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Künstliche Verzerrungen, Marktkommentar von Stefan Schaaf

Frankfurt (ots)

Wer dieser Tage ein gemischtes Portfolio aus Aktien und Anleihen zu managen hat, der kann sich scheinbar entspannt zurücklegen. Doch tatsächlich sitzt der Vermögensverwalter mit dieser Ausrichtung mittelfristig in der Falle.

Richtig ist: In beiden Anlageklassen steigen die Kurse nahezu unaufhaltsam. Das gilt für die europäischen Aktienmärkte ebenso wie für Euro-Staatsanleihen und Kreditbonds wie Unternehmensanleihen hoher und niedriger Bonität. In solch einem Umfeld kann ein Vermögensverwalter nur Gewinne erzielen, egal wie er sich positioniert hat. Lediglich die Höhe der Erträge wird unterschiedlich ausfallen. Wer zu Jahresbeginn sein Geld ausschließlich auf Bundesanleihen setzte, hat gemessen am Bund-Future bereits nach zwei Monaten einen Wertzuwachs im Portfolio von 2,5% verbuchen können.

Noch vor wenigen Jahren hätte jeder Marktteilnehmer angesichts eines solchen Kursanstiegs bei dem Terminkontrakt auf die zehnjährige Bundesanleihe einen parallelen Crash am Aktienmarkt erwartet. Aber 2015 ist nicht 2008, als der Bund-Future in Reaktion auf die Lehman-Pleite aus Angst vor einem Kollaps des Finanzsystems in die Höhe schoss. Nebenbei bemerkt: Ende 2008 stand der Bund-Future bei 125%, nun sind es knapp 160%, und die deutsche Zehnjahresrendite ist fast bei null angekommen.

Doch von einem kollabierenden Aktienmarkt ist weit und breit nichts zu sehen - und nach Ansicht vieler Marktteilnehmer ist dies auch nicht zu erwarten, selbst wenn es einmal in Kürze eine kräftige Korrektur mit Gewinnmitnahmen geben sollte. Stattdessen steigen die Aktienkurse europaweit unaufhörlich an. Viele Indizes erreichen - jedenfalls nominal betrachtet - neue Rekordstände.

Gleichgerichtete Bewegung

Ob Frankfurt, Paris oder Mailand: Die entsprechenden Leitindizes sind im laufenden Jahr zwischen 15 und 17% angestiegen und haben damit schon jetzt den Analystenkonsens für Gesamtjahr übertroffen. Der Dax schloss am Freitag über 11400, der MDax über 20000 Stellen. Große Zahlen allenthalben: Im Dax wächst die Zahl von Unternehmen mit dreistelligem Aktienkurs, vor noch nicht all zu langer Zeit quasi noch das Privileg der Munich Re.

Offenbar ist an den Finanzmärkten etwas aus dem Ruder gelaufen, wenn solche gleichgerichteten Bewegungen von Staatsanleihen und Aktien zu beobachten sind. Denn typischerweise entwickeln sich ihre Kurse gegenläufig. Staatsanleihen, insbesondere von bonitätsstarken Emittenten wie Deutschland und den Vereinigten Staaten mit zudem hoher Liquidität, sind traditionell der sichere Hafen, wenn die Risikobereitschaft von Anlegern sinkt - wegen einer schwachen Konjunktur oder geopolitischen Gefahrenherden.

EZB hebt Korrelation auf

Hingegen sind Aktien, historisch betrachtet, immer dann gefragt gewesen, wenn die Investoren sich risikofreudiger gezeigt haben. In einem gemischten Portfolio haben sich Aktien und Anleihen gegenseitig ausgeglichen, bei geschicktem Management ließen sich gute Erträge durch den Wechsel zwischen den beiden Anlageklassen erzielen. Die negative Korrelation von Aktien und Anleihen ist aufgehoben. Hauptgrund dafür sind die bevorstehenden Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie erhöhen die Nachfrage, während das Angebot wegen der Konsolidierung der Staatshaushalte - Stichwort "Schwarze Null" - weiter schrumpft. Sinkende Renditen sind die logische Marktreaktion auf diese Verzerrung auf der Angebots- wie der Nachfrageseite. Die niedrigen Renditen wiederum schaffen einen Anlagedruck und führen zusammen mit der hohen Liquidität zu steigenden Aktienkursen. Wobei die Rekorde am Aktienmarkt nur zum Teil mit dem sogenannten "billigen Geld" zu tun haben. Dahinter stehen auch die beginnende Konjunkturerholung in Europa und die Erwartung steigender Unternehmensgewinne. Nach einer Berechnung von S&P Capital wird für europäische Aktien am Markt für dieses Jahr mit einem Anstieg des Gewinns je Aktie um 10% gerechnet.

Dennoch: Die gleichgerichtete Bewegung von Aktien und Anleihen birgt große Gefahren. Im Fall steigender Risikoaversion besteht kein Fluchtweg zur Performance-Absicherung in Euro-Staatsanleihen. Diese künstlich erzeugten Verzerrungen werden sich irgendwann entladen, ganz so wie tektonische Verspannungen früher oder später zu einem Erdbeben führen. Auslöser könnte eine Zinswende in den USA in wenigen Monaten sein. Möglicherweise steht den verspannten Finanzmärkten deshalb ein Sommer der Volatilität bevor.

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