auf ältere Menschen ausgerichteten Wohnungen verwaltet oder berät sie - oder hat eines dieser Angebote gegründet.
Oft würden Frauen als erste die Initiative zu einem Umzug in eine aufs Alter ausgerichtete Wohnung ergreifen, sagt Simone Gatti, Präsidentin von "Zukunftswohnen". Ein Grund liegt in der Demografie: Über die Hälfte der mehr als 65 Jahre alten Personen sind Frauen. Oft haben aber gerade auch Frauen tiefere AHV-Renten.
In Kloten entsteht zurzeit die Hausgemeinschaft "Ewiges Wegli". Sein Initiant ist der 77-jährige Ruedi Müller. Der Ex-Swissair-Angestellte hatte 2003 für sich und seine Frau eine geeignete Wohnung gesucht - und nicht gefunden. Er tat sich daher in der Folge mit Gleichgesinnten zusammen.
Bedarf ist vorhanden. Bezugsbereit ist die Liegenschaft Anfang Juli. Gerade noch eine Wohnung ist zu vermieten. Die Mietzinse liegen zwischen 1370 und 1570 Franken.
Tessin: Drei Viertel wohnen selbständig
Autonomie halten auch die Tessinerinnen und Tessiner hoch, wenn sie ins Rentenalter kommen. Drei Viertel von ihnen wohnen selbständig. Zurzeit gibt es in den 68 Altersheimen im Kanton 4377 Betten. Bis 2015 sollten die Platzprobleme mit weiteren 500 Betten behoben sein.
Denn auch im Südkanton spüren die Behörden den demografischen Druck. Zum Vergleich: In den 80er Jahren gab es im Tessin erst 15 Altersheime. Von den heutigen 68 Heimen subventioniert der Kanton 57. Wegen der prognostizierten Zunahme an alten Menschen - im Jahr 2020 sollen es 7,2 Prozent der Gesamtbevölkerung sein (2003: 5,1%) - will der Kanton die Strukturen zur Betreuung ausbauen.
"Wir sind dabei, die Anpassungen bis 2010 umzusetzen", hält die kürzlich wiedergewählte Gesundheitsdirektorin Patrizia Pesenti fest. Neben der Planung für den Neu- oder Ausbau von Heimen investiert der Kanton in die Spitex. Sehr aktiv ist etwa auch der Verein des Dritten Alters "ATTE".
Mit über 10'000 Mitgliedern ist ATTE der grösste Verein dieser Art im Tessin. Im ganzen Kanton betreibt er Freizeitzentren, leitet die Universität fürs Dritte Alter, organisiert Ferien, Reisen und andere Veranstaltungen.
Auch im Tessin sei die Grossfamilie, in der mehrere Generationen unter einem Dach lebten, nicht mehr sehr verbreitet, sagt Pesenti. Dennoch setzt die Sozialministerin nach wie vor auf das Engagement der Familienmitglieder füreinander. Dies unterstützen auch die Altersheime - etwa mit "Ferienplätzen" für betagte Externe.
Notiz: Diese Meldung erscheint im Rahmen des Projektes Discours Suisse. Hinter diesem Projekt, das zur Verständigung zwischen den Sprachregionen beitragen will, stehen das Forum Helveticum, das Netzwerk Müllerhaus und die SDA. Einzeltexte aus den Regionen sind ab dem 26. April im Internet unter www.discours-suisse.ch zu finden. Die Email-Adresse lautet info@discours-suisse.ch. -- Folgen drei Extra.
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