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Überzogene Ängste, Börsenkommentar "Marktplatz", von Dieter Kuckelkorn.

Frankfurt (ots)

Die neue Börsenwoche dürfte sicherlich eine der interessantesten im gesamten laufenden Jahr werden, gilt es doch, das Ergebnis der Wahlen in Griechenland vom Wochenende zu verdauen. Für den Wochenauftakt ist zunächst einmal mit kräftigen Reaktionen zu rechnen. Im Fall eines Sieges des linksradikalen Parteinbündnisses Syriza wird die Angst dominierend sein, dass nach einer Aufkündigung der Sparzusagen durch die neue griechische Regierung die Einstellung der Hilfen durch Europäische Union (EU) und Internationalen Währungsfonds (IWF) erfolgt und es in der Folge zu einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone kommt. Und im Fall eines Sieges der konservativen Nea Demokratia, die den radikalen Sparkurs des Lands mitträgt, wird es zu einer Erleichterungsrally kommen. Betroffen sein werden Aktien, der Euro und zweifellos die Bond- und Credit-Märkte. Die Frage ist aber, wie lange die vermutlich markant ausfallenden Kursausschläge Bestand haben werden.

Eine Erleichterungsrally dürfte, dies zeigen die Erfahrungen im Rahmen der Krise, vermutlich nicht lange anhalten. Es ist damit zu rechnen, dass die zahlreichen ungelösten Probleme Griechenlands und der anderen hochverschuldeten EU-Staaten wie Spanien und Italien rasch wieder ins Bewusstsein der Marktteilnehmer vordringen, was nachhaltige Kursgewinne am Aktienmarkt oder des Euros eng begrenzen sollte. Dies hat aktuell auch die verhaltene Reaktion an den Märkten auf die Rettung der spanischen Banken durch die EU gezeigt.

Aber auch ein Wahlsieg der radikalen griechischen Linken wäre nicht aller Tage Abend. Er käme nicht aus heiterem Himmel, der europäische Bankensektor und die Staaten bereiten sich bereits seit einiger Zeit auf einen "Grexit", also den Austritt der Hellenen aus der Eurozone, vor. Ein solches Ereignis täte sicherlich weh, wäre aber vermutlich beherrschbar. Zudem argumentieren Analysten, dass beispielsweise der Aktienmarkt einen "Grexit" bereits teilweise vorweggenommen hat. Eine weiter um sich greifende Risikoaversion könnte als Kontraindikator dann eventuell sogar anzeigen, dass die Korrektur bei Aktien bald beendet ist. Dies erwarten jedenfalls die Analysten der Helaba.

Aus Sicht der Marktteilnehmer würde es im Falle eines Syriza-Wahlsiegs vor allem darauf ankommen, wie groß die Gefahr eines Auseinanderbrechens der gesamten Eurozone ist. Lässt sich diese Gefahr erkennbar eindämmen, besteht die Chance, dass die Verluste zumindest auf Wochensicht nicht allzu dramatisch ausfallen - zumal sich argumentieren lässt, dass es für die anderen EU-Länder durchaus vorteilhaft sein kann, wenn sie für die Rettung des mittlerweile fast schon als hoffnungsloser Fall geltenden Griechenland nicht mehr zuständig sind.

Außerdem ist zu erwarten, dass die Notenbanken in einer konzertieren Aktion mit weiteren umfangreichen Liquiditätsspritzen gegensteuern und so das Schlimmste an den Märkten kurzfristig verhindern werden. Die Bank of England hat bereits am Freitag den britischen Banken 100 Mrd. Pfund verabreicht. Auch die EZB dürfte in die Vollen gehen, falls sie dies als notwendig erachtet.

Nach Einschätzung der Analysten der Unicredit hat in der gerade beendeten Handelswoche pure Angst statt rationales Risikomanagement das Marktgeschehen geprägt. Die Angst vor einer Pleite Spaniens und der Ansteckung Italiens habe die Renditen von Staatsanleihen dieser Länder auf Niveaus katapultiert, die weder die Reformbemühungen noch die Schuldenlage adäquat widerspiegelten. Insofern, ließe sich ergänzen, kann die Stimmung möglicherweise kaum noch wesentlich negativer werden. Außerdem, so argumentiert Unicredit, wird jede mögliche griechische Regierung ausreichende Anpassungsmaßnahmen ergreifen, um sich die Unterstützung der Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank zu erhalten. Eine Abkehr von den Reformen hätte nämlich dramatische Folgen: Bei Einstellung der Zahlungen von EU und IWF ginge der Regierung in Athen binnen weniger Wochen das Geld aus. An die Staatsbediensteten könnte sie nur noch Schuldscheine ausgeben, was einen raschen Zusammenbruch der griechischen Wirtschaft zur Folge hätte. Dies dürfte dann wohl jede mögliche Regierung in Athen zur Räson bringen.

Letztlich ist also in der aktuellen Situation weder mit einer nachhaltigen Erholung noch - angesichts der bereits jetzt zumindest teilweise überzogenen Ängste - mit einem ausgeprägten Crash an den Märkten zu rechnen.

(Börsen-Zeitung, 16.6.2012)

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