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Hajo Schumacher über die fehlende Förderung für Berufssportler

Berlin (ots)

Es ist schon lustig. Kaum klimpern die ersten Goldmedaillen in der deutschen Schatulle, sind wir ein einig Volk von Vielseitigkeitsreitern. Aber die durchaus respektablen Siege hoch zu Pferd können ein strukturelles Problem der deutschen Mannschaft nicht überdecken: Athleten in den klassischen olympischen Disziplinen müssen eine brutale Entscheidung treffen: Wollen sie zehn Jahre oder länger rackern, den Körper ruinieren, wollen sie Jobchancen riskieren und sich mit Funktionären herumärgern, damit in wenigen Sekunden alles für die Katz ist? Deutschlands Athleten sind mit ihrer bislang eher kargen Medaillenbilanz ein Spiegel pragmatischen Denkens. Junge Menschen und auch Eltern sind weder willens noch in der Lage, ihr ganzes Leben für eine ungewisse Zukunft zu opfern. Wer immer sich über die vermeintlich absaufenden deutschen Schwimmer empört, der muss sich fragen, ob er sein Kind in einer chinesischen Schwimmschule anmelden würde. Unsere Jugend ist weder faul noch verweichlicht, sondern schlicht so gut, wie es dieses Land zulässt, Risiken inklusive. Manchmal klappt alles, wie bei den Reitern. Und manchmal nicht viel, so wie bei vielen anderen. Abseits vom TV-alimentierten Fußball, von Tennis und Formel 1 bedeutet eine Karriere als Leistungsathlet hierzulande ein unkalkulierbares Abenteuer. Wer nicht bei Polizei, Grenzschutz oder Bundeswehr arbeiten möchte und keine nachsichtigen Ausbilder oder Arbeitgeber hat, wird sich genau überlegen, wie viel Training das Leben erlaubt. Sport ist die schönste Nebensache der Welt. Wird die Leibesübung aber zum Beruf, dann ist Mut gefragt. Wasserspringer, Judoka, Kanuten, Schützen, Bahnradfahrer und viele andere sogenannte Randsportler grollen insgeheim, weil ihre Siege vier Jahre lang nicht mal für eine Fußnote gut sind. Kaum ist Olympia, muss die Medaille her, gegen Gegner, die oft unter besseren Bedingungen rackern. Und ist nach 48 Stunden auch schon wieder vergessen. Anderswo wird der Spitzensport wie ein Nationalheiligtum gehegt. Olympiasieger dürfen mit lebenslänglicher Versorgung rechnen; Verbände und Regierungen wollen Erfolge um jeden Preis. Wir Deutschen nicht. Die Fechterin Imke Duplitzer lag in der Wortwahl knapp daneben, machte aber einige gute Punkte: Wie sollen Athleten damit umgehen, wenn eifersüchtige Verbandsvertreter zicken? Liefern Funktionäre, allen voran DOSB-Chef Michael Vesper und IOC-Vertreter Thomas Bach, jene Professionalität, die sie von den Athleten fordern, und repräsentieren sie das Team angemessen? Welcher Athlet nimmt die beiden obersten Lobbyisten des deutschen Sports eigentlich ernst? Und schließlich das leidige Thema Doping: Gut, dass deutsche Sportler manchmal sogar überraschend im Training getestet werden. In anderen Teilen der Welt müssen die Kontrolleure erst wochenlang um ein Visum betteln. Von Chancengleichheit keine Spur. Die Summe dieser Kleinigkeiten ergibt jene Millimeter und Hundertstelsekunden, die vielen deutschen Athleten fehlen. Na und? Dabei sein ist alles - und dann erfolgreich und gesund weiter durchs Leben. Auch kein schlechtes Motto.

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