Im Deflationsmodus, Marktkommentar von Kai Johannsen
Frankfurt (ots)
Zunächst waren es die immer weiter abnehmenden Preissteigerungsraten in der Eurozone - auch Disinflation genannt -, die den Marktteilnehmern Sorgen bereiteten. Denn damit einher ging immer auch die Sorge, dass die Disinflation auch in die Deflation münden könnte. Das ist nun geschehen. In der gerade abgelaufenen Woche kamen die neuen Inflationszahlen oder jetzt besser gesagt Deflationszahlen. Denn mit einem Rückgang von 0,2% ist die Eurozone bei der Teuerung im Deflationsmodus angekommen. Das ist das erste Minus seit Dezember 2009. Und so mancher wird hoffen, dass dieser deflationäre Ausschlag im Dezember, der in erster Linie mit den rückläufigen Ölpreisen begründet wird, nur ein Ausreißer ist und sich hoffentlich nicht zu einer jahrelangen Deflationsphase weiterentwickelt.
An den Zinsmärkten ist seit geraumer Zeit befürchtet worden, dass die disinflationäre Entwicklung anhält und letztlich in die Deflation mündet. Von vielen Marktteilnehmern wurde erwartet, dass die Europäische Zentralbank (EZB) auf diese Disinflationsentwicklung und die damit einhergehenden Deflationsgefahren entsprechend scharf reagieren wird, um die Deflation letzten Endes abzuwenden bzw. es zu versuchen. Ablesbar war das an den rückläufigen Anleiherenditen, ein Trend, der gerade im vorigen Jahr exorbitante Ausmaße angenommen hatte. Es wurde erwartet, dass die EZB mit Asset-Käufen, allen voran im Fixed-Income-Segment, auf diese Entwicklungen reagieren wird, was letztlich auch geschah. Seit Oktober kauft die EZB - in stärkerem Ausmaß als erwartet - Covered Bonds, wozu auch die deutschen Pfandbriefe zählen, um Liquidität in das System zu pumpen und damit die Inflationserwartungen zu beeinflussen bzw. an den Märkten zu verankern. Etwas später kamen dann auch noch Käufe von Asset Backed Securities (EZB) hinzu.
Kaufprogramm im Blick
Nun stellen sich die Marktteilnehmer auf eine Ausweitung dieser Programme ein. Bereits in Kürze - womöglich schon auf der nächsten Sitzung des geldpolitischen Rates am 22.Januar - könnte die diesbezügliche Entscheidung gefällt werden. Prognostiziert werden umfangreiche Bondkaufprogramme. Gegenstand von Käufen könnten den Prognosen zufolge Staatsanleihen, aber auch Unternehmensbonds und weitere Bankanleihen werden. Darüber würden die Geldschleusen für die Eurozone dann noch weiter geöffnet - alles nur, um die Deflation bzw. eine Beschleunigung derselben zu vermeiden. Bei den Volumina dieser Programme gehen die Prognosen recht weit auseinander. Herumgereicht werden derzeit im Schnitt 500 bis 700 Mrd. Euro an Kaufvolumen für die Bonds. Doch es könnte noch mehr werden, wenn die beabsichtigten Effekte nicht eintreten.
Und wie reagieren die Zinsmärkte auf die aktuelle Entwicklung rund um abrutschenden Ölpreis, damit einhergehende Konjunkturängste und die jüngsten Teuerungszahlen, die die Erwartung von EZB-Bondkäufen nur noch zusätzlich noch untermauern? Die Anleiherenditen sacken immer weiter in die Tiefe. Vom kurzen Ende der Laufzeitenkurve her betrachtet, führt dieser Renditerutsch dazu, dass die Sätze immer stärker negativ werden bzw. immer weitere Laufzeiten vom positiven in den negativen Renditebereich kippen. So geschehen in der gerade abgelaufenen Woche. Auch die fünfjährigen Bundestitel haben am Markt mittlerweile eine negative Rendite. Hält diese Tendenz an, wird der Bund in Form seines Schuldenmanagers Deutsche Finanzagentur die nächste Neuemission von fünfjährigen Bundesobligationen, die einen Tag vor der nächsten EZB-Sitzung ansteht, am Primärmarkt wohl auch zu negativen Sätzen absetzen.
Und damit tritt dann das nächste Novum ein. Der Bund bietet am Primärmarkt sechs Laufzeiten an. Am Geldmarkt die beiden Papiere mit sechs und zwölf Monaten Fälligkeit. Am Kapitalmarkt sind es die Laufzeiten von zwei, fünf, zehn und 30 Jahren. Die Geldmarktpapiere und die zweijährigen Bundesschatzanweisungen werden bereits zu negativen Sätzen platziert. Kommt nun auch noch die mittlere sprich fünfjährige Laufzeit dazu, verschuldet sich der Bund bei zwei Dritteln seiner Papiere zu negativen Sätzen, d.h., die Anleger zahlen in diesen Laufzeiten eine Gebühr dafür, dass sie dem Bund Kapital überlassen dürfen.
Danach werden die Anleger gespannt darauf warten, dass die nächsten Marken geknackt werden. Sollte sich die gegenwärtigen Tendenzen fortsetzen, nimmt die Wahrscheinlichkeit immer mehr zu, dass auch die zehnjährige Bundrendite noch näher an die Nulllinie heranrückt. Mit einem Tiefpunkt von 0,43% ist sie davon aber ohnehin nicht mehr weit entfernt.
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