Dämpfer ja - Wende nein, Kommentar zur Chemieindustrie von Peter Olsen
Frankfurt (ots)
Es ist nur wenige Wochen her, da schien die Welt für die deutsche Chemieindustrie noch in Ordnung. Verbandspräsident Karl-Ludwig Kley, im Alltag oberster Geschäftsleiter des Darmstädter Chemie- und Pharmakonzerns Merck, bestätigte noch vollmundig die Prognose für das Gesamtjahr, womöglich wegen des überaus starken ersten Quartals.
Das zweite Vierteljahr konnte die Erwartungen, wie sich jetzt nach Vorliegen belastbarer Zahlen zeigt, nicht erfüllen. Mit Ausnahme der Pharma legten fast alle Zweige der Chemie gegenüber dem Startquartal den Rückwärtsgang ein. Kley sieht darin einen konjunkturellen Dämpfer und macht zugleich Hoffnung, dass es im zweiten Halbjahr wieder zu einer leichten Belebung kommt. Dämpfer ja, aber eine Trendwende zum Negativen nein.
Gleichwohl, die geopolitischen Risiken für die Branche nehmen zu, die Produktion dürfte nur noch um 1,5% statt der ursprünglich erwarteten 2% zulegen. Die Chemie als "Industrie der Industrie" ist in hohem Maße abhängig von der Entwicklung ihrer wichtigen Kunden in Branchen wie beispielsweise der Automobilwirtschaft. Viele inländische Kunden des drittgrößten deutschen Industriezweigs aber drosselten im zweiten Quartal ihre Produktion und orderten weniger Chemikalien. Die wachsende Unsicherheit über den weiteren Geschäftsgang lässt viele Abnehmer vorsichtiger agieren. Dennoch: Spitzen sich die politischen Krisen nicht weiter zu, liegt im dann notwendigen Wiederauffüllen der Läger mit Vormaterialien die Chance einer Nachfragebelebung für die Chemieunternehmen.
Die Automobilindustrie hat gestern zumindest kein weiteres negatives Signal gegeben, während der Maschinenbau seine Produktionserwartungen schon Ende Juli deutlich von einem Wachstum von 3% auf nur noch 1% in diesem Jahr nach unten korrigierte. Die Chemiemanager werden das geopolitische und gesamtwirtschaftliche Umfeld weiter im Auge behalten müssen, zumal die Erholung bei den europäischen Nachbarn, den mit Abstand wichtigsten Auslandskunden, zögerlicher vorankommt als erhofft.
Noch ist die deutsche Chemie guten Mutes. Die Geschäftslage wird weiter als positiv beurteilt, die Kapazitätsauslastung ist nach wie vor sehr hoch, und auch die vielen Brückentage im zweiten Quartal könnten die eigene Produktion stärker beeinträchtigt haben als zuvor kalkuliert. "Eine Rezession in Deutschland erwarten die Chemieunternehmen nicht", lautet das beruhigende Resümee.
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