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Leitarikel von Christine Richter

Berlin (ots)

Die NSU-Spur hat Berlin erreicht: Das Landeskriminalamt Berlin hat mehr als zehn Jahre lang mit einem Informanten aus dem Unterstützerkreis der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) zusammengearbeitet. Obwohl der Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) schon im März davon erfuhr, wurde dieser Umstand erst am Donnerstag dem NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag bekannt. Zu Recht empören sich die Bundestagsabgeordneten, denn sie können diese schrecklichen Morde und das Versagen der Sicherheitsbehörden nur aufklären, wenn ihnen alle Informationen vorliegen.

Innensenator Henkel hat die Brisanz der Angelegenheit zwar erkannt und schon am Freitag zu einem Sondertreffen mit den Berliner Innenpolitikern ins Abgeordnetenhaus geladen. Aber ausgestanden ist die Sache noch lange nicht. Henkel versprach schnelle Aufklärung, und die ist auch dringend erforderlich. Man stelle sich vor: Der V-Mann des Berliner LKA soll mit dem NSU-Mitglied Beate Zschäpe liiert gewesen sein, er soll dem Trio ein Kilogramm Sprengstoff geliefert haben, und er wusste wohl auch, wo es sich aufhielt. Was geschah mit den Informationen? Was tat das LKA? Wen informierten die Berliner Beamten? Was wusste die Polizeiführung in Berlin? Was das Bundeskriminalamt? Fragen über Fragen - und am Ende vor allem eine: Hätte einer oder hätten gar mehrere der zehn Morde, die die NSU begangen haben soll, verhindert werden können, wenn die Informationen dieses V-Mannes früher die richtigen Stellen erreicht hätten?

Nun mag manch ein CDU-Politiker sagen, Henkel sei im Jahr 2002 nicht im Amt gewesen, auch Anfang 2011 nicht. Damals hieß der verantwortliche Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Henkel wurde erst Ende 2012 zum Innensenator gewählt. Doch das ist fast zehn Monate her: Politisch ist er verantwortlich. Als der NSU-Terror in Deutschland offenbar wurde, war jeder Senator oder Landesminister verpflichtet, danach zu forschen, was beim jeweiligen Landesverfassungsschutz für Erkenntnisse vorliegen. Da auch die Polizei mit Informanten arbeitet, hätte Henkel also entweder seine amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers anweisen müssen, die Akten in Berlin auf NSU-Hinweise zu prüfen. Oder Koppers selbst hätte aktiv werden müssen. All das ist nicht beziehungsweise zu spät geschehen.

Das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden ist durch die NSU-Morde und die vielen Fehler bei deren Aufklärung schon lange erschüttert. Auch die zahlreichen Rücktritte beim Bundesverfassungsschutz und den diversen Landesämtern für Verfassungsschutz haben daran nichts geändert. Monatelang haben die Berliner Polizei und der Verfassungsschutz behauptet, es führe keine Spur der NSU in die Hauptstadt. Nun reiht sich Berlin in die Pannenserie ein. Nur wenn die Vorgänge jetzt schnell und vor allem transparent aufgeklärt werden, kann Vertrauen zurückgewonnen werden. Ein klein wenig.

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