Schlussbericht Unabhängige Untersuchung Schweizerischer Fussballverband: SFV hätte handeln können und müssen
Zürich (ots)
Die Unabhängige Untersuchung des Schweizerischen Fussballverbandes durch den Luzerner Rechtsanwalt und alt Regierungsrat Ulrich Fässler ist abgeschlossen. In seinem Schlussbericht kommt Fässler zum Resultat, dass der Schweizerische Fussballverband im Zusammenhang mit der "Affäre Frei" schneller und professioneller hätte handeln können und müssen. Die offizielle Delegation des SFV sei nicht auf den Portugalaufenthalt vorbereitet gewesen, zudem seien Kompetenzkonflikte auszumachen und Führungsfehler begangen worden. Sie kannte aber die Wahrheit nicht.
Der Schweizerische Fussballverband beauftragte den Luzerner Rechtsanwalt Ulrich Fässler mit einer Unabhängigen Untersuchung zur so genannten "Spuckaffäre", die durch eine grobe Unsportlichkeit des Nationalspieler Alex Frei an der Europameisterschaft in Lissabon ausgelöst wurde. Heute präsentierte Fässler seinen Schlussbericht.
Ratsuche bei Benoit löste Affäre aus
"Die Eigentliche Ursache für die Entwicklung dieser Affäre begann bei der Ratsuche von Alex Frei bei Kommunikationschef Pierre Benoit und der darauf folgenden Absprache zwischen den Beiden, den wahren Sachverhalt geheim zu halten und konsequent zu bestreiten", führte Fässler aus. Ziel davon sei es gewesen, dass Alex Frei im Spiel gegen Frankreich eingesetzt werden könne. Ab diesem Zeitpunkt seien die beiden Gefangene ihrer eigenen Strategie gewesen. "Frei war intern und extern zum Lügen verurteilt, Benoit kam in einen unlösbaren Konflikt zwischen der Absprache mit Frei und seinen Verpflichtungen als Kommunikationschef des SFV", meinte Fässler.
Pierre Benoit trägt Verantwortung
In seinem Schlussbericht zeigte Fässler auf, dass Kommunikationschef Pierre Benoit für die verhängnisvolle Entwicklung der Spuckafffäre die Verantwortung trägt. Benoit kannte in der kritischen Phase den wahren Sachverhalt und habe es unterlassen, den Präsidenten Ralph Zloczower, die Mitglieder der offiziellen Delegation und die Mitglieder der technischen Delegation zu informieren. Er habe seine Loyalitätspflichten gegenüber dem Verband verletzt und damit erheblichen Schaden verursacht. "Als Kommunikationschef hatte er, mangels Führung, grossen Freiraum. Seine Kompetenzen waren nicht klar abgesteckt", führte Fässler weiter aus.
Mangelnde Vorbereitung und Führungsversagen der SFV-Delegation
Bereits die ersten Bilder hätten die Verbandsverantwortlichen aber misstrauisch machen und zu einer vertieften Abklärung veranlassen müssen. In jedem Falle hätte man sich aber auf die grundsätzlichen Aufgaben der Verbandsführung besinnen müssen, nämlich für fairen Sport sowie einen einwandfreien Auftritt von Nationalmannschaft und SFV-Delegation zu sorgen. Die offizielle Delegation des SFV sei für Führungsaufgaben während des Aufenthalts in Portugal nicht vorbereitet gewesen, meinte Fässler. So seien beispielsweise keine Pflichtenhefte erstellt worden. Schwer nachvollziehbar sei, dass niemand aus der Delegation, in der kritischen Phase, ein intensives Gespräch mit Alex Frei suchte. "Auch nach dem Eintreten der eigentlichen Krise beim Bekanntwerden der eindeutigen Bilder änderte sich das Führungsverhalten der offiziellen Delegation nicht. Erneut verzichtete der SFV auf eine sorgfältige Analyse der Situation und entsprechende Massnahmen. Dieses Vorgehen muss als erheblicher Führungsfehler qualifiziert werden", schreibt Fässler in seinem Bericht.
