Der Fall Müller, Kommentar zur Commerzbank von Bernd Wittkowski
Frankfurt (ots)
Aus der Causa Jochen Klösges und Ulrich Sieber ist ein Fall Klaus-Peter Müller geworden. Zugutehalten mag man dem Aufsichtsratsvorsitzenden, dass die Commerzbank einen Großaktionär an ihrer Seite hat, der den Handlungsspielraum der Verwaltung einschränkt. Das macht die Sache aber nicht besser. Denn soweit hier Druck aus Berlin ausgeübt werden sollte, was man sich lebhaft vorstellen kann, wäre es zuerst die Aufgabe Müllers, aber auch jene der Vertreter des Bundes im Kontrollorgan, Nikolaus von Bomhard (Munich Re) und Markus Kerber (Bundesverband der Deutschen Industrie), das Finanzministerium und den Bankenrettungsfonds Soffin an einen jahrhundertealten Grundsatz des Vertragsrechts zu erinnern: Pacta sunt servanda. Verträge sind einzuhalten, und die Verträge mit den Vorstandsmitgliedern Klösges und Sieber sind vor ein, zwei Jahren bis 2017 verlängert worden. Man darf unterstellen, dass Müllers Unterschrift die Kontrakte ziert.
Als Steuerzahler ist man ja dankbar für jede Million, die bei den vom Staat, also von uns, aufgefangenen Banken eingespart wird. Man kann zudem lange darüber sinnieren, ob die Gehaltsdeckelung von 500000 Euro für die Commerzbank-Spitze nicht zu früh aufgehoben wurde und - unabhängig davon - was die Leistung des einen oder anderen Vorstandsmitglieds nicht nur bei den Gelben überhaupt wert ist. Man braucht dagegen nicht darüber zu diskutieren, dass der Abbau Tausender Stellen, der "unten" zu weiterer Arbeitsverdichtung führt, auch "oben" irgendeine mehr als nur symbolische Form von Einsparung nach sich ziehen muss. Und zu guter Letzt: Man müsste nicht mit dem Hut herumgehen, wenn die Betroffenen "nur" mit einem kleinen statt mit einem größeren Millionenbetrag abgefunden würden; das Mitleid hielte sich in Grenzen, auch wenn Klösges und Sieber nicht mehr verbrochen haben, als dass man sie nicht mehr braucht. All das ist aber in diesem Fall piepegal. So, wie Müller und der Bund sich das ausmalen, geht es einfach nicht. Die beiden Vorstandsmitglieder haben gültige Verträge, sie haben sich offensichtlich nichts zuschulden kommen lassen, folglich kann niemand erwarten, dass sie freiwillig auf ihre Rechte verzichten. Aber ihre Reputation wird in aller Öffentlichkeit beschädigt. Ein Profi an der Spitze des Kontrollgremiums hätte die Sache diskret geregelt. Natürlich hätte das eine Stange Geld gekostet, das haben Verträge mitunter so an sich. Ein weiser Aufsichtsratsvorsitzender aber hätte die Verträge gar nicht erst verlängert. Müller agiert weder professionell noch weise.
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