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12. European Newspaper Congress in Wien: Die Revolution der Mediengesellschaft

Wien (ots)

Wien - Nur eine Revolution der Verhältnisse in der Welt der Medienmacher könne den unerlässlichen Übergang von der traditionellen Print-Gesellschaft zu der im Moment durch Internet und iPad dominierten Informationsgesellschaft ermöglichen. Mit dieser Forderung vollzog Carlo Campos (Media Consulting Group, London) in seinem Grundsatzbeitrag zum Start des "European Newspaper Congress" in Wien gewissermaßen einen Bruch mit allem, was bisher war oder noch ist. Die Verlagschefs hätten noch immer die zweifellos guten und komfortablen Produktionsverhältnisse aus der Print-Wirtschaft im Kopf und wollten auf dieser Basis die Herausforderung bestehen. So als ob man die unterschiedlichen Inhalte und unterschiedlichen Medien noch immer in einzelne Boxen platzieren und ohne Verbindung miteinander beherrschen könnte.

Beim "European Publishers Forum" am Montag skizzierte Campos, was heute nötig sei: Es gehe nicht um Produktionsformen, sondern um die Bedürfnisse der Kunden. Diese seien auch bereit, für die Befriedigung der Bedürfnisse zu zahlen. "Jeder Leitartikel muss sich auf dieses Bedürfnis konzentrieren", sagte er. Früher habe man von Marketing gesprochen, heute nenne man es "Brand" oder auch "market intelligence". Die Kunden brauchen etwas, was auf allen technischen Ebenen problemlos funktioniert. Alle Beteiligten müssten auf dieses Ziel hinarbeiten und Geld damit verdienen.

Print gegen Online sei eine falsche Frontstellung. "Wir brauchen Newsrooms, die ständig im Beta-Zustand, also in der Veränderung begriffen sind." Das setze voraus, dass die redaktionellen Abläufe durch Technologie-Direktoren gesteuert würden, die sich gut auskennen und permanent entwickeln. "Wir sind im Weingeschäft und nicht im Abfüllgeschäft." Unter den Kriterien für brauchbare Inhalte zählte Campos auf: unique contents, Brauchbarkeit, Bequemlichkeit, gute Zusammenfassung von Zusammenhängen, überraschende Erfahrungen. Die Information müsse auf verschiedenen Plattformen verschieden präsentiert werden, aber möglichst immer einzigartig sein.

Auch für Alfredo Trivino, der in London einen "Daily" exklusiv für den Tablet-Gebrauch gegründet hat, ist grundsätzlicher Bewusstseinswandel selbstverständlich. Man dürfe nicht außer Acht lassen, dass 60 Prozent der iPad-User sich früher oder später ganz von der gedruckten Zeitung abwenden, Kannibalisierung sei Tatsache. Für die Zeitungshäuser könne das dennoch zum Vorteil werden, wenn sie rasch genug die entsprechenden Applikationen anbieten, die den Usern neuartige Erlebnisse und Möglichkeiten verschaffen. Als Beispiel nannte er den prominenten Anbieter von Wirtschaftsinformationen Bloomberg, der Sport-Apps bereitstelle und so den Bewegungsspielraum der Kunden erweitere. Immer komme es jedoch auf den Inhalt an. "Unsere Konkurrenz ist nicht die Zeit, sondern das Interesse." Die technische Bedienung dürfe dabei nicht zum Hindernis werden. "Alle Medien müssen auf alle Plattformen passen. Wir schreiten vom Zeitungszeitalter in das Medienzeitalter. Für Schablonenjournalismus sei kein Platz mehr."

Dieser Sicht schloss sich Peter Hogenkamp von Zürich Web an. "Ich muss von jedem Device auf die Seiten kommen, also auch den ,Spiegel' auf iPhone herunterladen können", sagte er. Das iPad werde vermutlich derzeit überschätzt - in zehn Jahren würden die Geräte ganz anders aussehen.

In der darauffolgenden Diskussion ergab sich eine unerwartete Frontstellung. Die "Technik-Freaks" stießen auf Kirsten Annette Vogel vom TOP.IfM Institut für Medienprofis, die feststellte, dass es nicht nur um Technik, sondern um Menschen ginge, sowohl um Journalisten als auch so genannte User. Sie seien durch die Geschwindigkeit und die Fülle des Gebotenen überfordert. "Der Mensch will noch immer etwas in der Hand halten. Es fehlt die Berührung." Hogenkamp replizierte. "Ich kann mit dem Overload relaxed umgehen", und verwahrte sich gegen "Gefühlszeug". Diskussionsleiter Michael Grabner (Michael Grabner Media) versuchte zu vermitteln: Seien es nicht gerade die Regionalmedien, die die menschliche Nähe schaffen und immer bedeutsamer würden?

Pit Gottschalk von der Axel Springer AG und Christian Lindner, Chefredakteur der "Rhein-Zeitung", wandten sich wieder dem Medienalltag zu. Bei Springer habe kein Journalistenanwärter eine Chance, der noch nicht twittere und blogge (Gottschalk). Es gebe nicht "Internetspezialisten und die anderen", sondern alle müssten den Anforderungen gewachsen sein. Internetspezialisten auf eine Insel zu setzen habe keinen Sinn, sagte Lindner.

Veranstalter des Kongresses sind der Medienfachverlag Oberauer und der deutsche Zeitungsdesigner Norbert Küpper. Mitveranstalter ist die Stadt Wien. Unterstützt wird der Kongress von der der Tageszeitung "Die Presse", von Japan Tabacco International (JTI), der Bank Austria und der Vienna Insurance Group.

Der Kongress endet morgen. Das komplette Programm: www.newspaper-congress.eu

Kontakt:

Johann Oberauer, Tel. 0043 664 2216643

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