In eigener Sache, Kommentar zu Obamas Steuerpolitik von Peter De Thier
Frankfurt (ots)
Es ist gerade zweieinhalb Monate her, dass die Demokraten eine verheerende Schlappe bei den Kongresswahlen erlitten haben und damit US-Präsident Barack Obama zur politisch "lahmen Ente" während der letzten beiden Amtsjahre wurde. Von der Rolle eines Verlierers oder lädierten Staatsmannes wollte Obama in seiner ersten Regierungserklärung vor dem republikanisch beherrschten Kongress aber nichts wissen.
Selbstbewusst zählte er die Erfolge seiner ersten sechs Amtsjahre auf. Die Industrie brummt, neue Arbeitsplätze werden in einem Tempo geschaffen wie lange nicht mehr. Durch heimische Energieproduktion, die einen Rekordstand erreicht hat, konnte sich Amerika einigermaßen von ausländischem Öl unabhängig machen. Das Haushaltsdefizit sinkt, und die Wirtschaft wächst stärker als in allen anderen Industrienationen. Folglich seien die USA weniger als eineinhalb Dekaden nach der Millenniumswende wie kein anderes Land in einer Position, "die eigene Zukunft zu definieren".
Er stellte auch jene rhetorische Frage, auf die jeder Obamas Antwort kennt: Soll das Amerika der Zukunft geprägt sein von einem immer tieferen Wohlstandsgefälle, oder soll durch mehr Steuergerechtigkeit und einen Ausbau der Sozialprogramme eine "Wirtschaft der Mittelklasse" gezimmert werden? Natürlich will der Präsident, der viele der Schlachtrufe wiederholte, die er bereits 2008 bei seiner ersten Präsidentschaftskampagne gebracht hatte, eine von sozialem Ausgleich geprägte Volkswirtschaft.
Zugleich weiß er sehr wohl, dass seine Vorstöße angesichts der Kräfteverschiebung im Kongress ohne Chance sind, egal ob es um das Schließen von Steuerschlupflöchern für wohlhabende Privatbürger sowie multinationale Konzerne oder um mehr Geld für Sozialprogramme und andere Transferzahlungen geht.
Er entschied sich daher für einen politisch raffinierten Schachzug: Er nutzte seine "Rede zur Lage der Nation" als Forum der Selbstbeweihräucherung und tat zugleich so, als setze er wie auch bisher auf politische Kooperation. Dass ein Angebot der Zusammenarbeit aus Sicht der Republikaner hohl wirkt, kann man ihnen nicht verdenken. Schließlich kündigte Obama an, dass er nicht weniger als fünf von der Opposition verfasste Gesetzesvorlagen mit seinem Veto blockieren wird: von neuen Wirtschaftssanktionen gegen Iran bis hin zur Teilaufhebung der staatlichen Gesundheitsreform. Wie immer war es ein rhetorisch brillanter Auftritt des Präsidenten. Doch die politischen Fronten sind festgefahrener denn je - und in Washington herrscht ab sofort wieder "business as usual".
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