Vorgeschobene Gründe, Kommentar zum drohenden Scheitern eines erneuten Versuchs der Fusion von Provinzial Nordwest und Provinzial Rheinland, von Antje Kullrich.
Frankfurt (ots)
Es wäre beinahe schon eine Sensation, wenn die beiden öffentlichen Versicherer in Nordrhein-Westfalen eines Tages tatsächlich zueinander fänden. Doch auch der vierte Anlauf einer Fusion der Provinzial Nordwest in Münster und der Provinzial Rheinland in Düsseldorf droht zu scheitern. Festgefahren haben sich die Verhandlungen Berichten zufolge nicht etwa an gewichtigen Fragen der Bewertungsverhältnisse, sondern - man höre und staune - am Streit um die Rechtsform. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), mit 40% einer der beiden großen Anteilseigner der Provinzial Nordwest, pocht auf den Status einer Aktiengesellschaft. Das Argument lautet: Würde der fusionierte Konzern eine Anstalt öffentlichen Rechts, so wie es die Rheinländer fordern und es die Düsseldorfer Provinzial auch schon ist, ziehe das in Westfalen Steuernachforderungen in zweistelliger Millionenhöhe nach sich. Die rheinischen Eigentümer dagegen argwöhnen, dass LWL-Chef Wolfgang Kirsch sich mit der Form der Aktiengesellschaft lediglich eine Verkaufsoption offenhalten will.
Dass die Chancen für einen erfolgreichen Zusammenschluss der beiden Versicherer nicht gerade gut waren und sind, war klar. Zwar hatten die Vorstände der Unternehmen Anfang des Jahres ein Konzept erarbeitet, das von allen Seiten ausnahmslos gelobt worden war, doch die Knackpunkte - Bewertung, Sitz, Rechtsform, Führungspersonal - hatten sie offengelassen und den Eigentümern zur Entscheidung vorgelegt.
Rund sechs Monate später zeigt sich, dass die wenig konstruktive Melange aus politischen Interessen, Provinzfürstentum und persönlichen Animositäten offenbar nach wie vor existiert. Es sind vorgeschobene Gründe, welche die Verhandlungen ins Stocken bringen. Kompromisse, sei es in Form einer intelligenten Konstruktion des fusionierten Konzerns oder weitreichender Zugeständnisse an die Gegenpartei an anderer Stelle, sind immer möglich - wenn die Akteure denn wirklich wollen.
Die Not ist offenbar noch nicht groß genug. Doch die guten Abschlüsse der beiden Fusionskandidaten für das Jahr 2012 verstellen den Blick auf die Realität. Dank ausgebliebener Unwetter verbuchten die Sachversicherer zwar tolle Ergebnisse, doch in der Lebensversicherung ist der Druck durch die niedrigen Zinsen und die hohen Garantieversprechen stark. Die veranschlagten Ergebniseffekte einer Fusion von bis zu 100 Mill. Euro durch Kostensenkungen dürften die Unternehmen vielleicht schon bald dringend brauchen.
(Börsen-Zeitung, 4.10.2013)
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