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Die schweizerischen Identitäten in der Globalität: Welchen Raum nimmt die italienische Schweiz ein?

Bern (ots)

Die italienische Schweiz verschafft sich nördlich der
Alpen häufig nur schwer Verständnis und Gehör. Der wachsende 
Wettbewerb unter den verschiedenen Regionen bedeutet einen Härtetest 
für die Integration der kulturellen und sprachlichen Minderheiten in 
der Schweiz. Der Verein "Coscienza svizzera" plädiert dafür, die 
unterschiedlichen schweizerischen Identitäten nicht aus den Augen zu 
verlieren, und wirbt für mehr Verständnis für das Potenzial der 
italienischen Schweiz.
Angesichts der bevorstehenden Bundesratswahlen ist die Frage nach 
der Rolle des italienischen Landesteils sowie nach dem sprachlichen, 
kulturellen und politischen Gleichgewicht auch auf nationaler Ebene 
erneut in den Vordergrund gerückt.
Der Verein "Coscienza svizzera" setzt sich in der italienischen 
Schweiz seit rund 60 Jahren aktiv dafür ein, die unterschiedlichen 
Empfindsamkeiten, Sprachen und Kulturen in der Schweiz zu vertreten, 
und hat aus diesem Anlass erneut die Situation südlich der Alpen 
thematisiert.
Am 3. September hat "Coscienza svizzera" in Bern eine Begegnung 
zum Thema "Die schweizerischen Identitäten in der Globalität: Welchen
Raum nimmt die italienische Schweiz ein?" organisiert, an der 
Referenten aus den drei wichtigsten Sprachregionen der Schweiz 
teilgenommen haben.
Die italienische Schweiz, der dritte Landesteil, ist als Ausdruck 
einer Sprachminderheit häufig mit besonderen Problemen konfrontiert: 
Zugang zur Restschweiz nur über die Alpen, Verhältnis zum 
benachbarten Norditalien und zur Metropole Mailand, die zu den 
europäischen Wirtschaftsmotoren zählt.
Georg Kreis, Historiker, Martin Schuler, Geograph, und Joëlle 
Kuntz, Journalistin und Publizistin, beleuchteten in ihren Beiträgen 
aus unterschiedlichen Perspektiven die Forderungen und die Rolle der 
italienischen Schweiz, die häufig nur als "Sonnenstube der Schweiz" 
gesehen wird.
Kreis betonte, dass der Diskurs über die Identität sich nicht nur 
in nostalgischen Anwandlungen äussere, sondern auch auf die "die 
Fähigkeit zum Zusammenleben von Personen unterschiedlicher Identität"
hinweise. Wir leben in der Zeit der vielfältigen Identitäten, die 
sich nicht nur auf ein Gebiet reduzieren lassen.
Martin Schuler, Spezialist für urbane Entwicklungen, sieht in der 
italienischen Schweiz, die zu einer grenzüberschreitenden urbanen 
Region mit eigenen Widersprüchen geworden ist, neue Potenziale von 
nationaler Bedeutung. Um jedoch diese Potenziale auszuschöpfen, muss 
eine politische und kulturelle Vision verfolgt werden, die auf der 
Achtung der Vielfalt gründet.
Kuntz warnte vor Tendenzen, die darauf hinauslaufen, dass in der 
Schweiz "der Grundsatz der Gleichheit der Kulturen vom Grundsatz der 
Anzahl der Kulturangehörigen verdrängt wird, wonach die 
zahlenstärkste Gruppe am meisten Vertreter erhält".
Oscar Mazzoleni, Politologe, und Remigio Ratti, 
Wirtschaftswissenschafter und Präsident von "Coscienza svizzera" 
vertreten die Auffassung, dass "der schweizerische Föderalismus 
zunehmend kompetitiv wird, was zur einer immer deutlicher 
konkurrenzgeprägten Beziehung zwischen den Funktionsräumen führt und 
die politische Integration der kulturellen und sprachlichen 
Minderheiten auf eine harte Probe stellt".
Laut Mazzoleni und Ratti, die auch das jüngst erschienene Werk 
"Identità nella globalità. Le sfide della Svizzera italiana" 
(Giampiero Casagrande Verlag und Coscienza svizzera) herausgegeben 
haben, hat "die Präsenz der 'Italianità' in den schweizerischen 
Entscheidungszentren in den letzten Jahren abgenommen. Das 
Italienische fristet heute in der Bundesverwaltung in Schattendasein.
Es fällt sehr schwer, sich nördlich der Alpen Gehör und Verständnis 
zu verschaffen, was zu einer gewissen Isolierung beiträgt und dem 
Populismus südlich der Alpen Vorschub leistet".
In den verschiedenen Beiträgen wurde gefordert, die Beiträge des 
Schweizertums und der italienischen Schweiz als wesentliche 
Komponenten der Schweiz von morgen stärker zur Geltung zu bringen. 
Für die italienische Schweiz besteht die Herausforderung darin, 
gleichzeitig die Verbindungen mit der Schweiz nördlich der Alpen und 
mit Norditalien zu festigen und Un- bzw. Missverständnisse, welche 
die Kommunikation häufig beeinträchtigen, zu überwinden.
Die italienische Schweiz plädiert dafür, die unterschiedlichen 
Identitäten in der Eidgenossenschaft stärker aufzuwerten und die 
Chancen und Risiken der italienischen Schweiz, die vermehrt mit ihrer
Position im grenzübergreifenden Metropolitanraum Mailand konfrontiert
ist, besser zu verstehen. Der Tessin darf mit Blick auf die Eröffnung
der Alpentransversale weder zum "Quartier Latin" von Zürich noch zur 
Stadt Zug von Mailand werden.

Kontakt:

Andrea Tognina
Mobile: +41/79/334'41'64

Oscar Mazzoleni
Mobile: +41/79/459'68'40