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Ein Urteil mit fataler Wirkung
Leitarikel von Jens Bierschwale

Berlin (ots)

Allein der zeitliche Rahmen dokumentiert das Dilemma. 73,5 Stunden benötigte das Gericht für die Urteilsverkündung, ehe der Einspruch von Hertha BSC gegen die Wertung des Relegationsrückspiels abgewiesen wurde. Fortuna Düsseldorf, Gewinner der Ausscheidungsspiele, steigt nun (vorläufig) in die Bundesliga auf, aus der die Berliner nach einem Jahr wieder verschwinden. So weit, so schlecht. Denn noch hat Hertha die Möglichkeit, nicht nur - wie bereits angekündigt - das Bundesgericht des Deutschen Fußball-Bundes anzurufen, sondern auch vor das unabhängige Schiedsgericht und sogar den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) zu ziehen, um dort für einen Verbleib in der Beletage zu kämpfen. Weitaus schlimmer als ein Terminchaos bei einem Gang durch die Instanzen ist aber ein anderer Umstand: Durch das Urteil könnten Verband und Liga vor ein gewaltiges Problem gestellt werden. Eine Partie, die nach Zuschauerausschreitungen und Platzstürmung insgesamt fast eine halbe Stunde unterbrochen werden musste, bei der einige Profis im Düsseldorfer Fan-Mob nach eigener Darstellung Todesängste ausstanden und bei der zum Schluss Eckfahnen und Elfmetermarkierung abhanden kamen, gilt nun als regulär zu Ende geführt. Eine solche Sicht der Dinge könnten Fans künftig dazu nutzen, Stadien weiter als Plattform für ihre Gewaltexzesse und Pyrotechnik zu missbrauchen. Nach einer Saison, die ob heftiger Krawalle in Karlsruhe, Köln oder Dortmund ohnehin schon so viele negative Schlagzeilen wie nie zuvor produzierte, ist das ein fatales Signal. Ein Wiederholungsspiel in Düsseldorf mit begrenztem Zuschaueraufkommen wäre ein weitaus nachvollziehbareres Urteil des Sportgerichts gewesen. So aber gibt es nur Verlierer: Neben Verband und Liga, die vehement Maßnahmen gegen die Gewalt in den Stadien suchen und durch das Urteil doppelt gefordert sind, ist das zuvorderst Hertha BSC. Der Verein hat einen heftigen Imageschaden erlitten, sieht dem Abstieg entgegen und muss auch noch damit leben, dass er wilde Prügler beschäftigt. Die Verfahren gegen Lewan Kobiaschwili, der den Schiedsrichter Wolfgang Stark nach Spielschluss in Düsseldorf geschlagen haben soll, sowie drei gleichsam auffällig gewordene Profis beginnen wohl noch diese Woche. Und selbst beim vermeintlichen Aufsteiger Fortuna ist noch kein Glück eingekehrt. Aufgrund der unsicheren Rechtslage musste der Verein bereits die Saisonabschlussfahrt nach Mallorca stornieren. Und für Mittwoch ist wieder ein Teamtraining geplant. Das Bundesgericht kommt wohl am Freitag zusammen. Der für Hertha sportlich notwendigen Aufarbeitung einer desaströsen Saison ist der Gang in die nächste Instanz indes abträglich. Die Verantwortlichen um Manager Michael Preetz können so wunderbar von eigenen Fehlleistungen ablenken. Im Sinne einer Arbeitsplatzerhaltung vieler Klubangestellter bei einem Verbleib in der Ersten Liga ist das Vorgehen verständlich. Ob es auch die Zustimmung der Mitglieder findet, bleibt fraglich. Am kommenden Dienstag herrscht auch in dieser Sache Klarheit, es steht die Jahreshauptversammlung bei Hertha an.

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