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Eine anhaltende Sinnkrise Leitartikel von Hajo Schumacher über das Bundesbildungsministerium und schlanke Regierungen

Berlin (ots)

Eine Frau, eine Ostdeutsche, eine Mathematikerin - die neue Bildungsministerin bereichert das Bundeskabinett mit klassischen Merkel'schen Merkmalen. Für Quotentheoretiker mag Johanna Wanka ein Gewinn sein, für das Land wird sie es nicht. In den ferienreichen Monaten bis zur Bundestagswahl wird die Sächsin kaum mehr als die hinlänglich bekannten Absichtserklärungen schaffen; völlig unabhängig von ihrer Qualifikation startet die Neue vom ersten Tag an als "lame duck", die 200 Tage lang hochwertige Sitzmöbel wärmen darf.

Nach dem Rücktritt ihrer Freundin bot sich der Bundeskanzlerin die Chance, jenen Sparwillen, den sie europaweit gern verlangt, selbst mal an den Tag zu legen. Wie? Ganz einfach: das Ministerium einfach abschaffen. Die Kanzlerin hätte nach dem durch die Niedersachsen-Schlappe vermasselten Wahlkampfauftakt Handlungsfähigkeit bewiesen, sie hätte den Vorwurf fortgesetzten Geldverschleuderns gekontert und ihr Team übersichtlicher aufgestellt.

Bildung ist und bleibt Ländersache. Um die geringe Bedeutung des Bundesministeriums zu ermessen, genügt ein kleiner Test: Wie hieß die Vorgängerin von Annette Schavan? Moment, wir haben's gleich... Ach, doch lieber bei Wikipedia gucken. Ach ja, Edelgard Bulmahn, die immerhin die Exzellenziniative für deutsche Unis erfunden hatte, mit der sich ihre Nachfolgerin schmückte. Einzig Heinz Riesenhuber ist im Gedächtnis, wenn auch vorwiegend wegen seiner Vorliebe für alberne Fliegen.

Schon die Geschichte des Hauses weist auf pathologischen Bedeutungsmangel hin: Gegründet als Atom-Ministerium, bereichert um das Ressort "Wasser", mal Forschung allein, mal im Doppelpack mit der Bildung, dann wieder um das Modewort "Technologie" angereichert, illustriert das dauernde Umbenennen die anhaltende Sinnkrise. Hinzu kommt fortgesetzte Erfolglosigkeit: Entweder haben Reformen nicht funktioniert oder sie wurden nicht verhindert. Ob Studiengebühr oder jahrgangsübergreifendes Lernen, ob Bologna-Prozess oder Bildungsbiografien, die aus Burnout-Abitur und Flachzangen-Bachelor zusammengelötet sind - was immer Bundesländer oder Europa dem deutschen Nachwuchs verordneten, wurde vom Ministerium selten entschärft oder verbessert.

Wie Wirtschaft oder Familie oder Entwicklungshilfe gehört das Bildungsressort zu den Show-Ministerien. Anders als bei Innenpolitik, Finanzen oder Verteidigung, wo zentrale Fragen des Miteinanders geregelt werden, lassen sich die Aufgabenbereiche des Wanka-Ministeriums problemlos auf die Kollegen verteilen. Die Forschung gehört eher in die Wirtschaft, Bildungs-, weil Lebenslauffragen wären im Familienministerium gut aufgehoben.

Bei dieser Gelegenheit hätte Angela Merkel noch ein weiteres Ministerium schließen können, jenes, das die FDP ohnehin auf die Kill-Liste gesetzt hat. Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel hätte endlich mal Aufmerksamkeit für gute Politik bekommen, wenn er sein Haus abgeschafft und ins gleichfalls liberale Außenamt integriert hätte. Dann hätte Angela Merkel immer noch nicht die erfolgreichste, aber immerhin die schlankste Regierung zu bieten.

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