Glaubwürdige Kommunikation war nicht mehr möglich
Angesichts des Verhaltens von Kommunikationschef Pierre Benoit sei eine gute und glaubwürdige Kommunikation durch den SFV gar nicht mehr möglich gewesen. Das Misstrauen der Medien sei laufend grösser geworden und auch die Auftritte des SFV Präsidenten Ralph Zloczower konnten das Vertrauen nicht wieder herstellen. Die Medien, insbesondere SF DRS, wurden zunehmend zum Feind gestempelt.
Die Rolle von SF DRS
Das Untersuchungsergebnis zeige, dass Pierre Benoit in der kritischen Zeit (Freitag/Samstag) auf telefonische Anfrage bei SF DRS Auskünfte bekam, aus denen er schliessen durfte, dass es keine weiteren belastenden Bilder gäbe. Tatsächlich existierten aber Bilder, von denen aber auch die Verantwortlichen von SF DRS zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten. Die Bilder seien ein Zufallsfund eines Technikers gewesen. "Der Verband wurde rund eine Stunde vor der ersten Ausstrahlung der Bilder über deren Vorhandensein informiert, was ausserordentlich knapp war. Dass diese Bilder - in der gegebenen Situation - noch am selben Tage ausgestrahlt werden mussten, war zwingend. Dass man dem Verband mit der kurzfristigen Ausstrahlung kaum eine Chance zur sorgfältigen Beurteilung der neuen Situation gab, liegt ebenfalls auf der Hand. "Es wäre ohne Einschränkung der Medienfreiheit und Informationspflicht möglich und ein Akt der Fairness gewesen, dem Verband mehr Zeit zu geben", schreibt Fässler in seinem Bericht. Die Kritik, SF DRS hätte die belastenden Bilder gar nicht ausstrahlen dürfen, sei fehl am Platz. "SF DRS war medienrechtlich und gemäss den eigenen publizistischen Leitlinien zur Veröffentlichung verpflichtet. Zeitpunkt sowie Art und Weise der Ausstrahlung sind allerdings diskutabel", meint Ulrich Fässler.
Lehren aus der Affäre Frei
"Aus dem Verhalten der SFV-Delegation in Portugal sind Symptome für Schwächen und Probleme in den Bereichen, Führung, Teamverhalten, Kommunikation und Kompetenzabgrenzungen zu erkennen", resümiert Fässler. Bei folgenden Punkten sieht Untersuchungsleiter Ulrich Fässler für die Führung des SFV Handlungsbedarf: Konzeptionelle Fragen müssten beantwortet, die anstehenden Reformprojekte umsetzungsreif gemacht und zur Entscheidung geführt werden. Weiter seien die Pflichtenhefte, Zuständigkeiten und Kompetenzen im Zentralvorstand und im technischen Bereich zu prüfen. Ebenfalls als notwendig erachtet es Ulrich Fässler, dass künftige Einsätze von Delegationen bei grossen Anlässen sorgfältig geplant würden: Es brauche Programme, Aufgabenzuteilungen und Pflichtenhefte. Das Kommunikationskonzept sei zu überprüfen und auch auf ausserordentliche Situationen auszurichten. Weiter wird dem SFV in Fässlers Schlussbericht empfohlen, den Zentralvorstand mit neuen Kräften zu ergänzen. Auch über die weitere Zusammenarbeit mit Kommunikationschef Pierre Benoit müsse der SFV kurzfristig entscheiden.
Als sinnvoll erachtet Fässler für den Zentralvorstand des SFV eine professionell unterstützte Teamentwicklung, was auch dem eigenen Wunsch des SFV nach einer Mediation entsprechen würde. Weiter seien die Beziehungen zu den Hauptpartnern (Sponsoren, Medien, insbesondere SF DRS) gemeinsam mit diesen zu prüfen und zu verbessern.
"Ich hoffe, dass mit diesem Schlussbericht die Spuckaffäre zu einem Ende kommt und dass sowohl die Medien, wie auch die Öffentlichkeit, dem Schweizerischen Fussballverband Zeit lassen, in den nächsten Monaten ohne Druck von Aussen, die Empfehlungen des vorliegenden Berichtes zu prüfen, die Problembereiche zu definieren, das weitere Vorgehen festzulegen und zeitgerecht die notwendigen Korrekturen anzubringen", führte Fässler abschliessend aus.
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