Das Phänomen Bushido - Hajo Schumacher über die Anbiederung der Gesellschaft an den zwielichtigen Gangsta- Rapper
Berlin (ots)
Denksportaufgabe für Eltern: Wie erklärt man einem Heranwachsenden, dass es streng verboten ist, sich ein Bobbycar schenken zu lassen, aber völlig okay, einer kriminellen Vereinigung als Marketingfolie zu dienen oder gegen Minderheiten zu hetzen? Es ist das Privileg der Jugend, zweifelhafte Gestalten wie Bushido cool zu finden. Es besteht aber keine Elternpflicht, den schwachsinnigen Kult um einen Rapper mitzumachen, der sein Leben per Generalvollmacht in die Hände eines Clans legt, den diese Stadt so dringend braucht wie die Pest. Kriminalexperten wundern sich schon lange, wie unterwürfig bis naiv sich Politiker, Prominente und Teile der Medien an eine Szene heranwanzen, die dieses Gemeinwesen systematisch aushöhlt. Wie kann sich der CSU-Bundesinnenminister Friedrich mit tumbem Fanstolz an der Seite Bushidos fotografieren lassen? Was reitet den CDU-Bundestagsabgeordneten von Stetten, dem Rapper ein Praktikum im Parlament zu verschaffen? Resozialisierung wäre ja prima. Hat aber nicht geklappt. Wie will ein konservativer Mittelscheitel wie von Stetten, nebenbei Honorarkonsul der Malediven, über christliche Werte dozieren, wenn er einen Show-Praktikanten beschäftigt, der "Tunten vergasen" will. Gut möglich, dass sich hier Männer- und Weltbilder begegnen, die näher am Mittelalter sind als an einer modernen, demokratischen aufgeklärten Stadtgesellschaft, die Faustrecht und Clan-Unwesen überwunden glaubte. Unstrittig, dass jene Großfamilien, die weite Teile des Menschen- und Drogenhandels in dieser Stadt kontrollieren, den Rechtsstaat nur insofern schätzen, als er ihre eigenen Rechte gnadenlos durchsetzt. Ansonsten gelten Polizisten, Staatsanwälte und deren Gesetze als verhöhnenswert, die meisten Medien übrigens auch. Fakt ist: Ein paar Prozent Kriminelle belasten das Ansehen ganzer Bevölkerungsgruppen und mithin das Klima der Stadt. Bushidos durchsichtiges Doppelspiel wirkt dem Gift der organisierten Kriminalität nicht entgegen: auf der einen Seite die bürgerliche Masche mit Bundestagspraktikum, Kleinmachnow-Immobilie und Bambi-Unsinn, auf der anderen die offenkundige Nähe zur düsteren Seite. Der Musiker rollt den roten Teppich der Glam-Industrie bereitwillig in die Unterwelt. Kann ja sein, dass es zur Berufsehre des Gangsta-Rapper gehört, sich mit Ganoven einzulassen. Es gehört allerdings auch zum guten Recht des Staats, mit herzlicher Härte dazwischen zu schlagen. Und zur Pflicht der zahllosen Anstands-Wauwaus, ihre moralische Empörung nicht nur bei Bundespräsidenten auszuleben. Bitte eine klare Ansage, Herr Bushido, und nicht wieder juxiges Gefasel: Wie stehen Sie zur Integration? Zu den Rechten der Frau? Zur Homosexuellen-Hetze? Zum Staat Israel? Und wie erklären Sie diese Generalvollmacht? Warum schenkt einer mit derart großen Testikeln sein Schicksal her? Der Psychologe fragt: Wie groß mag der Mutti-Komplex des vaterlos Aufgewachsenen sein? Was kompensiert ein Seelchen mit albernem Macho-Gehabe? Und wie erklären wir das Phänomen Bushido nun unseren Kindern? Mit der einfachen Frage: Wollen wir in einem Land leben, das von Bushido und seinen Kumpels regiert wird, mit ein wenig Scharia hier, ein bisschen Mafia da und ironisch verbrämter Hetze gegen alles, was anders denkt? Eben.
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