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Ein süßer Keks für unterwegs Thomas Schmid über die Entscheidung für die EU als Friedensnobelpreisträger

Berlin (ots)

Nehmen wir's von der positiven Seite: Die Entscheidung, der Europäischen Union den Friedensnobelpreis zu verleihen, regt zumindest zum Nachdenken, ja, zur Selbstreflexion der Bürger Europas an. Dieser Preis geht in der Regel an einzelne Personen - wobei auffällt, dass die Preise oft zu spät kommen und den Verleihern in aller Regel der Mut fehlt, über den Schatten des mehr oder minder linken Gutmenschentums zu springen. Noch keiner, der die Werte des Westens scharf gegen den Sirenengesang des Kulturrelativismus verteidigt, ist bisher in den Genuss des Preises gekommen. Gewiss kein Zufall. Auch Organisationen sind schon mit dem Preis geehrt worden, etwa Ärzte ohne Grenzen. Aber nun ein gewaltiges, kontinentumgreifendes Gebilde, das zugleich weniger und viel mehr ist als ein Staat. Man muss schon sagen, das ist unerhört. Wer aber bekommt eigentlich den Preis? Herr Barroso? Frau Merkel (verspätet an Helmut Kohls statt)? Das Europäische Parlament und der schneidige Herr Schulz? Die Kommission, "Brüssel", posthum die Gründungsväter von Altiero Spinelli bis Jean Monnet? Europas Staaten und Völker, am Ende gar wir alle? Ja, das wird es sein: Wir sind Nobelpreis! Eine schöne, erhebende Entscheidung. Aber auch eine, die im Ungefähren, im Nebel der Geschichte, im Unentschiedenen verbleibt. Die EU gäbe es ohne seine Bürger so wenig wie ohne seine Macher. Was hat der Krieg, was hat das Volk, was haben Politiker, was haben die neuen europäischen Institutionen zu dem Friedenswerk beigetragen? Dazu schweigt die Entscheidung. Wer seine Vergangenheit nicht kennt, verfehlt die Zukunft, ja sicher. Doch das Nobelpreiskomitee bleibt ganz im Gestern. Es begründet die Entscheidung mit der Überwindung der Traditionen mörderischer europäischer Bruderkriege, mit der Integration von drei ehemaligen Diktaturen (Griechenland, Spanien, Portugal), mit dem Ende der Ost-West-Spaltung und mit der mählichen Rückkehr des Balkans in eine rechtsgeleitete Staatenwelt. Abgesehen davon, dass hier die Wirtschaft, die vielleicht der größte Friedensmotor gewesen war, gar nicht vorkommt: In dieser Entscheidung spiegelt sich gar nicht die Tatsache, dass Europa in einer selbst verschuldeten Krise steckt und seine Bürger der EU nicht mehr das Maß an Zuneigung entgegenbringen, das sie einst dem Europa-Gedanken entgegengebracht hatten. Der Preis soll wohl eine Ermunterung sein, nehmen wir es denn auch so. Eine nette Geste, wie eine Rose, die auf dem Samstagsmarkt verteilt wird. Europa läuft gut, braucht aber auch eine Neubegründung: durch die Politik, die Institutionen, die Bürger, die Kultur. Das Eiapopeia aus Norwegen nehmen wir wie einen süßen Keks zur Wegzehrung mit. Um den Rest müssen wir uns schon selbst kümmern. Nach dem Nobelpreis ist vor den Mühen der Ebene und der Gipfel.

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