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Angela Merkel muss handeln Leitartikel von Jochim Stoltenberg über den bevorstehenden Wahlkampf und die Ablösung der Bildungsministerin.

Berlin (ots)

Ein Lebenswerk ist zerstört. Das ist bitter. Zumal die Umstände der akademischen Degradierung Annette Schavans durchaus auch fragwürdige Elemente enthalten. Kann heute noch wirklich gerecht über eine Doktorarbeit geurteilt werden, die vor 33 Jahren eingereicht wurde? Und ist, während das Überprüfungsverfahren an der Universität Düsseldorf lief, etwa bewusst öffentliche Stimmung gegen die Bundesministerin für Bildung und Forschung im Kabinett Angela Merkel geschürt worden? Einen solchen Verdacht liefern einseitige Informationen aus dem Prüfungsgremium und damit der Bruch der vorgegebenen Vertraulichkeit. Verständlich also, dass Annette Schavan das Ende ihrer akademischen Karriere nicht klaglos akzeptieren will. Doch neben ihrer wissenschaftlichen Qualifikation geht es jetzt auch um ihre politische. Um die ist es nach dem eindeutigen Votum der Universität Düsseldorf gegen sie geschehen. Damit hat auch Angela Merkel ein weiteres dickes Problem im heraufziehenden Bundestagswahlkampf, sollte sie zaudern.

Annette Schavan zählt wahrlich nicht zu den Säulen des Kabinetts Merkel. Doch sie zählt zum etwas despektierlich "Girls Camp" titulierten engsten Berater- und Vertrautenkreis der Kanzlerin. Es würde also noch einsamer um Merkel werden, verschwände ihre getreue Freundin aus dem Dunstkreis des Kanzleramts. Viel gefährlicher allerdings würde es politisch für Angela Merkel, hielte sie an der Ministerin fest. Die hat als Mitverantwortliche für Wissenschaft und Bildung in Deutschland auch eine Vorbildfunktion insbesondere für die junge Generation an Schulen und Universitäten. Für die Opposition käme es einem Geschenk des Himmels gleich, die Unglaubwürdigkeit einer derart angeschlagenen Ministerin zu befeuern. Dass solche Attacken parallel auf die Kanzlerin ausgedehnt würden, versteht sich für jeden Wahlkämpfer von selbst. Also hat Angel Merkel gar keine Wahl: Schavans Tage als Ministerin sind gezählt.

Weder die Republik noch die Koalition wird das erschüttern. Die Bürger werden - wenn die Entscheidung denn sehr schnell nach der Rückkehr der Ministerin aus Südafrika fällt - die Affäre schnell vergessen. Weil der Name Schavan für die meisten Menschen für wenig Erinnerungswürdiges steht, weil die entscheidenden Weichen in der Hochschul- und Bildungspolitik ohnehin in den Bundesländern gestellt werden. Und da Schavan auch für Schwarz- Gelb kein großer Name ist, wird ihr Abschied weder für CDU noch für CSU oder FDP Anlass sein, weiteren internen Streit zu inszenieren.

Angesichts der Tatsache, dass Schavan eine Randfigur im Kabinett ist und in einem guten halben Jahr die nächste Bundesregierung gewählt wird, ist die Überlegung nicht ganz abwegig, dass Bildungsministerium an seiner Spitze gar nicht mehr neu zu besetzen. Schavan tritt zurück, lässt zumindest ihr Amt ruhen, und nach der Bundestagswahl ernennt der Sieger den Nachfolger oder die Nachfolgerin. Wetten, dass die deutsche Wissenschafts- und Bildungspolitik keinen Schaden nehmen würde? Warum nicht einmal eine unorthodoxe Lösung? Und dazu eine, die Kosten spart.

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