Discours Suisse - Behinderte in der Schule: Romandie - Der lange Weg von der Ausgrenzung zur Integration
Genf (sda/ots) -
Die Kantone der Westschweiz haben in den letzten Jahren die Integration von behinderten Kindern in den Primarschulen stark vorangetrieben. Die Zeiten der Ausgrenzung sind mittlerweile weitgehend passé.
Gut illustrieren lässt sich der Paradigmawechsel am Kanton Genf. Dieser hat vor kurzem ein Gesetz erlassen, das die Integration von behinderten Kindern und Jugendlichen in der obligatorischen Schule fördert.
Bis dato hatte nicht nur Genf, sondern die Mehrheit der welschen Kantone, behinderte Kinder in spezialisierten Instituten untergebracht. Auf Integration setzte man nur dann, wenn ein Kind bestimmte Fähigkeiten an den Tag legte.
Der Trend zur Ausgrenzung verstärkte sich mit zunehmendem Alter der Kinder: Auf der Stufe der Mittelschule nahm die Anzahl der Schüler mit Handicap deutlich ab.
Wallis ging neue Wege
In Sachen Integration war in der Romandie das Wallis wegweisend. Eine Vorreiterrolle nahm die Stadt Martigny ein, in der sich in den 1970er Jahren Widerstand gegen die Ausgrenzung von behinderten Kindern zu regen begann.
Seit 1991 ist die schulische Integration von behinderten Kindern im Wallis gesetzlich geregelt. Pädagogisch-therapeutische Sondermassnahmen werden einzig mit dem Ziel getroffen, den Kindern eine Kompensation ihrer Handicaps zu ermöglichen.
Die Zielsetzungen werden dabei den Umständen angepasst. Kinder mit leichten Behinderungen nähern sich in Fächern wie Französisch oder Mathematik häufig den offiziellen Vorgaben. In anderen Fällen gibt man sich mit generelleren Zielen wie Wahrnehmung, Raum- und Zeitverständnis oder Motorik zufrieden.
Teil- und Vollintegration im Jura und in Freiburg
Im Kanton Jura wiederum besuchen derzeit zwölf Kinder im Alter von 4 bis 8 Jahren mit physischen oder psychischen Behinderungen ganz- oder teilweise den normalen Schulbetrieb. Ziel ist es, die Behinderten dank Fördermassnahmen so gut wie möglich zu integrieren.
Aehnlich geht der Kanton Freiburg vor, wo das Integrationsprinzip seit 15 Jahren gesetzlich verankert ist. Auch hier kann die Integration ganz oder teilweise erfolgen. Die Anzahl der "integrierten Kinder" ist so von 11 im Jahre 1999 auf 195 (2008) gestiegen, wie die für die Sonderpädagogik zuständige Fouzia Rossier sagt.
Durch den im Januar 2008 in Kraft getretenen Neuen Finanzausgleich (NFA) und die damit verbundene Neuverteilung von Aufgaben hat die Einschulung von Behinderten laut Rossier neuen Schwung erhalten. In Freiburg wurde eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, mit dem Ziel, bis 2011 ein neues schulisches Integrationskonzept zu erarbeiten.
Polemik in Neuenburg
Im Kanton Neuenburg wiederum ist wegen der Finanzierung des Unterrichts für Behinderte ein Streit entbrannt. Der Staatsrat hat in seinem Budget für das Jahr 2009 den Gemeinden rund 15 Mio. Franken zusätzlich aufgebürdet.
Finanzdirektor Jean Studer ist der Ansicht, dass die Gemeinden mehr zu den Lohnkosten für die Lehrkräfte sowie zu allgemeinen Integrationsmassnahmen beitragen müssten.
Behinderte kämpfen für ihre Rechte
Als Fazit kann man folgendes festhalten: In der Westschweiz ist man sich weitgehend einig, dass die schulische Integration von Behinderten Vorteile bringt. Nichtsdestotrotz kommt es wegen der Finanzierung und des Bildungsangebots immer wieder zu Unstimmigkeiten.
Neu ist, dass sich die Behinderten mittlerweile offen gegen die verschiedenen Formen der Diskriminierung zur Wehr setzen, indem ihre Interessensvertreter in die politischen Debatten eingreifen.
Es mangelte in den letzten 30 Jahren nicht an Beispielen, die davon zeugen, dass es Behindertenorganisationen gelang, die Behörden zu einem Umdenken zu Gunsten der Integration von körperlich und geistig behinderten Kindern zu bewegen.
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