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Media Service: Schweizer Presserat: Stellungnahme 48/2009 Parteien: X. c. «20 Minuten Online» (Nichteintreten)

Interlaken (ots)

Verspätete Beschwerde / Presserats- und
Gerichtsverfahren
I. Sachverhalt
A. Am 24. Juli 2008 veröffentlichte «20 Minuten Online» einen 
Bericht von Peter Blunschi mit dem Titel «Die Kriegsspiele der 
Geheimdienstler». In einer Serie blickt der Autor «zurück auf 
Skandale und Affären der letzten 50 Jahre. Heute: Oberst Bachmann und
die P-26.» Gemäss dem Schlussbericht der Parlamentarischen 
Untersuchungskommission aus dem Jahr 1990 war unter dem Namen 
«Projekt 26» seit 1981 «eine Geheimarmee mit einem Bestand von 800 
Mann aufgebaut worden, die im Fall eines Angriffs den Guerillakrieg 
organisieren sollte. Kommandant war der Baselbieter 
Generalstabsoberst Efrem Cattelan, Deckname 'Rico'. (...) Die Kosten 
von jährlich mehreren Millionen Franken wurden heimlich aus dem 
Bundesbudget abgezweigt, denn die P-26 agierte ausserhalb der 
politischen Kontrolle. (...) Daneben existierte ein geheimer 
Nachrichtendienst P-27, der sich allerdings als ziemlich ineffektiv 
erwies. Das galt nicht für einen 'ausserordentlichen 
Nachrichtendienst' innerhalb der UNA, der tatsächlich mit der 
Bespitzelung vermeintlicher Extremisten im Inland beschäftigt war. 
Unter anderem wurde eine Liste von 442 Männern und 57 Frauen 
angelegt, die im Kriegsfall sofort interniert werden sollten. Das war
illegal, denn von Gesetzes wegen beschränkten sich die Aufgaben des 
militärischen Geheimdienstes auf Spionageabwehr und 
Nachrichtenbeschaffung im Ausland. (...) Bundesrat Villiger griff 
durch (...) Die Geheimarmee wurde liquidiert.»
B. Mit Schreiben vom 26. Januar 2009 wandte sich X. an die 
Redaktion von «20 Minuten» und beanstandete folgende Passage des 
Berichts vom 28. Juli 2008: «Das galt nicht für einen 
'ausserordentlichen Nachrichtendienst' innerhalb der UNA, der 
tatsächlich mit der Bespitzelung vermeintlicher Extremisten im Inland
beschäftigt war. Unter anderem wurde eine Liste von 442 Männern und 
57 Frauen angelegt, die im Kriegsfall sofort interniert werden 
sollten. Das war illegal... ». Der «ausserordentliche 
Nachrichtendienst» AOND habe von 1976 bis Ende 1979 bestanden und sei
später als Projekt 27 weitergeführt worden. Sinngemäss forderte er 
die Redaktion auf, die amtliche Quelle zu nennen, welche die «aus 
unserer Sicht rufschädigenden und verleumderischen Aussagen» 
bestätige, wonach die wahre Aufgabe des AOND die illegale 
Bespitzelung von Bürgerinnen und Bürgern gewesen sei.
C. Der Tamedia-Rechtsdienst antwortete am 17. Februar 2009, die 
Bespitzelung vermeintlicher Extremisten beziehe sich auf Vorgänge in 
der Untergruppe Nachrichtendienst, die von der PUK-EMD untersucht 
worden waren. Diese sei zum Schluss gekommen, dass die entsprechenden
Datensammlungen «Mitte der 80er-Jahre» ohne klare rechtliche 
Grundlage und ohne hinreichende Weisungen der vorgesetzten Instanzen 
aufgebaut worden war. «Damit können sich diese Vorgänge nicht auf den
in Ihrem Brief erwähnten 'ausserordentlichen Nachrichtendienst' 
beziehen, der von 1976 bis 1979 existiert hat.» Um dem Anliegen von 
Herrn X. Rechnung zu tragen, den guten Ruf des AOND und seiner 
Mitarbeiter zu verteidigen, habe «20 Minuten Online» im Bericht 
präzisiert, der darin erwähnte «Ausserordentliche Nachrichtendienst» 
innerhalb der UNA sei nicht mit dem von 1976 bis 1979 bestehenden 
AOND unter Leitung von Oberst Bachmann zu verwechseln.
D. Am 12. Mai 2009 gelangte X. mit einer Beschwerde gegen den 
obengenannten Bericht an den Presserat. Parallel dazu habe er im 
Auftrag dreier direktbetroffener ehemaliger Kader des 
Ausserordentlichen Nachrichtendienstes der Schweizer Armee je eine 
Straf- und Zivilklage eingereicht. Die reichlich vorhandenen 
amtlichen und offenen Quellen zu AOND und P-27 würden entgegen der 
