Parteipräsidenten im Visier der Landwirtschaft
Brugg (ots)
Im Kursaal Bern fand heute die Delegiertenversammlung des Schweizerischen Bauernverbandes statt. Hauptthema war einmal mehr das Reformpaket der Agrarpolitik 2011, deren Vernehmlassung Mitte Dezember zu Ende geht. Verschiedene Delegierte gaben in der Diskussion ihren Sorgen und Anliegen in diesem Zusammenhang Ausdruck. Höhepunkt der von 317 Delegierten sowie zahlreichen Gästen besuchten Versammlung war eine Podiumsdiskussion mit den Präsidenten der Bundesratsparteien (Elefantenrunde) zur Zukunft der Landwirtschaft und der Agrarpolitik.
In seiner Eröffnungsansprache erinnerte Präsident Hansjörg Walter an die eindrückliche Bauernkundgebung vor einer Woche. An dieser protestierten 10'000 Bäuerinnen und Bauern gegen eine überbordende Liberalisierung im Rahmen der WTO-Verhandlungen, gegen ein Freihandelsabkommen im Agrarbereich mit den USA sowie gegen die aktuelle Form der AP 2011. Diese drei Themen dominierten auch die Einführung von Walter. Er wiederholte nochmals die Hauptforderungen der Landwirtschaft: Wir brauchen finanzielle Mittel wie sie ursprünglich in der AP 2007 vorgesehen waren. Die Marktstützungsmassnamen müssen weiter geführt, die Produktionskosten gesenkt und die Preistransparenz erhöht werden. Wir wollen auch die Paralandwirtschaft aufwerten und die Kernelemente des Boden- und Pachtrechts beibehalten. Der höchste Bauer richtete einen Appell an den Bundesrat: Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie den Verfassungsauftrag ernst nimmt und für die Landwirtschaft einsteht. Er erinnerte weiter an die Erfolge, welche die Landwirtschaft erringen konnte. Dazu gehören auf politischer Ebene die Beibehaltung der Treibstoffzollrückerstattung oder die Annahme der Erweiterung der Personenfreizügigkeit.
Die eigentlichen Traktanden der Delegiertenversammlung verliefen ohne spezielle Vorkommnisse: Das Protokoll der letzten DV, der Jahresbericht 2004, das Tätigkeitsprogramm 2006 sowie die Jahresbeiträge 2006 wurden genehmigt. Die Delegierten haben Charles Aebersold (LOBAG), Erich von Siebenthal (LOBAG), Markus Ritter (St. Galler Bauernverband), Samuel Keiser (Bauernverband SO), Walter Müller (VSGP), Christian von Känel (SMP) und Jean-Paul Lachat (AGORA) neu in die Landwirtschaftskammer gewählt.
In der Elefantenrunde im Anschluss an die eigentliche DV gingen die Präsidenten der FDP und der SP mit der Landwirtschaft hart ins Gericht: Wir erwarten von der Landwirtschaft eine eigene Strategie und konkrete Lösungen. Dabei dürfen die anderen, bedeutenden Wirtschaftszweige nicht geschwächt werden, meinte FDP-Präsident Fulvio Pelli. Sein SP-Kollege Hans-Jörg Fehr ergänzte: Man kommt nicht darum herum festzustellen, dass die Schweizer Landwirtschaft eine teure Angelegenheit ist. Störend findet Fehr, dass es unter den Landwirtschaftsvertretern im Parlament viele Sparer hat. Diese würden überall, auch bei anderen benachteiligten Gruppen, den Rotstift ansetzen, nur bei der Landwirtschaft nicht: Solidarität ist keine Einbahnstrasse. Viel versprechend äusserte sich Doris Leuthard, Präsidentin der CVP: Wir stehen zum Verfassungsartikel und zur Multifunktionalität. Damit diese auch weiterhin gewährleistet ist, verlangen wir eine Erhöhung des Rahmenkredits um 450 Millionen Franken. Sie äusserte sich weiter positiv zur Aufrechterhaltung der Marktstützungsmassnahmen. Die CVP würde eine Verkäsungszulage von 15 Rp./kg sowie die Beibehaltung der Siloverbotszulage unterstützen. Sehr unzufrieden mit der aktuellen Version der AP 2011 ist der SVP-Präsident Ueli Maurer: Die AP 2011 müsste dort ansetzen, wo bereits heute die grössten Defizite bestehen, das heisst im ökonomischen Bereich. Der Staat könne es sich nicht leisten, eine ganze Berufsgruppe wirtschaftlich abzukoppeln. Deshalb werde die SVP die Botschaft voraussichtlich zurückweisen. Grundsätzlich fordere seine Partei eine langfristige Perspektive für die Landwirtschaft. Genügend finanzielle Mittel, eher Preisstützung als Erhöhung der DZ sowie bessere Rahmenbedingungen seien dafür notwendig. Einem Freihandelsabkommen will Maurer zustimmen, wenn die Landwirtschaft ausgenommen wird. Verluste von über 1.5 Mrd. Fr. seien für die Bauernfamilien nicht tragbar.
Die Diskussion zeigte, dass zwischen den Parteien bei gewissen Themen grosse Differenzen bestehen, zum Beispiel was die Zulassung von Parallelimporten betrifft. Während Fehr sich engagiert dafür einsetzte, lehnte Pelli eine solche genauso vehement ab. Einigkeit herrschte unter den Parteipräsidenten, dass der Strukturwandel in der Landwirtschaft weiter gehen muss, aber dies in einer sozial verträglichen Form.
Mit der Elefantenrunde hat der SBV etwas Neues gewagt. Allein schon die Tatsache, dass die Parteipräsidenten sich einmal intensiv mit der Landwirtschaftspolitik auseinandersetzen und sich der bäuerlichen Basis stellen mussten, lohnte die Durchführung.
Rückfragen: Hansjörg Walter, Präsident SBV, Mobile 079 404 33 92 Jacques Bourgeois, Direktor SBV, Mobile 079 219 32 33 Urs Schneider, Stv. Direktor SBV, Mobile 079 438 97 17 Sandra Helfenstein, Mediensprecherin, Mobile 079 826 89 75 www.sbv-usp.ch