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Journalisten müssen jetzt Scheinwerfer auf China richten

Wien (ots)

Tote in Tibet, Olympische Spiele in Peking - wie
gehen die Journalisten damit um? Beim European Editors Forum 2008 
diskutierten heute im Wiener Rathaus der Europa-Gesandte des Dalai 
Lama, Kelsang Gyaltsen, und Chefredakteure europäischer Medien unter 
der Leitung von "Presse"-Chefredakteur Michael Fleischhacker über die
zu erwartende journalistische Gratwanderung der nächsten Monate.
"Wir dürfen das Licht nicht ausknipsen, sondern müssen vielmehr 
unsere Scheinwerfer auf die dunklen Seiten in China richten, sagte 
Andreas Cichowicz, Chefredakteur des NDR und für die ARD für die 
Chinaberichterstattung zuständig, auf die Frage, ob ein Boykott das 
angemessene Mittel der westlichen Welt auf die Vorgänge in Tibet sei.
Diese Haltung unterstützte auch Gyaltsen, der den Medien allerdings 
vorwarf, dass sie in den zurückliegenden Jahren die unmenschliche 
Entwicklung in Tibet überhaupt nicht berücksichtigt haben. Der 
Chefredakteur der Schweizer Tageszeitung "Le Matin", Peter 
Rothenbühler, nahm diese Kritik an: "Es stimmt, unsere Frauen lesen 
mit Begeisterung die Bücher des Dalai Lama und er ist unbestritten 
eine der weltweit ganz großen charismatischen Figuren, aber getan 
haben wir für die Anliegen Tibets nichts."
Intensiv wurde beim Editors Forum, das traditionell der Höhepunkt 
am letzten Tag beim European Newspaper Congress ist, über die Rolle 
des IOC diskutiert. "Was wir eben erleben, ist eine riesige 
Heuchelei", sagte der Informationsdirektor des ORF, Elmar Oberhauser.
Das IOC habe vollkommen versagt, denn man wusste ganz genau, was in 
Tibet passiert. "Herr Rogge hätte zehn Jahre lang Zeit gehabt, auf 
die Probleme aufmerksam zu machen, und man hätte in letzter 
Konsequenz die Olympischen Spiele erst gar nicht an China vergeben 
dürfen", sagte Oberhauser. Und im übrigen könne man schon gespannt 
sein, wie wir uns in einigen Jahren mit demselben Thema beschäftigen 
werden, dann aber in Tschetschenien. Er sei grundsätzlich dafür, dass
die Spiele in China stattfinden, sagte Rothenbühler, weil China 
derzeit einer der weltweit spannendsten Schauplätze sei. "Es ist 
allerdings völlig falsch, politische Anliegen an China an das IOC und
die Sportler zu delegieren. Das IOC ist eine undemokratische, leicht 
korrupte und von Geld gesteuerte Organisation"; sagte der "Le 
Matin"-Chefredakteur.
Dass die Olympischen Spiele 2008 in Peking stattfänden, sei sehr 
wohl eine politische Entscheidung und daher könne man sich auch nicht
auf Sportberichterstattung reduzieren, erklärte Uwe Vorkötter, 
Chefredakteur der "Frankfurter Rundschau". Man müsse sich aber  
ernsthaft fragen, ob die Redaktionen auf diese Situation ausreichend 
vorbereitet seien. NDR-Chefredakteur Cichowicz sieht für die ARD 
diese Hausaufgabe als erledigt an. Bereits 2007 habe die ARD das 
Studio in Peking auf vier Reporter aufgestockt, drei davon sind 
übrigens Frauen. Mit Sorge beobachte er aber den wachsenden Druck in 
Deutschland. Kritische Fragen an die Wirtschaft und an Sponsoren, wie
sie mit der aktuellen Situation umgehen, hätten dem NDR bei 
Volkswagen großen Ärger eingebracht. Interviews der 
NDR-Sportberichterstatter würden derzeit konsequent von VW 
verweigert.
Dass die Eröffnung der Spiele 2008 in Peking eine "Eröffnung der 
leeren Stühle wird", träumt Rubina Möhring, Vizepräsidentin von 
Reporter ohne Grenzen. Auch der Europa-Gesandte des Dalai Lama mahnte
die Regierungschefs in der Wahl ihrer Gesten. China fürchtet den 
Gesichtsverlust, wenn die Chefs nicht zur Eröffnung der Spiele kommen
würden. Er selbst fürchte aber, dass nach diesem Sommer in Tibet noch
alles viel schlimmer kommen wird. "Die Chinesen werden alles 
unternehmen, dass es nie wieder eine Erhebung der Tibeter geben wird,
so wie wir sie derzeit erleben"; sagte Gyaltsen.
Noch bis heute Nachmittag tagen mehr als 500 Chefredakteure und 
Führungskräfte aus europäischen Zeitungsverlagen beim größten 
europäischen Zeitungskongress in Wien.
Pressekontakt:

Pressekontakt:

Thomas Hofbauer, Tel. 0043/676/922 36 27

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