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Die Berliner SPD zerlegt sich selbst - Leitartikel

Berlin (ots)

Es ist immer wieder erstaunlich: Da gewinnt eine Partei eine Wahl, doch statt sich durch diesen Erfolg zu stabilisieren oder sogar aufzubauen, statt den Menschen eine interessante Politik zu bieten, beginnt die Partei sich zu zerlegen. Da wird um Führung und Personen gestritten, werden böse Gerüchte gestreut, und keiner in der Partei ist stark genug, den öffentlichen Niedergang zu stoppen. So konnten wir es nach der Bundestagswahl bei der FDP beobachten - bis heute -, so geschieht es gerade bei der Berliner SPD. Bei den Berliner Sozialdemokraten ist ein Machtkampf ausgebrochen, der inzwischen die Partei selbst und auch den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit beschädigt. Und keiner ruft: "Stopp!" Vordergründig geht es um die Frage, wer der nächste Landesvorsitzende der Berliner SPD wird. Das ist, zugegeben, ein wichtiger Posten, aber ehrlicherweise muss man auch sagen, es ist nicht das Amt, an dem das Wohl und Wehe der Regierungspartei SPD und schon gar nicht das der Stadt hängt. Parteichef Michael Müller will gerne weitermachen und möchte im Juni wieder für den Posten kandidieren. Warum auch nicht, führt er die Berliner SPD doch seit acht Jahren. Die Abgeordnetenhauswahl wurde gerade erst gewonnen, die nächste findet in knapp fünf Jahren statt. Und das Sagen hat in der SPD sowieso der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit. Doch so abgeklärt sind viele SPD-Funktionäre nicht. Da gibt es mit Raed Saleh einen neuen Fraktionschef, der mit seinen Truppen meint, jetzt die ganze Macht erobern zu müssen. Da sind diejenigen in der SPD, die erleben mussten, dass es völlig egal ist, ob sie Müller-Freunde oder Müller-Gegner sind - alle werden innerparteilich oder in der Regierung mit Posten belohnt, Loyalität zum Vorsitzenden zahlt sich nicht unbedingt aus. So mancher möchte es Müller jetzt mal zeigen, was er von ihm hält. Natürlich werden viele Gründe genannt, warum Müller den Posten aufgeben müsse - er sei als Senator genug gefordert, es müsse eine Trennung zwischen Partei und Regierung geben, er habe zu viele Fehler gemacht. Doch das ist nicht die ganze Wahrheit. Denn der Machtkampf tobt so heftig, weil es um diese eine Frage geht: Wer wird Nachfolger von Wowereit? Wowereit ist noch der starke Mann in der SPD, man kann auch sagen, er ist der Profi in der Partei und am Senatstisch. Wowereit steht seit fast elf Jahren an der Spitze des Berliner Senats, eine vierte Amtszeit nach 2016 wird es wohl nicht geben. Auch ein Wechsel in die Bundespolitik ist angesichts der vielen ambitionierten Sozialdemokraten in der Bundespartei ausgeschlossen. Wer aber kommt dann nach Wowereit? Müller, weil er als wiedergewählter SPD-Landeschef quasi ein geborener Nachfolger ist? Saleh, weil er der neue starke Mann in der SPD ist, wenn es ihm gelingt, Müller zu verhindern und einen Kandidaten aus dem linken Lager zum Parteichef zu küren? Oder keiner von ihnen, weil die Hauptstadt-SPD ohne Wowereit alle Attraktivität verloren hat? Die Berliner SPD hat es in den vergangenen Jahren versäumt, Talente zu fördern und einen potenziellen Nachfolger für Wowereit aufzubauen. Das rächt sich jetzt.

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