Minus 0,2 - Kommentar zur Inflation von Mark Schrörs
Frankfurt (ots)
Jetzt ist es passiert: Die Inflation in Euroland ist im Dezember unter die Nulllinie gefallen - auf -0,2%. Ist der Währungsraum nun also doch in jene Deflation abgerutscht, vor der Internationaler Währungsfonds (IWF) und andere seit Monaten in einem wahren Wettstreit alarmierter Wortmeldungen warnen? Nein, so etwas zu behaupten ist nach wie vor Unsinn! Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte dennoch bald erneut zur Tat schreiten und sogar Staatsanleihen kaufen. Sie hat sich selbst so unter Zugzwang gesetzt, dass sie kaum anders kann. Trotzdem bleibt das ein schwerer Fehler.
Dass die Inflation erstmals seit der Weltwirtschaftskrise 2009 unter 0% gerutscht ist, ist in allererster Linie dem drastischen Absturz der Ölpreise geschuldet. Eine deflationäre Abwärtsspirale, in der die Verbraucher in Erwartung sinkender Preise Käufe aufschieben und das die Wirtschaft lähmt, ist weiterhin nicht erkennbar. Im Gegenteil: Das Verbrauchervertrauen ist hoch, der Konsum stark. Das befördert der Ölpreisverfall über sinkende Energiepreise sogar - weil Letzteres die reale Kaufkraft erhöht.
Auch die EZB selbst hält das Risiko für begrenzt. Was sie vor allem umtreibt, ist die Sorge um die mittelfristigen Inflationserwartungen, die als Ausweis der Glaubwürdigkeit der Notenbank gelten und ein wichtiger Parameter für die tatsächliche Inflation der Zukunft sind. Dass die marktbasierten Indikatoren zuletzt weiter nachgegeben haben, kann der EZB nicht schmecken. Bei deren Interpretation scheint aber aktuell Vorsicht angebracht: Einiges scheint nicht zuletzt durch die EZB selbst verzerrt. Zudem ist eine kurzfristige exakte Feinsteuerung der Inflationserwartungen ein überzogenes Ziel.
Solange sich keine dauerhaften Folgen bei den Inflationserwartungen zeigen oder es Zweitrundeneffekte gibt, sollte die EZB auch den Ölpreisverfall als das nehmen, was er ist - ein Mini-Konjunkturpaket, das für die darbende Euro-Wirtschaft gerade recht kommt. Kurzatmige Panikreaktionen sind Fehl am Platz.
Vor allem aber sollte die EZB die Finger von Staatsanleihekäufen lassen. Nicht nur, dass dieses Instrument im aktuellen Umfeld keinesfalls das Wundermittel ist, als das es manche gerne anpreisen - wobei es ja bemerkenswert ist, dass jene angelsächsische Presse, die die EZB stets zu solchen Käufen drängt, nun plakativ breite Zweifel von Volkswirten am Erfolg präsentierte. Noch wichtiger ist, dass die Risiken des Instruments zu gravierend sind, um es einzusetzen, nur damit die Inflation ein paar Zehntelprozentpunkte höher ist. Allenfalls zur Abwehr einer realen Gefahr einer Deflationsspirale sollte es in Betracht kommen. Aber so weit ist es nicht - trotz der -0,2%.
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