Media Service: Umstrittener Fernsehauftritt während des Wahlkampfs
Bern (ots)
Die Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) hat eine Beschwerde gegen die Talksendung "Schawinski" des Schweizer Fernsehens abgewiesen. Der Auftritt eines Ständeratskandidaten 20 Tage vor dem Wahlgang verletzt keine rundfunkrechtlichen Bestimmungen.
Am 27. November 2011 fand im Kanton St. Gallen der zweite Wahlgang für den Ständerat statt. Kandidaten waren Toni Brunner (SVP), Michael Hüppi (CVP) und Paul Rechsteiner (SP). Im ersten Wahlgang vom 23. Oktober 2011 hatte nur Karin Keller-Sutter (FDP) die notwendige Stimmenzahl erreicht. Paul Rechsteiner war am 7. November 2011 Gast in der Talksendung "Schawinski" des Schweizer Fernsehens.
In der Beschwerde gegen die Sendung wurde gerügt, die beiden andern Kandidaten seien durch den Auftritt von Paul Rechsteiner benachteiligt worden. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der publizistischen Leitlinien von Schweizer Radio und Fernsehen geltend machte, trat die UBI auf seine Beschwerde nicht ein, weil es sich dabei um unternehmensinterne Regeln handelt. Das Radio- und Fernsehrecht sieht aber vor, dass konzessionierte Radio- und Fernsehveranstalter in der für die Meinungsbildung sensiblen Zeit vor Wahlen erhöhte Sorgfaltspflichten zu erfüllen haben. Wahlen durch das Volk sollen nicht durch Radio- oder Fernsehsendungen in unzulässiger Weise beeinflusst werden.
In ihrer Beurteilung kam die UBI zum Schluss, dass der Auftritt von Paul Rechsteiner zwar nicht unproblematisch war. Der Grundsatz der Chancengleichheit gelte aber im schweizerischen Rundfunkrecht nicht absolut und gewähre nicht allen Kandidaten vor Wahlen zwingend die gleiche Sendezeit. Es müsse auch der Programmautonomie der Veranstalter, der Meinungs- und Informationsfreiheit sowie den Bedürfnissen des Publikums Rechnung getragen werden. Das beanstandete Gespräch war sehr kontrovers und bot Paul Rechsteiner nicht eine Plattform, um ungehindert sein politisches Programm zu präsentieren. Der Gesprächsleiter Roger Schawinski konfrontierte ihn vielmehr mit harscher Kritik und stellte seine politischen Ideen teilweise grundsätzlich in Frage. Der bevorstehende Wahlgang bildete im Übrigen nicht zentrales Thema des Gesprächs. Andere Sendungen des Schweizer Fernsehens beschäftigen sich damit viel direkter. Aus den erwähnten Gründen wurde die Meinungsbildung des Publikums nicht beeinträchtigt und die Beschwerde deshalb abgewiesen.
Der Beschluss der UBI fiel mit 4:3 Stimmen knapp aus. Die unterlegenen Mitglieder formulierten im Anhang zur Entscheidbegründung eine abweichende Meinung. Die Sendung sei demnach im Hinblick auf den bevorstehenden Wahlgang nicht ausgewogen gewesen, weil ein Kandidat die ausschliessliche Gelegenheit erhalten habe, sich und seine politischen Ideen zu präsentieren. Ausser dem bevorstehenden Urnengang habe kein aktueller Anlass oder sachlicher Grund für den Auftritt des SP-Politikers und Gewerkschafters Paul Rechsteiner bestanden.
Die UBI ist eine ausserparlamentarische Kommission des Bundes. Sie besteht aus neun nebenamtlichen Mitgliedern und wird durch Roger Blum präsidiert. Die UBI hat auf Beschwerde hin festzustellen, ob ausgestrahlte Radio- und Fernsehsendungen Bestimmungen über den Inhalt redaktioneller Sendungen verletzt haben oder eine rechtswidrige Verweigerung des Zugangs zum Programm vorliegt. Entscheide der UBI können beim Bundesgericht angefochten werden.
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