Tous Actualités
Suivre
Abonner Börsen-Zeitung

Börsen-Zeitung

Vermutlich unschuldig, Kommentar zur Anklageerhebung gegen den Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) Michael Kemmer, von Bernd Wittkowski.

Frankfurt (ots)

Wer einer Straftat angeklagt wird, ist so lange unschuldig, wie er nicht in einem fairen Verfahren rechtskräftig verurteilt wird. So lautet im Kern der acht Jahrhunderte alte rechtsstaatliche Grundsatz der Unschuldsvermutung. Dieser gilt auch für Banker und deren Repräsentanten, sosehr die Mitglieder dieser Zunft seit Beginn der Finanzkrise anno 2007 als bevorzugte Watschenmänner herhalten müssen. Es trifft ja auch nicht immer die Falschen. Mit Michael Kemmer träfe es - jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt - den Falschen. Müsste er als Hauptgeschäftsführer und Vorstandsmitglied des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) zurücktreten, wie es teils sehr reflexartig gefordert wird, würde die Unschuldsvermutung zur Vorverurteilung pervertiert.

Der frühere Finanzvorstand und Vorstandsvorsitzende der BayernLB sei, ungeachtet seiner herausragenden fachlichen und menschlichen Qualitäten, der falsche Kandidat für den BdB, schrieben wir an dieser Stelle im Sommer 2010. Abgesehen von der strafrechtlichen Bewertung des Kaufs der Hypo Group Alpe Adria habe Kemmer mindestens auf dem Beifahrersitz gesessen, als die BayernLB mit Karacho gegen die Wand fuhr und einen Milliardenschaden zulasten der Steuerzahler hinterließ. Zudem gezieme es sich aus Respekt vor den Strafverfolgern, das Ergebnis der Ermittlungen unter anderem wegen des Verdachts der Untreue abzuwarten.

Da hätte man lange warten können. Damals schien ein Ende der Ermittlungen bevorzustehen. Daher konnte Kemmers Berufung zum BdB-Chef so interpretiert werden, als wolle der Verband der Justiz auf Teufel komm raus zuvorkommen. Seither aber sind weit mehr als drei Jahre ins Land gegangen, ehe das Oberlandesgericht München entschied, welche Anklagepunkte der Staatsanwaltschaft überhaupt zugelassen werden. Der inkriminierte Vorgang liegt mittlerweile sechseinhalb Jahre zurück. Eine solche Dauer kommt übrigens auch schon mal als Verfahrenshindernis in Betracht.

Hätte Kemmer während der ganzen Zeit kein neues Amt antreten dürfen, wäre das auf eine Strafe ohne Urteil hinausgelaufen: faktisches Berufsverbot. Der dadurch für den Betroffenen entstehende Schaden wäre auch durch einen späteren Freispruch nicht wiedergutzumachen. Dass Justitias Mühlen bei der Aufarbeitung der Finanzkrise besonders langsam mahlen, ist angesichts der äußerst komplexen Materie nachvollziehbar. Dieses Dilemma darf aber nicht auf dem Rücken vermutlich Unschuldiger ausgetragen werden. Kemmer sollte also im Amt bleiben - wie einst Josef Ackermann während seines Untreueprozesses.

(Börsen-Zeitung, 29.10.2013)

Kontakt:

Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de

Plus de actualités: Börsen-Zeitung
Plus de actualités: Börsen-Zeitung
  • 25.10.2013 – 20:55

    Beim Dax ist noch mehr drin, Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn

    Frankfurt (ots) - Nach mehreren Anläufen ist es am Freitag nun endlich geschehen: Erstmals in seiner Geschichte ist der Dax mit einem Allzeithoch von 9010,65 Punkten über die Marke von 9000 Zählern geklettert. Der deutsche Leitindex hat damit in einem durchaus schwierigen Umfeld seit Jahresanfang rund 18% zugelegt - trotz einer zumindest im ersten Halbjahr noch am ...

  • 24.10.2013 – 20:50

    Befreiungsschlag, Kommentar zu Haniel von Annette Becker

    Frankfurt (ots) - Getreu dem Motto, was stört mich mein Geschwätz von gestern, trennt sich der Traditionskonzern Haniel nun doch komplett von seiner Celesio-Beteiligung. Dabei hatten die Duisburger noch im November 2012 im Zuge des Teilrückzugs bei dem Pharmagroßhändler beteuert, Celesio bleibe ein "langfristiges Ankerinvestment". Selbst im Mai, als erste Verkaufsgerüchte zu sprießen begannen, folgte ein hartes ...

  • 23.10.2013 – 20:55

    Anti-Klimax, Kommentar zum EZB-Bilanztest von Bernd Neubacher

    Frankfurt (ots) - Als veritable Anti-Klimax wird mancher Banker empfinden, was EZB-Generaldirektor Ignazio Angeloni am Mittwoch zum anstehenden Bilanztest preisgegeben hat. Denn die Folgen der sich bis Herbst kommenden Jahres hinziehenden Prüfung für die Institute lassen sich nach dem Briefing im Eurotower nicht viel klarer abschätzen als zuvor. Ein Grund: Die EZB muss das Design des sich an die Bilanzbestandsaufnahme ...