Rally mit Haken, Kommentar zum Rekordhoch des Dax von Christopher Kalbhenn
Frankfurt (ots)
Eindrucksvoll ist dem Dax gestern der Durchbruch gelungen. Zwei Handelstage in Folge nur sehr knapp gescheitert, hat der Index seine fast sechs Jahre alte Bestmarke von 8152 überwunden und erst etwas oberhalb der Schwelle von 8200 Punkten Halt gemacht. Mit der Marke von 8000 und dem alten Rekord sind nun zwei Hürden beseitigt, sodass der Weg frei ist für einen Anstieg in Bereiche, die die Mehrheit der Analysten so schnell nicht erwartet hat. Die von den Optimisten für dieses Jahr prognostizierte Zone von 8500 bis 9000 Zählern rückt in greifbare Nähe.
Denn die Kräfte, die den Dax seit dem zurückliegenden Sommer antreiben, haben unvermindert Bestand. Die Entschärfung der Euro-Schuldenkrise durch die vom EZB-Präsidenten Mario Draghi in Aussicht gestellten unbegrenzten Anleihekäufe hat das Vertrauen der Investoren wieder hergestellt, ein Faktor der durch die Regierungsbildung in Italien kürzlich verstärkt worden ist. Vor allem aber stützen die Notenbanken die Aufwärtsbewegung durch extrem niedrige Zinsen und eine Liquiditätsschwemme, auch dies ein Faktor, der in der jüngsten Zeit noch verstärkt worden ist. Selbst ein überzeugter Anhänger von Saisonstrategien wird sich in einem solchen Umfeld schwer tun, sich getreu dem Motto "Sell in may and go away" gegen den Markt zu stellen und auszusteigen oder gar short zu positionieren.
Der Haken an der Aufwärtsbewegung ist, dass sie bislang - etwas überspitzt ausgedrückt - auf heißer Luft basiert. Nach wie vor sinken die Prognosen für die Unternehmensgewinne, sodass sich der Markt immer weiter verteuert. Beim neuen Rekordhoch lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis des Dax auf Basis der Prognosen für das laufendes Jahr bei 12,1, nachdem es fünf Monate zuvor noch 11,1 betragen hatte. Das ist noch nicht kritisch, aber der Markt hat die günstige Zone verlassen und wird bei weiteren Avancen bald eine anspruchsvolle Bewertung erreichen.
Es führt somit kein Weg daran vorbei, dass die Rally in absehbarer Zeit auch von den fundamentalen Rahmenbedingungen, d.h. von einer konjunkturellen Beschleunigung und wieder steigenden Gewinnen unterfüttert werden muss. Dies gilt umso mehr, als die Industrienationen mit jenen beispiellosen monetären Impulsen unterstützt werden und sich irgendwann die Frage stellen wird, was noch geschehen muss, damit sie in Schwung kommen. Bleibt die Belebung aus, wird sich der Mai vielleicht doch noch als der Monat mit den besten Ausstiegsgelegenheiten erweisen.
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