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Einsatz mit tödlichen Folgen - Leitartikel von Christine Richter

Berlin (ots)

Genau 91 Schüsse hat die Berliner Polizei im vergangenen Jahr abgegeben - davon drei auf Menschen, 61 auf Tiere. Die übrigen waren Warnschüsse oder Schüsse, die sich beim Reinigen der Waffe lösten. Am vergangenen Freitag schoss ein Berliner Polizist wieder - auf einen nackten, verwirrten Mann, der im Neptunbrunnen in der Nähe des Roten Rathauses mit einem Messer bewaffnet war, sich selbst verletzte und auch die alarmierten Polizisten bedrohte. Der Mann, 31 Jahre alt, wurde von dem Schuss tödlich getroffen. Ein wirkliches Drama.

So stellen sich viele Fragen, ob der Einsatz der Schusswaffe wirklich nötig war. Hätte der Mann von den erfahrenen Polizeibeamten nicht anders gestoppt werden können? Warum ist der Polizist überhaupt in den Brunnen gestiegen? Hat er sich damit nicht selbst in diese gefährliche Situation gebracht, die Notwehrsituation geradezu provoziert? Und wenn der Polizeibeamte zu der Einschätzung kam, dass der 31-Jährige, der sich mit dem Messer offensichtlich in Suizidabsicht selbst verletzte, nur durch einen Schuss aufgehalten werden konnte, warum schoss der Beamte dann nicht in dessen Bein? Auf dem im Internet veröffentlichten Video ist deutlich zu sehen, dass die Waffe immer auf den Oberkörper gerichtet war.

Völlig zu Recht diskutieren Politiker aller Parteien und die Polizeigewerkschaften jetzt über die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes. Denn neben der Schusswaffe können Polizisten ja Pfefferspray einsetzen, um den verwirrten Mann zur Räson zu bringen. Auch mit einem Elektroschocker hätte der Mann vielleicht überwältigt werden können - allerdings nicht, wenn der Polizeibeamte selbst im Wasser steht. Und auch das muss man bei diesem Fall bedenken: Dieser Taser-Einsatz ist in Berlin bislang nur dem Spezialeinsatzkommando (SEK) erlaubt. Mit Worten, das allerdings ist schon am Freitag klar geworden, war der Mann im Neptunbrunnen nicht mehr zu stoppen. Und weil er sich mit dem Messer ja schwere Verletzungen, auch am Hals zufügte, mussten die Polizeibeamten schnell handeln.

Der Fall muss nun von der Polizei und Staatsanwaltschaft untersucht werden. Gründlich, darauf hat auch der Polizeibeamte einen Anspruch. Die Fragen werden also nicht morgen oder übermorgen beantwortet sein. Sie zu stellen, ist aber legitim. Genauso wie die Debatte darüber, ob man das Video mit dem Todesschuss auf der Internet-Plattform Facebook veröffentlichen durfte. Die einen finden es in Ordnung, weil im Fernsehen, auch in aktuellen Nachrichtensendungen oder im Kino viel schlimmere Szenen zu sehen sind. Für die anderen sind die Bilder, auf denen ein Mann beim Sterben zu sehen ist, menschenverachtend. Es wäre sicherlich gut, wenn diejenigen, die Fotos und Videos posten, sich der Würde des Menschen erinnern und solche Bilder gar nicht ins Internet stellen, sondern selbst schnell wieder löschen. Und für Facebook & Co gilt: Kontrollen verbessern, dringend.

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Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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