Behauptung von «20 Minuten Online» nicht den geringsten Hinweis 
enthalten, dass die «Bespitzelung» von Bürgern im Inland irgend etwas
mit dem AOND zu tun hatte. «Der AOND war ein reiner 
Ausland-Nachrichtendienst.» Die im Bericht erwähnte Verdächtigenliste
stamme zudem aus dem Jahr 1967 und sei längst vernichtet gewesen, als
Oberst Bachmann in den Geheimdienst eintrat. Und anstatt die Fehler 
zu korrigieren und sich dafür zu entschuldigen, halte die Redaktion 
an den ehrverletzenden Aussagen fest und habe bloss eine 
Scheinkorrektur veröffentlicht. Damit habe «20 Minuten Online» die 
Ziffern 1 (Wahrheit), 3 (Quellen), 5 (Berichtigung) und 7 (sachlich 
nicht gerechtfertigte Anschuldigungen) der «Erklärung der Pflichten 
und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verletzt.
E. Auf Aufforderung des Presseratssekretariats hin führte X. am 
26. Mai 2009 zur Frage der Beschwerdefrist von sechs Monaten aus, für
ihn sei die Veröffentlichung der korrigierten Version des 
beanstandeten Berichts am 16. Februar 2009 massgebend.
F. Am 31. August 2009 führte X. zur Frage der parallel hängigen 
Gerichtsverfahren aus, er könne im Moment nicht erkennen, warum der 
Presserat Detailkenntnisse über die eingereichten Gerichtsklagen und 
insbesondere die Namen der drei Kläger brauche. «Text und Belege der 
beiden Klagen sind weitgehend identisch mit den Angaben meiner 
Beschwerde an den Presserat.»
G. Gemäss Art. 12 Abs. 1 des Geschäftsreglements behandelt das 
Presseratspräsidium Beschwerden, auf die der Presserat nicht 
eintritt.
H. Das Presseratspräsidium, bestehend aus Presseratspräsident 
Dominique von Burg, Vizepräsidentin Esther Diener-Morscher und 
Vizepräsident Edy Salmina, hat die vorliegende Stellungnahme per 11. 
September 2009 auf dem Korrespondenzweg verabschiedet.
II. Erwägungen
1. Gemäss Art. 10 Abs. 1 des Geschäftsreglements sind Beschwerden 
an den Presserat spätestens innert 6 Monaten nach der 
Veröffentlichung einzureichen. «20 Minuten Online» hat den Artikel 
«Die Kriegsspiele der Geheimdienstler» bereits am 28. Juli 2008 
veröffentlicht. Die vom Beschwerdeführer als «Verschärfung» 
kritisierte Einfügung des Satzes, der darin erwähnte 
«Ausserordentliche Nachrichtendienst» innerhalb der UNA sei nicht mit
dem von 1976 bis 1979 bestehenden AOND unter Leitung von Oberst 
Bachmann zu verwechseln, ändert deshalb nichts daran, dass die 
Beschwerde verspätet eingereicht worden ist und der Presserat nicht 
darauf eintritt.
2. Selbst wenn der Presserat, wie dies der Beschwerdeführer 
geltend macht, vom 16. Februar 2009 als massgeblichem Datum für den 
Beginn der Beschwerdefrist ausginge, träte der Presserat nicht auf 
die Beschwerde ein. Zwar kann der Presserat auch bei parallel 
hängigen Gerichtsverfahren auf eine an ihn gerichtete Beschwerde 
eintreten. Er tut dies dann, wenn er bei Abwägung des konkreten 
Sachverhalts zum Schluss gelangt, dass sich grundsätzliche 
berufsethische Fragen stellen (Art. 10 Abs. 2 des 
Geschäftsreglements). Ebenso fällt bei der durch den Presserat 
vorzunehmenden Interessenabwägung aber ins Gewicht, inwiefern es von 
der Bedeutung der Sache her gerechtfertigt erscheint, zu einem 
identischen oder zumindest ähnlichen Sachverhalt zwei parallele 
Verfahren durchzuführen. Beanstandet der Beschwerdeführer im parallel
hängigen Gerichtsverfahren weitgehend die gleichen Punkte wie in der 
Presseratsbeschwerde, ist diese Doppelspurigkeit aus Sicht des 
Presserates in aller Regel nicht gerechtfertigt (46/2007, 33/2008).
III. Feststellung
Der Presserat tritt nicht auf die Beschwerde ein.

Kontakt:

SCHWEIZER PRESSERAT
CONSEIL SUISSE DE LA PRESSE
CONSIGLIO SVIZZERO DELLA STAMPA
Sekretariat/Secrétariat:
Martin Künzi, Dr. iur., Fürsprecher
Bahnhofstrasse 5
Postfach/Case 201
3800 Interlaken
Telefon/Téléphone: 033 823 12 62
Fax: 033 823 11 18
E-Mail: info@presserat.ch
Website: http://www.presserat.ch

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