Die Bubble, die keine ist, Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn
Frankfurt (ots)
Der Dax eilt derzeit von einem Allzeithoch zum nächsten. Die Marke von 8300 Punkten ist am Freitag genommen worden, und mit einem Rekord von 8358 Punkten sieht es ganz danach aus, dass 8400 Punkte und noch mehr für den deutschen Leitindex kein größeres Problem darstellen sollten.
Allzeithochs am Aktienmarkt sollten Anleger stets misstrauisch stimmen. In den Jahren 2000 und 2007 hat der Dax nach dem Erklimmen des Rekordniveaus eine steile Talfahrt angetreten. Auch das aktuelle Allzeithoch führt daher unweigerlich zu der Frage, ob es sich am Aktienmarkt wieder einmal um eine Überbewertungsblase handelt, der ein tiefer Fall folgt.
Man könnte es bereits als ein deutliches Anzeichen einer Bubble werten, dass derzeit fast alle Aktienstrategen der Ansicht sind, dass es sich eben nicht um eine solche handelt. Ein wesentliches Merkmal einer Überbewertungsblase ist, dass die Mehrheit der Marktteilnehmer Illusionen hinsichtlich der zukünftigen Aussichten des Aktienmarktes unterliegt. Dies könnte also der Fall sein, zumal auch kurz vor dem Platzen der Dotcom-Blase die Mehrheit der Anleger und Analysten vom damaligen Ernst der Lage nicht überzeugt war. Ein weiteres wichtiges Indiz ist die Abkopplung eines von einer Bubble heimgesuchten Marktes von der gesamtwirtschaftlichen Realität. Nimmt man die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Eurozone als Maßstab, so ist dies in der Tat zu beobachten (vgl. Grafik). Der europäische Aktienmarkt floriert, obwohl die Eurozone von einer sich verschärfenden Rezession heimgesucht wird. Für das laufende Jahr wird ein Minus des BIP in den Euro-Ländern von 0,4% erwartet. Der Euro Stoxx 50 hat demgegenüber im laufenden Jahr bereits knapp 6% zugelegt, der Dax gar 9% - nach einer bereits atemberaubenden Performance im vergangenen Jahr.
Flutung der Märkte
Allerdings wird das Umfeld des Aktienmarktes derzeit auch durch die Niedrigzinspolitik der Notenbanken und vor allem die massive Flutung der Märkte mit Liquidität gekennzeichnet. In einem solchen Umfeld befinden sich große Mengen an Finanzkapital auf der Suche nach lukrativen Anlagen, die sich wegen der Minizinsen auf dem Anleihenmarkt kaum noch finden lassen. Aktien bieten hingegen aufgrund der guten Ertragslage der Unternehmen üppige Dividenden, sodass Aktieninvestments gegenüber Bonds unter Renditegesichtspunkten eindeutig die Nase vorn haben. Die euphorische Kursentwicklung an den Aktienmärkten spiegelt somit doch die Realität wider. Diese wird nämlich dadurch geprägt, dass Europäische Zentralbank, US-Notenbank Federal Reserve und Bank of Japan ihre Bereitschaft erkennen lassen, die Märkte bei Bedarf noch stärker zu fluten bzw. den Leitzins noch weiter nach unten zu schrauben.
Ein Ende der ultralockeren Geldpolitik der Notenbanken ist also nicht abzusehen. Insofern gibt es momentan für Aktienanleger auch keinen Grund, die Notbremse zu ziehen und auszusteigen. Inflationsgefahren, die einen Kurswechsel der Zentralbanken erzwingen und damit auch die Rally an den Aktienmärkten gefährden würden, haben sich jedenfalls aufgrund des gebremsten bis nicht mehr vorhandenen Wirtschaftswachstums verflüchtigt.
Mechanismus gestört
Zumindest für die Aktienmärkte ist derzeit nur von untergeordneter Bedeutung, dass der geldpolitische Transmissionsmechanismus der Notenbank seine Funktionsfähigkeit zumindest in Europa längst eingebüßt hat. Der rasante ökonomische Verfall und die um sich greifende Massenarmut in den EU-Krisenstaaten, für den Kritiker wie der US-Ökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman die Austeritätspolitik der Troika verantwortlich machen, belastet zwar die große Zahl der kleinen und mittleren Unternehmen, sodass die Kreditaufnahme trotz der Niedrigzinsen rückläufig ist. Börsennotierte Konzerne sind jedoch in einem weit höheren Maß als der Durchschnitt der Unternehmen auf die Wachstumsmärkte außerhalb Europas ausgerichtet. Daher kann man auch nicht davon sprechen, dass die Bewertungsniveaus am Aktienmarkt durch die Decke gegangen wären.
Abgesehen von der zweifellos gegebenen Entkopplung von der Konjunktur spricht nur wenig dafür, die gegenwärtige Lage am Aktienmarkt als Bubble zu qualifizieren. Aber selbst wenn man eine Blase konstatieren möchte: Bubbles können durchaus für eine längere Zeitspanne Bestand haben, bevor sie platzen.
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