Neue Therapiemöglichkeiten nach Hirnschädigungen
Forschungspreis der Schweizerischen Hirnliga für Prof. Anthony Holtmaat (Universität Genf)
Bern (ots)
Die Schweizerische Hirnliga prämiert alle zwei Jahre eine ausserordentliche Leistung im Bereich der Hirnforschung. In diesem Jahr geht ihr Forschungspreis in der Höhe von 20'000 Franken an Anthony Holtmaat und sein Team der Universität Genf. Erstmals konnten die Forscher zeigen, wie sogenannte «stumme» Neuronen im Gehirn an Lernprozessen teilhaben. Diese Erkenntnisse bilden die Grundlage für neue Therapiemöglichkeiten nach Hirnschädigungen.
Nervenzellen im Gehirn kommunizieren über elektrische Impulse. Wenn sie wiederholt Informationen austauschen, verstärkt das ihre Verbindungen (Synapsen). Dieser Vorgang ist Voraussetzung für Wahrnehmung, Lernen und Erinnern - so dachte man bis heute. Erstmals hat eine Forschergruppe um Anthony Holtmaat an der Universität Genf nun gezeigt, dass auch Sinnesreize aus der Umwelt, die nur sehr leichte elektrische Impulse in den Neuronen auslösen, Synapsen verstärken können. Das betrifft sogenannte «stumme» Neuronen, deren Verbindungen zueinander zu schwach sind, um Impulse auszutauschen. Diese Erkenntnisse haben weitreichende Folgen für unser Verständnis von Lernprozessen und für die Rehabilitation nach Hirnschlag oder Hirnerkrankungen.
Seit den 70er-Jahren wird vermutet, dass das wiederholte Verstärken von Synapsen die Grundlage von Lernen und Erinnern ist. Man nahm an, dass dieser Vorgang denjenigen Nervenzellen vorbehalten sei, die durch elektrische Signale miteinander kommunizieren. Anthony Holtmaat, Fréderic Gambino, Stéphane Pagès, Vassilis Kehayas, Daniela Baptista, Roberta Tatti und Alan Carleton konnten nun erstmals überhaupt nachweisen, dass sehr schwache Sinnesreize ausreichen, um Synapsen längerfristig zu verstärken - auch zwischen stummen Nervenzellen. Je mehr deren Synapsen verstärkt werden, desto höher ist die Chance, dass die Nervenzellen «erwachen» und beginnen, miteinander zu kommunizieren. Sie werden dann zu vollwertigen Teilnehmern in einem neuronalen Netzwerk. Diese Erkenntnisse Holtmaats und seines Teams widerlegen damit ein lange geltendes Dogma.
Für ihre bemerkenswerte Studie wurden die Forscher um Anthony Holtmaat mit dem Forschungspreis der Schweizerischen Hirnliga in der Höhe von 20'000 Franken ausgezeichnet. Ihre Erkenntnisse bergen enormes Potential für therapeutische Möglichkeiten nach Hirnschädigungen. Die Studie legt nahe, dass weniger aktive Synapsen und stumme Nervenzellen gezielt stimuliert werden könnten. Dadurch wären sie in der Lage, die Funktionen geschädigter Hirnareale zumindest teilweise zu übernehmen.
Weitere Informationen zur prämierten Forschungsarbeit und Bilder zur Illustration befinden sich auf der Website der Schweizerischen Hirnliga (www.hirnliga.ch > Forschungspreis).
Die Verleihung des mit CHF 20'000.- dotierten Forschungspreises findet am Mittwoch, 16. März 2016, um 19.00 Uhr an der Universität Genf (Rue Général-Dufour 24, Auditoire Piaget (U600)) statt. Zwei der Preisträger werden anlässlich der Woche des Gehirns dort über ihre Forschung berichten und stehen den Medien für Interviews zur Verfügung. Der Anlass ist öffentlich.
Die schweizerische Hirnforschung gehört zur Weltspitze. Vor diesem Hintergrund haben engagierte Wissenschaftler 1995 die Schweizerische Hirnliga gegründet. Sie hat es sich zum Ziel gemacht, die Hirnforschung in der Schweiz zu unterstützen und die Bevölkerung über Möglichkeiten zur Gesunderhaltung des Gehirns zu informieren. Alle zwei Jahre vergibt sie einen Forschungspreis für eine ausserordentliche Leistung im Bereich der Neurowissenschaften.
Für weitere Auskünfte:
Anthony Holtmaat
Professeur Associé
Département des neurosciences fondamentales
CMU
1 rue Michel Servet
1211 Genève 4
Tel.: ++41 22 378 54 28
Mail: Anthony.Holtmaat@unige.ch
Schweizerische Hirnliga
Gabriela Troxler
Postgasse 19
3000 Bern 8
Tel.: ++41 31 310 20 91
Mail: gabriela.troxler@hirnliga.ch